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Sonntag 22. Mai 2005

Ankerketten sind angenehmer als Schläuche

Unser Standort: Hyères

 

Nachdem wir nun schon wieder ein paar Tage die 100m Inox-Kette mit 10mm und einem Gewicht von ca. 250kg im Auto spazieren gefahren hatten, war sie heute zum Einladen ins Schiff dran. Denn die 250kg machen das Fahren über die allgegenwärtigen Speed-Bumps (policier dormant – schlafender Polizist) wirklich zu einem Erlebnis und das Bremsen mit dem zusätzlichen Gewicht ist auch kein Spaß. Andererseits ist diese Kette und ihr Gewicht das einzige (na gut, mit Ausnahme des 36kg Pflugscharankers), was unser Heim an einsamen Ankerplätzen rund um die Welt sichern und festhalten wird. Dementsprechend behandeln wir das Monstrum auch wie rohe Eier.

 

Zunächst wurde also die gesamte Ankerkette in ordentlichen Schlaufen von jeweils 10m auf ausrangierte Euro-Paletten drapiert. Hinten die neu gekauften 50m, die wir relativ günstig erworben hatten und denen wir dementsprechend ein wenig misstrauisch gegenüberstehen – aber diese 50m glänzen in der Sonne wie poliert. Vorne die 50m Altbestand an Inox-Kette, der sich bereits auf LA GITANA befunden hatte –mit einer Menge Flugrost besetzt. Allerdings kommt dieser Teil aus einer deutschen Kettenfabrik und wir trauen diesem Abschnitt der Kette deutlich mehr. Und in der Mitte dann das frisch zusammengeschweißte Kettenglied, das aus unseren zweimal 50m nun einmal 100m Ankerkette macht. Mit den 100m und der Kettennuß von 10mm glauben wir auch in sturmreichen Revieren wie Kap Hoorn und den Aleuten eine gute Sicherheitsreserve zu haben. Schau’ mer mal…

 

Nun war Michaela dran. Sie machte sich über den alten Teil der Ankerkette mit Corrobrill (einer Phosphorsäure, die uns vom Inox-Spezialisten zum Entrosten empfohlen wurde) und einer alten Bürste her. Keine Stunde später war bereits kaum mehr ein Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Teil zu erkennen.

 

Inzwischen hatte Volker wieder die zerlegte und von Grünspan befreite Ankerwinsch zusammen gebaut und auf das Ende der Kette eine drei Meter lange Leine mit Kronenknoten und Rückspleiß aufgespleißt. Gar nicht schlecht, denn spleißen können wir erst seit gestern Abend. Da haben wir uns ein Buch mit DVD zu Gemüte geführt und Aug- und Rückspleißen geübt. Das Buch können wir nur empfehlen – nach 1 Stunde kann jeder spleißen, wirklich super erklärt! Die Leine wird dann später im Ankerkasten fest mit einem Auge verbunden. Der Sinn der Leine am Ende der Kette besteht darin, dass zum einen natürlich nicht die Kette und der Anker auf Nimmerwiedersehen in die Tiefe verschwindet, sollte man mal aus Versehen zu viel Kette stecken (was bei 100m allerdings nicht so einfach ist). Zum anderen kann die Leine aber auch in einer Notsituation schnell mit einem Messer gekappt werden, falls der Anker nicht mehr freikommt und man trotzdem aus irgendwelchen Gründen schnell das Weite suchen muß. Dies ist dann auch der Grund, warum man die Kette nicht direkt an das Auge im Ankerkasten schäkelt.

 

Anschließend war wieder Strafarbeit angesagt. Die Kette musste in fünf Meter Schritten markiert werden, so dass man auch weiß, wie viel Kette man schon gesteckt hat. Wie wir aus eigener Anschauung des alten Teils der Kette erkennen konnten und wie wir auch in Büchern gelesen hatten, scheidet eine Lackierung dafür aus; das hält einfach nicht. Wir haben unsere Kette daher alle 10m mit farbigen Ketteneinsätzen aus Kunststoff markiert, die wir dankenswerter Weise von unserem Vorbesitzer geerbt hatten. Zusätzlich wurden alle 5m kurze Bändsel in verschiedenen Farben eingeschweißt. In Summe kostete uns das Anbringen der Kettenmarkierung eineinhalb Stunden. Gar nicht schlecht für das Einschweißen von 50 Bändseln. Wir sind mal gespannt, was besser hält: Kunststoffeinsätze oder Bändsel (oder keines von beidem ;-)

 

Dann kam der spannende Moment: Der Anker wurde mit Hilfe eines Taus von Deck gelassen und mit dem Anfang der Ankerkette verbunden. Und dann ging die Kette hoch mit der bangen Frage, ob der neue Teil der Kette maßhaltig ist und auch auf die Nuß der Ankerwinsch passt. Zum Glück waren alle Sorgen umsonst und die Kette glitt geschmeidig in den Ankerkasten!

 

Damit ließen wir es für heute bewenden, denn schließlich ist Sonntag. Und das heißt, dass wir heute morgen schon auf dem Markt in La Londe waren und dementsprechend etwas später auf dem Schiff.

 

Ankerkette und Maststufen erhalten nun auf der Liste der angenehmen Arbeiten an Bord einen Platz deutlich vor der Erneuerung von Boa Constrictors (äh Schläuchen).

 

Ach ja: Essen gab’s natürlich auch noch: Schon wieder Artischocken, aber diesmal die kleinen, weichen, violetten. Die sind sehr lecker, das Herz viel weicher und ohne Stroh und daher klar den großen grünen Artischocken zu bevorzugen!

 

Bild des Tages:

Michaela befreit die alte Ankerkette (re.) mit Phosphorsäure vom Flugrost. Hinterher glänzt sie genauso, wie der neue Teil der Ankerkette (li.)