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Dienstag 08. April 2008

Alles ist im Aufbruch

Unser Standort: Vor Anker im Canton-Atoll, Phönix-Archipel, Kiribati

 

Jetzt ist es amtlich! Das Versorgungsschiff hat am Samstag Christmas Island verlassen und wird entweder am Donnerstag oder am Freitag hier in Canton eintreffen. Wie sehnlich haben die Leute hier - allen voran der schwerkranke John - auf diesen Moment gewartet. Inzwischen ist es wirklich dringend, dass Nachschub eintrifft, denn die Reis-, Mehl- und Teevorräte gehen beträchtlich zur Neige.

 

Bei denjenigen, die die Insel verlassen wollen, bricht die große Hektik aus. Neben dem Packen der wenigen Habseligkeiten wird noch mal richtig aus dem Füllhorn von Mutter Natur geschöpft. Schließlich sind die anderen Inseln Kiribati stark überbevölkert und dementsprechend leergefischt. Also nutzen die fahrenden Cantonesen nochmal jede Gelegenheit zum Fischen und Sammeln. Vor allem Kaurischnecken sind hochbegehrt und werden zu Dutzenden vom Riff genommen und gesäubert. Sie werden anschließend nach Christmas Island verkauft, wo sie den Touristen angeboten werden, die hin und wieder mit einem Kruezfahrtschiff durchkommen. Überhaupt ist Christmas Island die einzige Insel Kiribati, auf der ein irgendwie nennenswerter Tourismus stattfindet. Dorthin gehen auch die Haifischzähne und -gebisse, die John und Raaiti in großen Mengen gehortet haben. Wir finden es zwar nicht besonders lustig, in welcher Menge die Cantonesen hier die Schnecken sammeln, aber wer sind wir, um ihnen Vorschriften zu machen. Dies ist der ganz wenigen Einkommensquellen hier und wenigstens beschränkt sich das Sammeln auf nur wenige Leute und den kurzen Zeitraum bis zur Ankunft des Schiffes.

 

Aber auch bei den Leuten, die Canton nicht verlassen wollen, bricht nun eine ungewohnte Aktivität aus. Alle Familien bereiten sich darauf vor, in die Wochenendhütte an der Pier zu ziehen. Fahrradladung und Fahrradladung werden Matten, Wasser, Geschirr, Batterien, Lampen und sogar Fernseher und DVD-Player vom Dorf an die Pier gebracht. Keiner möchte im Dorf leben, wenn das Schiff hier ist. Und plötzlich überschlagen sich die Gerüchte, wer außer den Familien von John und Marotita noch die Insel verlassen wird.

 

Anscheinend wird auch Bwete, Nanisenis Frau, nach Tarawa fahren! Wir sind - ebenso wie Naniseni - total überrascht. Doch sechs Stunden später gibt es Entwarnung. Bwete hatte ihre Tochter am Funkgerät falsch verstanden. Sie benötigt ihre Hilfe doch nicht und damit hat Bwete keinen Grund zu fahren. Das sieht zumindest Naniseni so und Bwete beugt sich zähneknirschend. Wirklich ernst macht dagegen Lily, wofür wir jedes Verständnis haben, denn schließlich ist ihr Mann krank. Doch das ist nicht der Grund, dass sie beschließt, nach Tarawa zurückzufahren. Sie muß auf ihre Tochter aufpassen. Deren Mann wird demnächst wieder mit einem deutschen Handelsschiff auf Fahrt gehen und es geht in Kiribati nicht an, dass die Ehefrau alleine in Tarawa zurückbleibt. Also muß die Mutter wieder zurück, obwohl sie gerne hier in Canton geblieben wäre.

 

Ihr seht, es ist eine Menge los hier und uns wird nicht langweilig. Und dann werden nächste Woche noch Antje und die amerikanische Yacht abfahren, so dass sicher noch mehr Verabschiedungen anstehen werden. Dann sind wir die einzige i-matangs hier in Canton...

 

Bild des Tages:

Irgendwie paßt diese düstere Abendstimmung zum allgemeinen Aufbruch...