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14 Tipps für Langfahrtsegler

Wir erhalten zahlreiche Mails, die uns zum Thema Ausrüstung, Verproviantierung, Leben auf einem Schiff etc. erreichen. Und auch wir hätten vor unsere Abreise gerne viele dieser Fragen beantwortet gehabt. In vielen Fällen gibt es aber keine eindeutige Antwort, sondern oft ein „kommt darauf an…“. Dennoch gibt es einige allgemeingültige Tipps, die einem den Einstieg ins Langfahrtsegeln vereinfachen können. Wir haben uns mal überlegt, was uns einige Ängste genommen, viel Ärger erspart und tolle neue Erlebnis gebracht hätte, wenn wir es nur schon rechtzeitig genug gewusst und nicht erst mühevoll hätten lernen müssen. Herausgekommen ist eine Liste mit 14 Tipps. Alles nichts sonderlich außergewöhnliches, mit viel Lesen findet Ihr das alles auch selbst heraus. Aber in dieser komprimierten Form gibt es eben nirgends sonst. Und zudem ist Punkt 14 ist ein wirklich weltbewegendes Novum.

1. Alles, was kaputt gehen kann, wird auch kaputt gehen

Salzwasser, UV-Licht, hohe Luftfeuchtigkeit und permanente Bewegung sind Gift für praktisch alle Ausrüstungsteile. Irgendwann gibt jedes Ausrüstungsteil seinen Geist auf, nichts ist für die Ewigkeit. Das gilt für Segel, Elektronik, mechanische Teile aber auch für den Dosenöffner und die Rumpflackierung. Je mehr Ausrüstung und Gimmicks Du mitführst, desto mehr Zeit verbringst Du an den schönsten Orten der Welt mit Wartung, Ersatzteilbesorgung, Reparaturen oder Ärger mit Mechanikern. Das gilt auch für neue Ausrüstung und Schiffe. Keep it simple und Du kannst Ankerbuchten in Ruhe geniessen.

2. Greife nie in ein funktionierendes System ein

Hierzu gibt es sicher unterschiedliche Meinungen. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass die Wartung vieler Teile nie zu einer Verbesserung, selten zu einem gleich guten Ergebnis und fast immer zu einer Verschlechterung führt. Beispiel gefällig? Der Impeller unserer Seewasserkühlung am Motor lief problemlos über 1.000 Stunden bevor wir auf die blöde Idee kamen, ihn sicherheitshalber auszutauschen. Der neue macht bereits nach 100 Stunden Ärger, während der alte wahrscheinlich locker nochmal 1.000 Stunden überlebt hätte. Dies gilt natürlich nicht für regelmäßige Ölwechsel etc. Aber einen Keilriemen würden wir nie austauschen, bevor er Schlupf hat. Und außerdem geht jedes Teil ja sowieso irgendwann kaputt (Siehe Punkt 1). Falls nicht, hast Du eine ewige Rennerei nach dem Ersatzteil (siehe Punkt 7).

3. Die beste Versicherung gegen einen Ausfall von Ausrüstung ist, ein Ersatzteil mitzuführen

Erstaunlich aber in unserem Falle wahr: Eigentlich gehen immer nur Ausrüstungsgegenstände kaputt, für die wir gerade nicht die passenden Ersatzteile dabei haben. Andersrum bedeutet dieser Tipp, dass man ohnehin nicht für alles die gerade benötigten Ersatzteile dabei haben kann, es sei denn man schleppt sein Schiff in 1:1 Kopie hinter her. Und selbst dann passt garantiert die eine Schraube, die man gerade benötigt, nicht. Versuche lieber Reparaturmaterialien mitzuführen, mit denen Du Dich bis in den nächsten Hafen retten kannst (Epoxy, Neoprengummi etc.) oder sorge für redundante Systeme (z.B. Wassermacher UND Regensammler zur Wassergewinnung). Und außerdem gibt es überall immer genügend Segler, die das dann gerade benötigte Teil dabei haben (siehe Punkt 6).

