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Sonntag 31. Mai 2015

Unter Drogen

Unser Standort: In der Holiday Ocean View Marina, Samal Island, Mindanao, Philippinen

 

Nachdem LA GITANA in absehbarer Zeit nun nicht mehr für lange Monate in die Einsamkeit und Abgeschiedenheit pazifischer Atolle segeln wird, misten wir unsere Lady gnadenlos aus. Bisher waren wir die totalen Sammler, die fast nichts weggeworfen haben. Denn in der Einsamkeit der Atolle konnte fast alles zu einem wichtigen Backup werden. Nun gehen wir LA GITANA mit dem feinen Kamm durch. Alles was wir zwölf Monate oder länger nicht in der Hand hatten, kommt von Bord.

 

So befüllen wir Kiste um Kiste. Ein Teil wird einfach weggeworfen, ein Teil an die Arbeiter der Marina verteilt, die so arm sind, dass sie jeden Müllbeutel, den wir Segler entsorgen, aufmachen und nach Brauchbarem durchwühlen. Ein Teil kommt auf die große lange Liste "For Sale".

 

Eine besondere Herausforderung stellt unsere Bordapotheke dar. Denn auch hier finden sich zahlreiche Medikamente, die weit übers Verfallsdatum sind. Wir haben sie dennoch aufbewahrt, da man in der Einsamkeit froh sein kann, wenigstens ein abgelaufenes Präparat als gar keines zu haben. Das haben wir unter anderem in Olimarao erlebt, als Volker mit der bösen Entzündung an der Ferse darniederlag und wir in kürzester Zeit durch verschiedene Antiseptika und Antibiotika gingen.

 

Jetzt macht es aber keinen Sinn mehr, abgelaufene Medikamente aufzubewahren. Doch wohin damit? In den normalen Müll geht auf gar keinen Fall, denn der wird ja durchwühlt und eventuell kommt dann noch einer auf die Idee, eine Party mit den Mittelchen zu feiern. In Deutschland würden wir das Zeugs einfach in die Apotheke zur Entsorgung bringen - und in einer Apotheke fragen wir auch hier, was man in den Philippinen mit abgelaufenen Medikamenten macht. Die Apothekerin schaut uns an als hätten wir sie nicht mehr alle. "Na, die schmeissen wir in den Müll oder giessen sie in den Ausguß." Aha. Und dorthin wandern auch starke morphiumhaltige Schmerzmittel oder Valium? Nein, natürlich nicht. Diese Tabletten werden in Wasser aufgelöst und dann weggeschüttet.

 

Na wenn das so ist, dann machen wir das eben auch. Wir schnappen uns einen großen Eimer, füllen ihn mit Wasser und hinein kommt alles, was wir nicht einfach auf dem Müll haben wollen. Ketanest und Tramadol, Antibiotika und Diazepam, Codein und Diclofenac, Paracetamol und Aspirin, Kortison und Andrenalin. Es ist zwar etwas mühsam, die ganzen Packungen aufzumachen und die einzelnen Tabletten rauszupulen. Aber was soll's. Und irgendwie ist es ja auch schön und ein gutes Gefühl, dass wir die ganzen Medikamente in zehn Jahren nicht gebraucht haben. Wir hatten ja kaum einmal einen Schnupfen. Wer hätte das gedacht, als wir beim Start unsere Bordapotheke geplant hatten.

 

Zum Schluss schütten wir noch die ganzen Lokalanästhetika und Hammer-Schmerzmittel aus den Glasampullen dazu, rühren um bis alles aufgelöst ist - und kippen den Mix über Bord. Volker witzelt noch, ob wir vielleicht einen Schluck hätten nehmen und uns ein paar farbige Träume einfangen hätten sollen. Michaela ist dagegen sehr besorgt, dass es den Fischen in der Marina, die immer so schön an unserem Rumpf rumknabbern, nicht so gut bekommen könnte.

 

Bild des Tages:

Wir müssen wohl im Drogenrausch gewesen sein, als wir uns dieses Sammelsurium an schwersten Betäubungs- und Schmerzmitteln zugelegt haben. Was haben wir gedacht? Dass wir auf der Atlantiküberquerung gleich zwei Amputationen durchführen werden??