Listinus Toplisten



LOGBUCH
<<  <  05/2006  >  >>

Samstag 27. Mai 2006

Free Willy

Unser Standort: Vor Anker in der Chatham Bay, Union Island, St. Vincent & the Grenadines

 

Mike ist Kanadier und ein netter, wenn auch ein wenig schrulliger Kerl. Er ist hier alleine mit seiner Segelyacht und seinen beiden Hunden unterwegs, angelt gerne, wirft aber die Mehrzahl der Fische wieder ins Wasser zurück und engagiert sich intensiv für den Natur- und Tierschutz.

 

Kurz nachdem wir heute in der Chatham Bay angekommen waren, stellt sich Mike uns vor und fragt, ob wir an der Befreiungsaktion für eine gefangene Suppen-Schildkröte teilnehmen wollen. Er hat sie hier einem Fischer abgekauft, der die gute beim Eierlegen gefangen hat, und sie eigentlich in mundgerechten Stücken verkaufen möchte. Klar sind wir dabei!

 

Aber erst müssen wir nochmal tauchen gehen. Hier gibt es ein Kap, wo der Grund endlich mal auf 30m abfallen soll. So verspricht es zumindest die Seekarte. Doch als wir abgetaucht sind, kommen uns schon langsam Zweifel an der Genauigkeit der Seekarten. Denn wir finden den Grund bei 13m. Tiefer will es partout nicht gehen. Egal, die Unterwasserlandschaft und die Fische waren trotzdem hübsch anzuschauen.

 

Als wir kurz vor Sonnenuntergang zurück zum Schiff kommen, ist Mike schon ganz aufgeregt. Er möchte die Schildkröte unbedingt jetzt frei lassen. Also steigen wir sofort wieder ins Dinghy, ohne zu ahnen, was auf uns zukommt.

 

Am Strand finden wir ein langes Nylonseil, an dem Mike beginnt zu ziehen. Am anderen Ende hängt die arme Schildkröte. Sie wurde vorgestern von Timothy, dem Fischer, der hier ohne Strom und fliessendes Wasser mit seiner Frau in einem Bretterverschlag haust. Die letzten Tage hatte Timothy bereits im Hauptort von Union Island zugebracht, um das Fleisch der Schildkröte auf Vorbestellung zu verkaufen, als Mike darauf aufmerksam wurde. Ohne mit der Wimper zu zucken, hat er Timothy 100 US$ für das Tier geboten und der hat zugeschlagen.

 

Timothy hilft uns, während wir die Schildkröte langsam an Land ziehen. Als sie endlich aus dem Wasser auftaucht, trauen wir unseren Augen nicht. Das ist ja eine Riesenschildkröte. Bestimmt 1,5m lang und an die 2 Zentner schwer. Mit vereinten Kräften wird das arme Tier an Land gezerrt. Zwei ausgewachsene Männer sind nötig, um das Tier an Ort und Stelle zu halten. Denn nun gilt es, die Nylonschnur von ihrer Vorderflosse loszuknoten. So wurde sie nämlich wie ein Hund an der Leine die letzten Tage gehalten.

 

Und als sie losgeknotet ist, gibt es kein Halten mehr. Mit ein paar Riesensätzen schießt sie in Richung Wasser und taucht sofort weg. Timothy ist völlig entsetzt als er realisiert, dass wir die Schildkröte freilassen und nicht essen möchten. Er hatte bereits die Messer gewetzt. In seinem Weltbild, das vor allem vom Überleben geprägt ist, gibt es keinen Platz für ein paar Weißhäutige, die 100 US$ für eine Schildkröte bezahlen und sie dann einfach laufen lassen.

 

Beim abendlichen Zusammensitzen auf LA GITANA diskutieren wir noch lange, was sich Timothy nun denkt und was wohl eine sinnvolle Methode wäre, einem Fischer der ums nackte Überleben kämpft, zu erklären, dass es eine gute Idee ist, vom Aussterben bedrohte Schildkröten einfach laufen zu lassen. Ein wirklich gutes Rezept fällt uns allerdings nicht ein...

 

Bilder des Tages:

- Die Schildkröte kurz vor dem Freilassen. Was nun, scheinen alle Gesichter angesichts der Kraft des Tieres zu fragen...

- Und auch heute war mal wieder ein wunderschöner Sonnenuntergang