4. Gestalte Dein Schiffskonzept niemals um ein unabdingbares System

Immer mehr fortschrittsgläubige Segler verlassen sich z.B. beim Energiekonzept ausschließlich auf einen Generator. Wenn der kaputt geht, gibt es keinen Strom, kein Wasser, keine Kühlung, keinen Autopiloten etc. mehr. Große Krise an Bord ist die Folge. Redundanz (Überflüssigkeit) ist das Zauberwort, das es einem erlaubt, auch bei Ausfällen weiterzusegeln. Und die redundanten Systeme sollten möglichst unabhängig voneinander sein: Zum elektrischen Autopiloten gehört eine Windfahnensteuerung. Zum Wassermacher eine Möglichkeit Regenwasser zu sammeln. Zur Hochleistungslichtmaschine ein Solarpaneel. Zum Dinghy-Motor Paddel etc… Wenn dann etwas kaputt geht (siehe Punkt 1), hat man immer noch eine Möglichkeit weiterzukommen.

5. Das perfekte Schiff gibt es nicht. Lebe mit Kompromissen

Irgendetwas gibt es immer zu verbessern, zu ändern, zu optimieren. Nie werden alle Systeme völlig harmonisch ineinandergreifen. Lerne mit Dingen zu leben, die Dir nicht gerade das Leben zur Hölle machen. Ansonsten kommst Du nie los oder siehst auf Deiner Langfahrt nur den Motorraum oder irgendwelche Werften.

6. Du bist nicht alleine da draussen. Überall gibt es Segler oder hilfsbereite Menschen, die Dir bei Problemen weiterhelfen

Sehr sehr selten ist man an Orten, an denen man völlig von jeglicher Hilfe abgeschnitten ist. Meistens gibt es andere Segler und eigentlich immer einheimische Menschen, die Dir bei Problemen weiterhelfen können und es auch meistens sehr gerne tun. Es hilft zwar schon, wenn Du Dir bei Problemen weitgehend selbst helfen kannst. Aber auch wenn Du zwei linke Hände hast, musst Du keine Angst vor Langfahrt haben.

7. Kaufe dann, wenn es etwas (günstig) gibt, nicht wenn Du es benötigst

Dieser Tipp hat mehrere Seiten: Zum einen geht es um die Verfügbarkeit von Dingen. Je weiter Du segelst, desto mehr wirst Du feststellen, dass es nicht immer alles überall gibt. Kaufe daher dann, wenn es die Dinge gibt, die Dir wichtig sind. Zum Beispiel Roggenmehl: Gibt es ganz selten auf der Welt. Wenn wir es dann finden, schlagen wir erbarmungslos zu. Gilt aber natürlich auch für Ersatzteile (s. Punkt 3 zur Wunderwirkung von mitgeführten Ersatzteilen).

Zum anderen geht es um den Preis. An manchen Orten sind bestimmte Dinge unschlagbar günstig, nur ein paar hundert Meilen mag das gleiche Produkt das zehnfache kosten. Kaufe also, wenn Du etwas günstig findest.

Und zum dritten geht es um Zeitersparnis: Wende nie sehr viel Zeit für die Suche nach etwas auf, was Du gerade nicht unbedingt benötigst. Am nächsten Ort findest Du dieses Teil sehr wahrscheinlich ohne große Rennerei. Und bis dahin geht’s dann meistens auch ohne.

8. Glaube niemals Gerüchten unter Seglern, sondern bilde Dir Dein eigenes Urteil

Nichts brodelt intensiver, nichts ist unzuverlässiger als die Gerüchteküche unter Langfahrtseglern. Ihr würdet es nicht glauben, was wir an Horrorstories über Einklarieren, Einkaufen, Diebstähle, schlechte Ankerplätze und unfreundliche Menschen gehört haben. Fast nichts war zutreffend! Macht Euch Euer eigenes Bild, fahrt selbst hin. Beispiel? Einklarieren: Wir wurden an so vielen Stellen gewarnt, dass man dazu einen Agenten benötigt, dass man da nicht hin darf, dass die Behörden unfreundlich sind. Wie oft ist das eingetreten? Genau Null mal!

