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Mittwoch 13. Mai 2015

Die unmögliche schlechte Laune

Unser Standort: An einer Mooring in der Bucht von Tahuna, Pulau Sangihe, Indonesien

 

Nach Schuld und Sühne reloaded gestern, fassen wir uns heute etwas kürzer - und das obwohl schon wieder unfassbar viel passiert ist. Wichtig ist dabei vor allem eines, was man mitnehmen muss: hier in Tahuna auf Sangihe ist es fast unmöglich mit schlechter Laune durch die Gegend zu laufen. Die Leute mit ihrer Hilfsbereitschaft, ihrem herzlichen "Hello Mister" (jawoll Mister, und zwar für Mann und Frau), das aus jeder Ecke schallt und ihrem fröhlichen und offenen Lachen sind eine Klasse für sich. Seit "Bula" in Fidschi haben wir nie wieder so ausufernd ansteckende gute Laune wie hier in Sangihe erlebt.

 

Dabei hatten wir allen Grund mit mieser Laune in den Tag zu starten. Denn als Volker sein Portemonnaie öffnet, gähnt ihm ein gewaltiges Loch an der Stelle entgegen, an der üblicherweise die EC-Karte steckt. Oh nein, das darf jetzt aber nicht wahr sein. Die haben wir Dösköppe doch gestern glatt im Bankomaten stecken lassen, als wir Bargeld abgehoben haben. Wie blöd kann man eigentlich sein?! Wir sind zerknirscht, verzeifelt, raufen uns die Haare - kurz: es ist wie immer am frühen Morgen vor der zweiten Tasse Kaffee.

 

Nein, so einfach stecken wir das natürlich nicht weg. Vielmehr machen wir uns auf den Weg zu dem Supermarkt, vor dessen Tür der ATM steht. Auch wenn es uns nicht passt, an einem Tag, an dem wir eigentlich nur kurz auf dem Markt Frischeproviant kaufen und dann ausklarieren wollten, aber die EC Karte können wir ja schlecht hier lassen. Mit Händen und Füssen befragen wir die Security Guards und die Mädels an der Kasse, ob bei ihnen vielleicht ein ehrlicher Finder unsere Karte abgegeben hat. Die großen Fragezeichen in ihren Gesichtern machen uns aber nicht viel Hoffnung, dass sie uns verstehen. Andererseits: hätten sie so eine blaue EC-Karte wie die bekommen, mit der wir ihnen vor dem Gesicht rumwedeln, hätten sie sicher kapiert was wir von ihnen wollen.

 

Da bleibt nur noch der Versuch bei der Niederlassung der BNI Bank. Vielleicht hat die Karte dort jemand abgegeben oder vielleicht hat der Automat sie ja einfach verschluckt, nachdem niemand die Karte aus dem Schlitz gezogen hat. Aber auch hier, im international standardisierten schick-unterkühlten Bankschalter-Ambiente, laufen wir als erstes gegen eine Wand: die Sprachwand, die sich unüberbrückbar zwischen uns und Indonesien aufgebaut hat. Den Indonesiern wird in der Schule einfach kein Englisch beigebracht und wir hatten nicht genug Kontakte mit Indonesiern, dass wir mehr als nur ein paar Brocken Indonesisch gelernt hätten. Dabei wäre die Sprache eigentlich ganz einfach.

 

Immerhin ist einer der Wächter so clever und eifrig, alle anwesenden Bankkunden nach ihren Englischkenntnissen zu befragen. Schließlich materialsiert sich vor uns eine junge Frau, die gut Englisch spricht. Wir erklären ihr das Problem, sie erklärt es dem Geschäftsstellenleiter. Dann bittet man uns zu warten, man wird jemand zum ATM schicken um nachzusehen, ob der Automat die Karte hat.

 

Unsere junge Dolmetscherin stellt sich als Englischlehrerin an der hiesigen Fachhochschule vor und plaudert mit uns lange Zeit über den Sinn des Lebens und die Schüchternheit der Indonesier vor der fremden Sprache. Sie weicht nicht von unserer Seite bis wir ihr erklären, dass es für uns kein Problem ist, wenn sie sich wieder um ihre kleine Schwester kümmert, mit der sie irgendwelche komplizierten Geschäfte am Schalter zu erledigen hat. Erleichtert klackst sie auf ihren Highheels fürs erste von dannen.

 

Nach einer Weile kommt sie mit einem breiten Grinsen wieder. Sie hätte die Karte bei einer Bankangestellten gesehen, wir würden sie gleich zurückbekommen, nur ein paar Formalitäten seien noch zu erledigen. Ah, überhaupt kein Problem, wir sind überglücklich und könnten locker einen zweiten Bürokratie-Marathon wie gestern hinter uns bringen. Doch im Ende ist alles nicht so schlimm. Durch unsere Dolmetscherin erklärt uns der Filialleiter, dass er sich jetzt einfach über die komplizierten und langwierigen Prozeduren hinwegsetzt und unsere Karte gegen eine Kopie des Reisepasses und eine Unterschrift aushändigt. Na bitte, geht doch. Das ist immer die schöne andere Seite von wuchernder Bürokratie: Sie setzt enorme Energie in Menschen frei, sie irgendwie zu hinter- oder zu umgehen.

 

Als wir aus der Bank draussen sind, ist dann auch der Entschluss gefallen, dass wir heute nicht mehr ausklarieren. Die nächsten 72 Stunden soll der Wind genau auf die Nase kommen, das müssen wir uns nicht antun. Da mieten wir uns für morgen lieber einen Scooter und fahren ein wenig über die Insel. Und jetzt gehen wir nochmal in unser Lieblings-Nudel-Restaurant und dann auf den Markt. Uns verlangt es nach Ananas, Papaya, Tomaten, Avocados, Karotten, Melonen, Frühlingszwiebeln, Zuckermais, roten Chilischoten.

 

Bild des Tages:

Am Ende der Uferpromenade, von uns liebevoll Cornichon genannt (in Anlehnung an die Corniche in Cannes), steht der alte Leuchtturm, das Wahrzeichen von Tahuna.