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LOGBUCH

Montag 05. Mai 2008

Geschichten aus Kanton

Unser Standort: Vor Anker im Kanton-Atoll, Phönix-Archipel, Kiribati

 

Da auf Kanton nicht viel passiert und es zur Unterhaltung weder Radio noch Fernsehen gibt, sind Geschichten ein wichtiges Kommunikationsmittel. Dabei sind es eigentlich nur die alltäglichen Ereignisse, die man sich hier so erzählt.

 

Zum Beispiel, dass es noch vor ein paar Monaten auf Kanton hoch her ging. Donna erzählte uns die Geschichte von Marotitas erster Frau, die mit Damiano durchgebrannt ist. Weit konnten sie ja nicht durchbrennen hier auf Kanton. Sie zogen auf die britische Seite in "unser Wochenendhaus". Marotita war außer sich und drohte Damiano zu killen, wenn er eine Waffe hätte. Gott sei Dank hat er selbst als Polizist hier auf Kanton keine Waffe! Daher betrank er sich mit Sauertoddy und wollte seinen Widersacher wenigstens ordentlich verprügeln. Stattdessen wurde aber er von Damiano verprügelt. Und das so schlimm, dass er eine riesige Kopfwunde hatte, die genäht werden musste. Als man ihn fragte, warum er sich betrunken hat und sich damit kampfunfähig machte, gab er zur Antwort "hätte ich nichts getrunken, hätte ich mich nicht getraut ihn zu verprügeln". Kiribati-Logik!

 

Eine andere Geschichte ist die vom 5-jährigen Tabwaru, der während des Gottesdienstes aufstand und unbedingt aus der Bibel vorlesen wollte. Alle waren gespannt, was jetzt wohl kommen würde. Er nahm die Bibel in die Hände und las: "Gott ist sehr böse mit Riino, weil Riino seinen Fernseher nicht anschaltet und uns keine Kartoons anschauen lässt." Riino muss sich darüber sehr aufgeregt und protestiert haben. Tatsächlich kam Tabwaru einige Tage davor weinend nach Hause, weil sie bei Riino keinen Videofilm anschauen durften. Da beschloss Paeniu, dass sie einen eigenen DVD-Player kaufen müssen. Damit Gott nicht mehr böse ist mit Riino…

 

Viele kleine Geschichten bekamen wir zu hören. Zum Beispiel wie Tamala nach dem Fischen am Außenriff unbedingt als erste im Dorf ankommen wollte und vor lauter Hektik in die falsche Richtung gefahren ist. Als ihre Tochter sie zurückholen will, diskutiert sie erst einmal mit ihr über die richtige Richtung. Man sollte nicht glauben, dass Atollbewohner sich überhaupt verfahren können. Oder die Geschichte von Brandon's Tante, die auf Tarawa eine Friedhofsführung machte und den Besuchern erklärte, dass hier eine sehr große Familie liegen muss, denn alle hießen "in Memory". Oder Naninseni's Geschichte, als er ein Schwein schlachten möchte und dafür den Meisterschlachter Brandon holen muss. Da es für die I-Matangs eine Überraschung werden sollte, wurde dieses Vorhaben geheim gehalten. Brandon hatte dieselbe Idee und auch er hielt sie geheim. Gut, dass Naniseni sein Schwein nicht alleine töten konnte! Als Brandon die Sau schlachten will, stellt er nämlich fest, dass sie schwanger ist… So wurde dann nur Brandon's Schwein geschlachtet und für uns war es keine Überraschung mehr, denn die Geschichte konnte keiner für sich behalten.

 

Das Beste an den Geschichten ist, wie sie immer und immer wieder erzählt werden und wie man immer wieder über sie lachen kann. I-Kiribati lachen gerne und viel. Auch wenn jemandem etwas Schlimmes widerfährt wird gelacht. So auch im Falle Biteta, der beim Bau ihrer Hütte an der Pier ein großer Holzklotz auf den Kopf fällt und sie fast ohnmächtig umfällt. Viele I-Kiribatis trauen sich daher auch kein Englisch zu sprechen, denn über eventuelle Fehler würde ebenfalls gelacht. Am liebsten jedoch lachen die Menschen hier über ihre eigenen Geschichten.

 

Bild des Tages: "Wenn I-Kiribatis Angst haben, dann lachen sie", erzählt uns Donna. Das heißt jedoch nicht, dass sie immer Angst haben, wenn sie lachen.