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Donnerstag 24. Mai 2007

Schiffschaukel

Unser Standort: Unterwegs von Galapagos zu den Marquesas Inseln - Tag 10

Seit Galapagos gesegelt: 1.354sm

Noch zu segeln: 1.673sm

Etmal: 118sm

 

Das war die bisher schlimmste Nacht auf unserer Weltumsegelung und die zweitschlimmste Nacht unter Segeln überhaupt. Und Grund war nicht zuviel Wind. Nein, ganz im Gegenteil. Grund war zu wenig Wind! Seit gestern ist der Wind mit max. 11kn schwach und kommt aus östlicher Richtung. Die denkbar schlechteste Kombination für LA GITANA. Wenig Wind von hinten mag sie gar nicht und wir gleich zweimal nicht!

 

Wir machen nur wenig, für unseren Geschmack viel zu wenig Fahrt voraus. Von schräg hinten läuft eine hohe Dünung an. Dazu eine kleine Windsee aus Ost und eine alte Dünung aus Nordnordost (wo kommt die denn bloß her??) - fertig ist eine fiese Kreuzsee. Von Segeln kann man nicht mehr sprechen. Wir schlingern und rollen, eiern und schaukeln unter Schmetterlingsbesegelung Richtung Marquesas. Die Wellen werfen uns hin und her und die Segel hängen schlaff an den Masten. 30° Schräglage nach Backbord, 30° Schräglage nach Steuerbord. Dazu das Donnern und Krachen der wild um sich schlagenden Segel. Wir werden in der Koje durchgewalkt. Die Haut klebt am Bettlaken und Muskeln und Knochengerüst rollen in der Haut hin und her. Wir werden ausgerollt wie ein Nudelteig und machen kein Auge zu. Entsprechend gereizt und genervt sind wir heute morgen. Grrr!

 

Nach Tagesanbruch reicht's uns. So kann es nicht weiter gehen. Alles andere lieber als diesen Kurs bei diesem Wind. Nach einem kurzen Kriegsrat beschliessen wir auf Steuerbordbug zu gehen und mehr nach Süden zu laufen. Das bedeutet zwar, dass wir später wahrscheinlich wieder vor den Wind müssen, um Fatu Hiva anzusteuern. Aber vielleicht ist der Wind dann nicht mehr ganz so schwach, denn auf 10° Süd soll es laut Grib-Files immer einen Tick mehr Wind haben als hier oben. Außerdem besteht so zumindest noch die Hoffnung, dass der Wind auf Südost dreht und wir weiter raumschots fahren können. Bleiben wir hier auf 07° Süd müssten wir dagegen platt vor dem Laken weiterfahren. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

 

Gesagt getan bringen wir LA GITANA auf den neuen Kurs und ziehen mit Blister, Groß und Besan alles an Tuch hoch, was wir noch zur Verfügung haben. Ach, und welche Ruhe stellt sich ein. Kein Geschaukel mehr, kein Gerolle, keine schlagenden Segel. Da fahren wir lieber einen Umweg von drei Tagen und kreuzen vor dem Wind, als dass wir uns den alten Kurs nochmal ein paar Tage antun. Wie halten das bloß Gisela und Holger von der Gammeldansker aus, die seit knapp drei Tagen unter Schmetterling hinter uns segeln??

 

Nun können wir den Tag ruhig und entspannt angehen, was wir uns nach der Nacht auch verdient haben. Keinen großen Stress bitte, Seele baumeln lassen und Eis essen. Hhhmmm, das selbst hergestellte Bananeneis ist wirklich ein Gedicht. Welch ein Genuß, mitten auf dem Pazifik ein Eis zu bekommen! Volker will morgen unbedingt noch ein paar weitere Gläser machen, bevor unsere Bananenstaude vollends hops geht.

 

Als wir in der Abenddämmerung dann den Blister wieder bergen wollen, gibt's nochmal Stress. Bei drei Versuchen, ihn in den Bergeschlauch zu ziehen, klemmt es jetzt zum zweiten Mal. Das ist ein wirklich schlechter Schnitt. Der Bergeschlauch hat sich oben am Segelkopf wieder verdreht und wir können die Pelle nicht über den Blister ziehen. Also wieder Plan B und den Blister in Lee des Großsegels ins Cockpit ziehen. Schöner Scheiß! Wir sind gespannt, wann wir da endlich die letzten Drehungen des Schlauches und dann den Dreh raus haben. So möchten wir jedenfalls nicht unbedingt in einen Squall kommen.

 

+ + + + IMPRESSIONEN UNTER SEGELN + + + +

+ + + + HEUTE: Unendliche Weiten

"Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr..." So oder so ähnlich beginnt Star Trek. Und diese Sätze huschen uns derzeit immer wieder in den Köpfen rum, dürfen wir doch einen ganz besonderen Luxus geniessen. Raum, unendlicher Raum um uns herum. In alle Richtungen sieht man nur Horizont. 360° Rundblick auf den Horizont. Und überall stößt der Himmel direkt an den Horizont und schafft ein einfaches Weltbild: Unten Wasser, oben Himmel. Keine Bäume, Sträucher, Pflanzen, keine Hügel oder Berge und schon gar keine Häuser, Gebäude oder Stromleitungen begrenzen unser Blickfeld. So weit wir sehen, ist so weit man überhaupt sehen kann. Der Raum ist einfach da, ein Statement, groß, mächtig, alles vereinnahmend. Kein Architekt ist nötig, um mit Kunstgriffen die Illusion von Weite und Großzügigkeit zu erzeugen. Kein Feng Shui und Raumgestalter muß sich hier abmühen, den Raum zu gestalten. Er ist perfekt, er ist vollkommen, er ist symmetrisch und wir sind mittendrin. Wie sollen wir nach solch einer existentiellen Erfahrung jemals wieder in einem Appartement in der Stadt oder einer Doppelhaushälfte auf 360qm Grund wohnen?

 

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Bild des Tages:

Der göttliche Architekt gestaltet die Westwand unseres Raumes mit einer kitschigen Phototapete...