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Samstag 09. Mai 2015

We are sailing

Unser Standort: An einer Mooring in der versunkenen Caldera von Pulau Kahakitang, Indonesien

 

Womit fangen wir an? Mit den guten oder der schlechten Nachrichten? Die guten zuerst?! Ok.

 

Positiv an der letzten Nacht war, dass wir noch leben und nicht zum Opfer des Vulkans geworden sind. Im Gegensatz zu uns schlief der nämlich recht friedlich durch. Und damit sind wir auch schon bei der schlechten Nachricht: Wir haben heute Nacht fast kein Auge zugemacht - und das nicht, weil wir Party gemacht hätten. Wobei, Rock'n'Roll war schon dabei. Uns hat es heute Nacht so dermassen durchgerollt am Ankerplatz, dass es schlimmer war als jemals irgendwann auf See. Und schlimmer als jemals irgendwo vor Anker. Was für ein Alptraum.

 

Starker Strom, eine gemischte Dünung aus Nordost, Ost und Südost sowie die Wassertiefe, die innerhalb kürzester Distanz aus 1.000 Meter auf 10 Meter ansteigt, haben den Ankerplatz heute Nacht zur Waschküche, zur absoluten Wellenhölle werden lassen. Nur voll in den Kojen eingekeilt und mit den Leebrettern haben wir es geschafft, nicht aus dem Bett katapultiert zu werden. Es war so schlimm, dass wir schon überlegt hatten, mitten in der Nacht Anker auf zu gehen. Warum wir das nicht einfach gemacht haben, wissen wir selbst nicht. In jedem Fall hätten wir nun für CIA, NSA, KGB und Konsorten einen neuen Vorschlag, wie man Geständnisse leichter aus Gefangenen herausbekommt: Anstatt Water Boarding einzusetzen würden wir einfach einen "Schwelligen-Ankerplatz-Simulator" empfehlen. Einfach eine dunkel Kiste auf einfache Bühnenkonstruktion mit vier Hydraulikelementen an jeder Ecke und dann: rollen, rollen, rollen. Sechs Stunden, acht Stunden, 12 Stunden, 24 Stunden. Wetten, länger muss der Simulator nicht laufen...

 

Bei uns läuft er noch immer als wir in der Morgendämmerung den Anker aufholen. Und da passiert das nächste Malheur. Die letzten fünf Meter der Kette sind eine einzige Wuhling, ein einziger gordischer Knoten. Das Knäuel löst sich weder von alleine noch unter Mithilfe des Bootshakens auf, so dass uns nichts anderes übrig bleibt, als die gesamte Wuhling mit Hilfsleinen an Deck zu ziehen. Hier stellt sich heraus, dass wir uns irgendwie einen Hausfrauenknoten in die Kette gemacht haben. Wie das geht? Keine Ahnung! Irgendwie muss es auf dem steinigen Untergrund passiert sein, dass wir beim Schwojen eine Schlaufe um den Anker gezogen haben. Eine echte Leistung, für deren Meisterung wir die Erfahrung von 10 Jahren auf See benötigten. Um die Wuhling schließlich aufzulösen, blieb uns nichts anderes übrig als die Kette vom Anker abzuschäkeln.

 

Doch das alles liegt jetzt hinter uns, inzwischen sind wir am nächsten Ankerplatz angekommen - und der ist flach wie ein Ententeich. Gott und allen Meeresheiligen sei es gedankt.

 

Und damit kommen wir zum schönen Teil einer Weltumsegelung. Denn den Großteil der heutigen Strecke konnten wir unter SEGELN (!!!!!) zurücklegen. Das erste Mal Vorwärtskommen, ohne dass der Motor dabei irgendwie läuft. Stille, nur das Gurgeln und Glucksen der Wellen am Rumpf. Kein Strom von vorne, sondern schön von hinten. Keine laues Lüftchen, sondern eine schöne Brise von 15 Knoten von raumschots. Dass wir das noch erleben durften. Das letzte Mal, dass sich LA GITANA ohne Dieselschub vorwärtsbewegt hat, war auf der Strecke von Wayag nach Yanggefo im Februar. Seither waren die Segel zwar immer wieder oben, ein Vorwärtskommen mit sinnvoller Geschwindigkeit (> 3 Knoten) gab es aber ausschliesslich mit Wind aus der Konserve. Gute siebenhundert Seemeilen haben wir so zurückgelegt und mehr Diesel verblasen, als wir sonst in eineinhalb Jahren brauchen. Aber der heutige Tag entschädigt dafür.

 

Sanft wiegend ziehen wir lautlos an weiteren Iseln vorbei, die nichts anderes sind, als die Gipfel von Vulkanen, die aus der Tiefe des Meeres in den Himmel streben. Auf jedem noch so kleinen und ungarstlichen Felsen sehen wir Häuser und Hütten, davor liegen philippino-style Auslegerkanus (die sogenannten Pump-Boats). Während der ganzen Strecke haben wir Internet mit Edge-Geschwindigkeit. Hier wird einem wirklich bewusst, wie dicht Indonesien besiedelt ist. Wir segeln durch die versunkene Caldera von Para und dann die Küstenlinie von Kahakitang entlang. Hier gibt es an der Nordseite eine tief eingeschnitten Bucht, die eingestürzte Caldera des offensichtlich vulkanischen Inselchens. Ein paar Seemeilen an Backbord liegt der brodelnde Unterwasservulkan von Mahengetang, den wir im Januar besucht hatten. Die Erde lebt. Hier wird das sehr sehr deutlich.

 

Ein wenig spannend ist es noch, ob wir in der Caldera von Kahakitang ein Plätzchen zum Ankern finden werden. Laut Seekarte ist es hier nämlich wieder überall zu tief mit praktisch senkrecht ins Wasser stürzenden Wänden. Und tatsächlich finden wir keine vernünftige Stelle, wo wir unseren Bügelanker eingraben können. Was wir aber finden sind ein paar starke Moorings, die so aussehen wie die, die in Tahuna vom Department of Fisheries installiert worden waren. Das ist doch mal nett. Wir vertäuen uns an einer großen gelben Boje, die mit zwei zwanzig Millimeter starken Tauen, die auf jeweils ein eigenes Gewicht gehen, am Grund verankert ist. Doppelte Sicherheit, da hat sich jemand was gedacht. Im Rückwärtsgang ziehen wir fest an der Mooring und sie bewegt sich nicht. Wunderbar. Dann kehrt Stille ein. Mann, wie freuen wir uns auf eine ruhige Nacht…

 

Bild des Tages:

Dafür braucht es jede Menge Erfahrung und viel Übung: einen Hausfrauenknopf in die Ankerkette machen.