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Freitag 11. April 2008

Alles steht Kopf

Unser Standort: Vor Anker im Canton-Atoll, Phönix-Archipel, Kiribati

 

Das Versorgungsschiff ist tatsächlich gestern abend angekommen und heute herrst Ausnahmezustand. Wie üblich traut sich der Kapitän nicht in die Lagune rein und ankert lieber auf einer Flachstelle am Aussenriff. Doch auch das ging gestern Abend gründlich schief. Beim Ankermanöver ist die Ankerkette gerissen und der gute Anker liegt nun auf 30m Wassertiefe im Riff. Die Nei Momi mußte die ganze Nacht vor Canton auf und abkreuzen und auch die Be- und Entladung findet heute im Treiben statt.

 

Gegen 09:00 Uhr trifft das erste Landungsboot ein und die Passagiere strömen an Land. Zwar sind auf der Momi deutlich weniger Passagiere wie auf der Nei Matangere, dennoch schnellt Cantons Bevölkerungszahl ums doppelte in die Höhe. Und sofort belagern die Neuankömmlinge die Schlafplattformen der Cantonesen und ursurpieren deren Küchen. Man bedient sich einfach an den Töpfen und am Trockenfisch und keiner hat etwas dagegen.

 

Während der Besetzung von Canton lautet unsere Mission "Benzin auf dem Versorgungsschiff organisieren". Antje und Volker fahren mit dem Landungsboot zur Momi hinaus, Michaela und Norbert halten an Land die Stellung, bewachen unseren Gemüsegarten und greifen unseren cantonesischen Freunden unter die Arme. Als wir uns der Momi nähern, trifft uns fast der Schlag! Die Matangere sah schon sehr mitgenommen aus, aber die Momi ist ein echter, rostiger Seelenverkäufer. Aber wenigstens sind der Kapitän und alle Offiziere mehr als freundlich. Wie in Kiribati üblich sind sie alle früher auf deutschen Handelsschiffen gefahren und freuen sich, hier in Canton auf deutsche i-matangs zu treffen. Wir verbringen reichlich Zeit auf der Brücke, der Kapitän zeigt uns alles - unter anderem die Seekarte von 1944 (!!) nach der er hier navigiert - und berichtet uns vom Malheur auf Christmas Island. Dort hat sich die Schraubenwelle verabschiedet und das Schiff war praktisch nicht mehr manövrierfähig. Einen Slip in Tarawa zu erreichen war ausgeschlossen und in Christmas Island war die einzige Möglichkeit, das Schiff auf den Strand zu setzen. Wir staunen Bauklötze, als uns der Kapitän Fotos von der Prozedur zeigt.

 

Mit der Zeit erhalten wir eine Einladung in die Offiziersmesse und bekommen auch den Chefingenieur langsam weich. Zu Beginn unserer Verhandlungen gab es kein Benzin an Bord. Dann haben sie wohl ein Fass gefunden, das sie aber selbst für ihre Landungsboote brauchen. Inzwischen sind drei Fäßer Benzin aufgetaucht und der Chefingenieur erklärt sich bereit, uns ein ganzes Fass zu verkaufen. Na das hat ja wunderbar geklappt, Mission erfüllt und jede Menge Spaß auf der Momi gehabt. Erlebnis-Shopping nennt man das wohl. Jetzt haben wir Zeit und Ruhe der Mannschaft beim Laden zuzuschauen und mit den an Bord verbliebenen Passagieren zu schnacken. Jeder wundert sich, wie wir es nur so lange hier auf Canton aushalten können, ohne dafür von der Kiribati-Regierung bezahlt zu werden.

 

Zurück an Land kommt der weniger schöne Teil des Tages. Denn nun heißt es Abschied zu nehmen von John, Raaiti, Vamete und Abraham, von Marotitas ganzer Sippschaft und eben leider auch von Lily. Die Tränen stehen uns in den Augen, als die alte Dame ins letzte Landungsboot steigt. Wir drücken sie nochmal ganz fest und versprechen ihr, sie in bald Tarawa besuchen zu kommen. Das Landungsboot legt ab und es kommt eine merkwürdig traurige Stille über Canton. Alle stehen ein wenig verloren rum und auch beim anschließenden Tee in Donnas und Brandons Hütte will keine rechte Stimmung aufkommen. Irgendwie sind alle traurig Freunde verabschiedet zu haben.

 

Bild des Tages:

Das Abschiedsfoto mit Lily und der traditionellen Kiribati-Tracht. Volker trägt das Kiribati-Hemd mit dem von Lily kunstvoll gehäkelten Aufnäher, Michaela die für sie von Lily genähte Kiribati-Bluse mit gerafften Ausschnitt und gehäkelten Einfassungen. Schick, oder?