Weiteres Beispiel? In Französisch Polynesien gibt es zollfreien Diesel für ausländische Yachten und der ist immerhin 40% günstiger. Jeder Segler weiß das. Aber wie viele haben wohl das Papier, um den Diesel auch zu beziehen? Fast keiner! Warum nicht? Überall wird kolportiert, dass man für dieses Papier eine Heidenrennerei hätte und daher probiert es keiner. Dabei muß man nur am Zoll beim Einklarieren höflich danach fragen…

9. Studiere die Revierführer genau und suche Dir dann die Plätze, die nicht im Führer stehen oder schlecht beschrieben sind

Segler sind gesellige Wesen und in der Regel auch nicht sonderlich abenteuerlustig. Mit diesem Wissen kannst Du ganz einfach der Meute aus dem Weg gehen. Alles, was nicht im Revierführer beschrieben ist, wird in der Regel nur von einer winzig kleinen Minderheit besucht. Suchst Du Einsamkeit, so such Dir in der Seekarte einen Ort, der nicht im Führer steht. Mit gesundem Segelverstand wirst Du sicher einen finden. Ein oder zwei Seemeilen nebendran machen schon eine ganze Welt aus. Suchst Du aber Geselligkeit, so gehe zu den Orten, die im Revierführer mit „popular“ beschreiben sind. Da kannst Du dann jeden Abend auf einem anderen Schiff zum Sundowner sitzen (s. Punkt 14).

10. Lasse Dich nie auf einen Termin und einen Ort gleichzeitig festlegen

Das gilt in erster Linie für Besucher, über die man sich eigentlich immer freut. Dennoch: Auf keinen Fall sollte Dir der Besuch Ort und Zeitpunkt diktieren dürfen, wo sie einsteigen wollen. Das führt zu Stress, zu Segeln auch unter ungünstigen Bedingungen und schlimmstenfalls zu Bruch. Entweder Dein Besuch sagt, wo er hinkommen möchte. Dann sagst Du, wann Du dort sein wirst. Oder aber der Besuch gibt Dir den Zeitpunkt vor, dann sagst Du, wohin er kommen soll.

11. Je mehr Dinge Du selbst erledigen kannst, desto unabhängiger bist Du

Zwar muß man kein studierter Maschinenbauingenieur sein, um um die Welt zu segeln (siehe Punkt 6). Je mehr Du allerdings selbst reparieren oder warten kannst, desto freier bist Du in Deinen Entscheidungen, wo Du hinsegeln möchtest. Das ganze gilt auch für die Verproviantierung. Wenn Du Dich damit beschäftigst, Joghurt, Brot, Trockenfleisch, eingekochten Fisch oder Gemüsekonserven selbst herzustellen, steigt Deine Autonomie und Du lebst auch dann gut und günstig, wenn die Versorgung mal schlecht ist.

12. Plane nicht zu viel, fahr einfach los und bleib flexibel

Verschwende Deine Zeit nicht darauf, Dein Schiff oder Deine Route zuhause zu optimieren. Damit verschwendest Du nur wertvolle Zeit, die Du segelnderweise verbringen könntest. Viele kommen nicht los, weil sie ihr Schiff überoptimieren wollen. Das optimale Schiff oder die optimale Route gibt es aber eben nicht. Und unterwegs wirst Du so viele neue Eindrücke und Erfahrungen sammeln, dass Dein Plan von gestern heute bereits völlig überholt ist. Höre kritisch zu (siehe Punkt 8) und gestalte Deine Pläne und Dein Schiff nach Deinen Bedürfnissen, nicht nach denen anderer (damit ist natürlich auch die ganze Liste hier hinfällig…)

13. Das Erlebnis Langfahrtsegeln ist jeder Mühe wert

Wie Ihr aus den Punkten zuvor entnehmen könnt, gibt es allerlei Widrigkeiten, mit denen ein Langfahrtsegler zu kämpfen hat. Angefangen von maroder Ausrüstung über Besuch zur falschen Zeit am falschen Ort bis zu ewiger Rennerei bei Verproviantierung oder Ersatzteilbesorgung. Laßt Euch davon nicht entmutigen! Die Erlebnisse auf Langfahrt wiegen diese kleinen Übel mehr als auf. Und außerdem gibt es genug Leidensgenossen, mit denen man sein Leid bei einem Sundowner (siehe Punkt 14) beweinen kann.

14. Bist Du zum Sundowner eingeladen, so iss zuvor zu Abend

Zum Schluß noch ein ganz praxisnaher Tipp. Segler haben die Angewohnheit sich zu Sundownern auf irgendwelchen Schiffen zu verabreden. Das ganze beginnt in der Regel zu einer humanen Zeit, sagen wir so um 17:00 Uhr. Aber ehe man sich versieht, ist die Sonne tatsächlich unter und der Mond aufgegangen. Wehe dem, der zuvor nichts Anständiges gegessen hat…