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Freitag 01. Mai 2015

Prekäre Lage

Unser Standort: Vor Anker und mit Landleine fest neben einem erkalteten Lavastrom im Osten von Pulau Ruang, Indonesien

 

Und schon wieder: Red Eye Day! Ist das eine Gemeinheit, noch vor Sonnenaufgang aufstehen zu müssen. Dabei versuchen wir der Natur ohnehin schon ein Schnippchen zu schlagen und haben unsere Bordzeit noch nicht der neuen Zeitzone angepasst. Für uns geht die Sonne daher "erst" um 06:30 Uhr auf und erst um 18:30 Uhr unter. Hätten wir die Uhren wie es sich eigentlich gehören würde, schon eine Stunde zurück gestellt, dürften wir schon um 05:30 raus - oh Graus!

 

Die 15 Seemeilen Überfahrt nach Ruang verlaufen ereignislos. Das Meer ist flach wie ein Silberspiegel und der Wassermacher schnurrt eifrig vor sich hin, während uns unser zuverlässiger Perkins nach Norden schiebt. Wind gibt es heute nämlich wieder einmal keinen, was ja aber auch nichts wirklich Neues ist. Ein "SEGEL-Revier" ist der Nordosten und Osten von Indonesien wirklich nicht.

 

Je näher wir Ruang kommen, desto dramatischer erhebt sich der fast 1.000 Meter hohe Vulkankegel über uns. Der riesige Lavastrom, der nach einer heftigen Eruption im Jahre 2002 die Südostflanke des Berges heruntergeflossen ist, sieht aus wie eine hässliche braune Narbe im üppigen Grün der steilen Hänge. Als wir direkt unter dem Lavastrom vorbeifahren, wo dicke Felsbrocken ins Wasser gestürzt sind, zeigt das Echolot nach wie vor - - - . Keine Tiefe, das heisst mehr als 100 Meter!

 

Doch als wir ums Eck fahren und den Lavastrom hinter uns lassen, steigt der Meeresboden an. Es sind zwar immer noch deutlich über 40 Meter, aber das gibt Hoffnung. Wir fahren vorsichtig jede kleine Ausbuchtung in der Küstenlinie ab, in der Hoffnung eine Art Plateau zu finden, wo wir den Anker setzen können. Doch es bleibt zu tief oder wird viel zu schnell flach.

 

Die letzte Hoffnung ist eine Art kleiner Strand aus schwarzem Lavasand, an dem ein paar Kanus liegen. Vielleicht wurde dort ja ein wenig Sand in die Tiefe gewaschen und hat einen kleinen Rücken geformt. Wir steuern LA GITANA so nahe ans Ufer heran, wie wir uns nur irgendwie trauen. Eine Abschätzung der Tiefe ist wegen des schwarzen Sandes fast unmöglich. Allerdings sehen wir vor dem Ufer ganz klar Korallen leuchten. Als das Echolot nurmehr 5 Meter anzeigt, drehen wir um und fahren im rechten Winkel vom Ufer weg, so weit bis wir auf dem ziemlich steil in die Tiefe stürzenden Grund 30 Meter erreichen. Ein Blick zurück zum Strand. Hmm, wenn wir hier den Anker werfen und uns dann rückwärts Richtung Strand ziehen und uns mit einer langen Leine an dem einzigen Baum festmachen, der dort wächst, müsste es doch gehen. Wir haben zwar höchstens dreieinhalb Schiffslängen Platz, bis wir mit dem Hilfsruder unserer Windpilot die Korallen küssen. Da wir den Anker aber "bergauf" ziehen, müssten wir mit etwas weniger Kette auskommen, als bei dieser Tiefe eigentlich nötig. Wir probieren es einfach aus, dann sehen wir schon.

 

Eine Stunde später liegt LA GITANA genauso vor Anker und Landleine. Unter dem Bug ist das Wasser sieben Meter tief, unter dem Heck nur vier, und die Korallen leuchten zum Greifen nah. Aber es reicht und wenn nicht gerade ein Squall mit 30 Knoten vorbeikommt, sollte es auch ungefährlich sein. Ein wenig prekär ist die Lage aber schon.

 

Wir bleiben sicherheitshalber noch eine Weile an Bord, um zu sehen, dass auch wirklich alles passt. Erst dann packen wir unsere sieben Schnorchelsachen und brechen auf, um am Lavastrom die angeblich besten Korallen der Welt zu inspizieren. Das behaupten zumindest die Marketingzeilen der paar Dive-Liveaboards, die hier sporadisch durchkommen. Allerdings kommen wir gar nicht erst zu dem Lavastrom, da uns eine Schule von bestimmt hundert Delphinen ablenkt. Da müssen wir doch hin und schauen, ob die uns mitspielen lassen. Aber das Spiel geht immer wie beim Hasen und dem Igel. Sie lassen uns zwar recht nah ran, wahren aber ihre Fluchtdistanz und die ist fast immer so groß, dass wir sie unter Wasser gerade nicht sehen können. Dafür ist das Wasser erfüllt mit ihren Pfeif- und Klicklauten, dass einem fast die Ohren surren.

 

Bild des Tages:

Einmal haben wir diese Gruppe an Delphinen doch so nah erwischt, dass es für ein Photo reichte. Aber auch ohne Photo wäre das Ganze eine echte Gänsehautveranstaltung gewesen. Wann hat man schon einmal die Chance mitten in einer so großen Schule Delphine zu schwimmen, die nicht an Menschen gewöhnt sind.