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Sonntag 16. April 2006

Wunder der Natur

Unser Standort: Auf dem Weg von Ile Fourchue nach Guadeloupe

 

Der Schrei kommt plötzlich. "Volker, schnell!!". Ich erschrecke zu Tode und sause vom Kartentisch ins Cockpit in der Erwartung gerade noch den Container zu sehen, mit dem wir gleich zusammenstossen werden. "Da, da!" ruft Michaela und zeigt nach steuerbord querab. "Da springt was!". Und tatsächlich. Plötzlich schießt ein langer schwarzer Leib aus dem Wasser senkrecht in die Luft, fällt wieder zurück, um gleich darauf erneut herauszuschiessen und auf der Schwanzflosse zu tänzeln. Wahnsinn. Das ist ein Marlin, der immer wieder in die Luft springt. Wir bewundern mit offen stehenden Mündern dieses Naturschauspiel und die Kraft und Eleganz des prachtvollen Fisches. Nach der Showeinlage fragen wir uns, was der gute Kerl da wohl getrieben hat? Hat er gejagt? Befreit er sich so von Parasiten auf seiner Haut? Oder macht das einfach aus guter Laune und Übermut. Uns ist es egal, Hauptsache wir durften dabei zusehen.

 

Ich hoffe danach natürlich inständig, dass sich der Bursche vielleicht auch ein wenig für unsere nachgeschleppte Tintenfischimitation interessiert. Michaela betet, dass das nicht so ist. Und ihre Gebete werden erhört. Denn als die Angel 10 Minuten später anschlägt und die komplette Leine von der Rolle zieht ist es nicht der Marlin, sondern eine Golddorade monströsen Ausmasses. Sie wehrt sich mit hohen Luftsprüngen und Salti dagegen, ans Boot gekurbelt zu werden. Doch der Haken scheint diesmal fest zu sitzen und wir holen den smaraggrün schimmernden Fisch bis ans Heck von LA GITANA. Nun können wir ihn genau sehen. Er ist mindestens 1,70m lang und wahrscheinlich an die 20kg schwer. Wunderschön ist er anzuschauen, als er im Wasser versucht, vom Haken wegzuschwimmen. Ich wickele mir die Angelleine um die Hand, um ihn in Reichweite des Gaffs zu ziehen. Doch plötzlich macht er kehrt und zieht mit einer solchen Macht, dass ich fast ins Wasser falle. Ich kann gerade noch den Griff von der Leine lösen, die mir daraufhin wie ein heißes Messer in meine linke Hand schneidet. Das passiert mir nicht noch mal. Also Handschuhe angezogen, die Dorade wieder hergeholt und mit dem Gaff versucht sie einzufangen. In diesem Moment schnellt sich der Fisch nochmals in die Höhe, reißt kräftig an - und die Schnur durch. Friedlich und erlöst taucht er in die Tiefe ab.

 

Wir sind nun zwar nicht traurig über den entgangen Fischzug, dazu war die Dorade einfach zu prächtig. Sie tut uns allerdings leid, da sie mit dem Haken im Maul wahrscheinlich keine großen Überlebenschancen hat. Und wenn sie ohnehin sterben muß, wäre sie doch bei uns auf der Speisekarte besser aufgehoben gewesen.

 

Dass wir nicht zu traurig über den Verlust der Dorade sind, liegt aber auch daran, dass unser Kühlschrank bis zum Rand voll ist mit echtem Thunfisch und Spanischer Makrele, die uns heute bereits an den Haken gegangen sind. Zwei Prachtburschen waren auch das und ich freue mich riesig über den echten Thun. Heute abend gibt's das frischeste Sashimi, das man sich vorstellen kann. In Summe haben wir heute bestimmt 5kg Fisch eingebunkert.

 

Doch das nächste Naturschauspiel wartet. Und es findet erneut an der Angel statt. Urplötzlich wieder ein unglaublicher Zug. Es ist uns fast nicht möglich, die Angel gegen die Schwimmbewegungen des Fisches einzuholen. Noch 20 Meter und bisher war der Fisch noch nicht zu sehen. Doch da zeigt er seine enorme und langgestreckte Rückenflosse an der Oberfläche. Aber nur kurz. Er taucht ab, holt Anlauf, schießt aus dem Wasser, tänzelt auf seiner Schwanzflosse! Ein weißer Marlin!! Für ein paar Sekunden dürfen wir diesem Kraftpaket zuschauen, wie es auf dem Wasser stehend unseren Köder abschüttelt und auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Und das ist auch gut so. Wie hätten wir denn einen so wehrhaften Burschen in dieser Größe anlanden sollen?

 

Und noch immer war's nicht genug, mit dem Schauspiel, das uns heute Mutter Natur bietet. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit passieren wir wieder die Insel Montserrat mit dem aktiven Vulkan. Und während wir vor ein paar Tagen ob des feuerspeienden Berges begeistert waren, geraten wir heute völlig aus dem Häuschen! Die Eruptionen haben dramatisch an Intensität zugenommen. Die komplette Flanke des Vulkans glüht nun rot. Verzaubert und beeindruckt schauen wir lange zur Insel rüber. Wie lange sie wohl noch in dieser Form existieren wird?

 

Und so hat uns die Natur heute einen unvergesslichen Tag beschert, der eigentlich durch stundenlanges Motoren bei Flaute geprägt war. Und an solchen Tagen stellen wir uns überhaupt nicht die Frage, weshalb wir diese Reise unternommen haben, sondern geniessen in vollen Zügen.

 

Bilder des Tages:

- Der Thunfisch frisch aus dem Wasser...

- ... und keine 12 Stunden später als ultimativ frisches Sashimi!