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Dienstag 10. April 2007

Wir begrüßen den Pazifik mit Tränen

Unser Standort: Vor Anker in La Playita de Amador, Isla Culebra, Panama City, Panama

 

05:45 Uhr! Der Wecker rappelt!! Aufstehen, aufstehen!!! Bis der Advisor für den zweiten Teil unseres Panamakanaltransits anrückt, sollten wir bereit sein. Aber halt: Kommen die nicht immer zu spät? Doch sicher. Also erstmal den Wecker aus und nochmal rumgedreht.

 

Als wir schließlich um 06:15 Uhr aus den Kojen krabbeln, hält das Lotsenboot bereits auf uns zu. Dann beginnen wir unseren zweiten Tag eben ohne Zähneputzen. Das können wir ja später während unserer Fahrt durch den ruhigen Gatunsee nachholen.

 

Wir motoren mit gemütlicher Fahrt los. Uns umgibt eine Landschaft wie im Orinoco. Regenwald säumt die Ufer des künstlichen Gatunsees, der nur aufgestaut wurde, um die Schleusen des Panamakanals mit Wasser zu versorgen und eine Wasserstrasse vom Atlantik zum Pazifik zu ermöglichen. Die Inseln hier im See sind so abgeschnitten und von der Zivilisation verlassen, dass das Smithsonian Institute hier eine Forschungsstation unterhält, um die Entwicklung der Arten zu studieren. Das ist natürlich besonders interessant, da die Habitate vieler Arten durch das Aufstauen plötzlich zu sehr engen und isolierten Lebensräumen wurden.

 

Wir haben Zeit. Viel Zeit, denn die Einfahrt in die Pedro-Miguel-Schleuse ist erst für 12:11 Uhr geplant. Und da LA GITANA selbst bei geringen Motordrehzahlen locker 6kn läuft, sind wir eher zu schnell, als zu langsam. Und so sitzen wir im Cockpit und schwatzen, was das Zeugs hält. Selbst der Advisor, der sich eigentlich für fünf Stunden mit seinem iPod verziehen wollte, kann sich der guten Stimmung der Crew nicht entziehen und erzählt intensiv mit. Toll, wie wir unsere Rühreier zum Frühstück einnehmen, während um uns herum der Urwald vorbeizieht.

 

Als wir unter der erst vor 2 Jahren eröffneten Centennial-Brücke durchfahren, müssen wir die Geschwindigkeit noch weiter reduzieren. Irgendwann lassen wir uns nur noch ohne Motor von der schwachen Strömung Richtung Schleusen treiben. Wir sind zu früh dran. Dafür ist uns aber das Wetter hold. Die letzen Tage hatte es in Colon noch wie verrückt geregnet und auch gestern Morgen gingen permanent Wolkenbrüche nieder, so dass wir alle schon eine sehr nasse und ungemütliche Kanaldurchfahrt befürchteten. Doch pünktlich zu unserem Start hatte Petrus ein Einsehen und wir kommen völlig trocken durch den Kanal. Lediglich pünktlich zur Mittagspause zwischen Pedro-Miguel- und Mirafloresschleusen erwischt uns ein heftiger Gewitterschauer. Aber um dahin zu kommen, müssen wir ja erst einmal bergab schleusen.

 

Doch die Spannung und die Aufregung von gestern sind weg. Abwärts schleusen ist ein Kinderspiel. Keine Turbulenzen, kein Leinen gegen Widerstand dicht holen. Wir haben zudem das Glück (oder das Pech) ohne Frachter in der Schleusenkammer nach unten zu schleusen. Denn irgendwie ist es schon spannend, wenn so ein Hochhaus hinter Dir in die Schleuse fährt und erst kurz vor Deinem Schiff von den Kanallokomotiven gestoppt wird. So aber hat unser heutiges Zweier-Päckchen mit der Wanderlust in der 330m langen Schleuse jede Menge Platz. Nur voraus ist noch das Zweierpäckchen mit der Lasse und der Nakatcha, einem englischen Schiff, das wir auch aus der Shelter Bay Marina kennen.

 

So entspannt ist die Schleusung, dass Detlev sogar seine Position an der Vorleine verlässt und zu einem Schwatz nach achtern geht und dabei ganz vergisst, dass er die Leine immer wieder fieren muß. Schließlich erbarmt sich Amando, unser Advisor für den heutigen Tag, selbst die Leine zu fieren, als sich unser Bug bereits merklich anhebt... Detlev, das gibt eine 4- im ansonsten hervorragenden Linehandler-Zeugnis ;-)

 

Die größte Aufregung herrscht, als wir unsere Familien anrufen, um ihnen den exakten Zeitpunkt der Schleusung in den Miraflores-Schleusen mitzuteilen, auf dass sie uns via Webcam beobachten können.

 

Und nach der dritten Schleuse und knapp 90m bergab liegt er dann vor uns: der Pazifik! Unser Traumziel mit seinen langen Segelstrecken. Und als sich für uns das letzte Schleusentor öffnet und das erste Pazifikwasser um LA GITANAs Bauch streichelt, kommen uns die Tränen. Aus Freude, den Pazifik erreicht zu haben. Aus Erleichterung, den Panamakanal ohne Bruch mit Freunden an Bord bewältigt zu haben und aus Anspannung vor den großen Segelstrecken, die jetzt wieder vor uns liegen. Wir sind unglaublich aufgewühlt und vor allem Volker kann sich lange nicht wirklich beruhigen. Das Gefühl erinnert uns stark an den Moment vor 19 Monaten in Hyères, als LA GITANA endlich von der Werft Richtung Wasser gefahren wurde. Welch ein grandioser, emotionaler Moment. Allein für solche Momente hat sich unser Aufbruch in ein unbekanntes und unbestimmtes Leben gelohnt.

 

Und auch unsere Linehandler sind ganz aufgeregt. Zum ersten Mal sind sie im Pazifik und teilen unsere Gefühle. Auch für sie etwas ganz Besonderes auf einem kleinen Schiff von einem Ozean zum anderen gefahren zu sein und sie bedanken sich mehrfach für das tolle Erlebnis. Vielleicht hätten wir ja Geld für den Transit verlangen sollen, anstatt sie wie üblich bei Kost und Logis frei zu halten...

 

Bei der Bridge of the Americas geht Amando von Bord, nicht ohne uns nochmals zu dem "good job" zu beglückwünschen und wir tuckern Richtung Balboa Yacht Club. Dort wollen wir unsere Reifen-Fender entsorgen, Pam und Chuck von der Helen Louise abladen, die dann per Taxi nach Colon zurückfahren, und Diesel für die Überfahrt zu den Galapagos-Inseln tanken. Das meiste klappt auch. Nur Diesel gibt es gerade keinen. So ein Mist. Das ist aber gar nicht gut. Da müssen wir uns in den nächsten Tagen noch etwas einfallen lassen.

 

Als kleine Entschädigung gehen wir an der Gammeldansker längsseits, die hier an einer Boje liegt, um Gisela abzuholen. Uns gefällt es im Balboa Yacht Club - allein der Name ist ein Euphemismus - nicht gut. Es gibt nur Bojen, die durch die ständig in den Kanal einfahrender Schiffe sehr unruhig sind, und das Club-Restaurant ist mehr eine Kreuzung aus Strandbar und Imbissbude. Dass es für mehr als 20 USD pro Tag für die Boje kostenloses Wifi gibt, überzeugt uns auch nicht und wir beschliessen nach La Playita zu fahren. Dort kostet das Ankern wenigstens nichts. Dank des Wifi hat aber Gisela wenigstens die druckfrischen Screenshots unsere Schleusung in den Miraflores Locks auf USB Stick dabei.

 

Der Anker fällt schließlich in La Playita direkt neben der schweizerischen Meitli, die wir in Shelter Bay kennen gelernt hatten und das Hallo ist groß. Wir öffnen eine Flasche Champagner. Rasmus und LA GITANA gehören die ersten Schlucke und dann stossen wir gemeinsam auf den reibungslosen Kanaltransit und unsere Reise durch den Pazifik an. Das Adrenalin hat uns wieder. Jetzt aber nicht aus Aufregung, sondern aus Vorfreude auf das, was uns nun alles bevorsteht.

 

Den Abend beschliessen wir gemeinsam mit Beate und Detlev von der Kira sowie Gisela und Holger von der Gammeldansker mit einer Tour durch die umliegenden Bars und Restaurants. Und es ist ein tolles Gefühl, in einem fremden Ozean angekommen zu sein und gute Freunde um sich zu haben... So toll, dass wir spät abends über den Zaun zu unserem Dinghy klettern müssen, da das Tor geschlossen war.

 

Bilder des Tages:

- Die Lasse und die Nakatcha liegen im Zweierpäckchen hinter uns in der Schleuse - sicher mit vier Leinen vertäut

- Vor uns öffnen sich die Schleusentore zum Start in den Pazifik - ein unglaublich emotionaler Moment

- Wir fahren unter der Bridge of the Americas durch und ein unglaubliches Hochgefühl erfasst uns. Vor uns liegen die Trauminseln und Atolle der Südsee