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Samstag 02. Juni 2007

In der Waschmaschine

Unser Standort: Unterwegs von Galapagos zu den Marquesas Inseln - Tag 19

Seit Galapagos gesegelt: 2.658sm

Noch zu segeln: 370sm

Etmal: 137sm

 

Na, welche Waschmaschine darf's denn sein? Eine Miele? Eine Siemens? Oder vielleicht doch lieber eine Bauknecht? Wir hätten da noch einen Tip für ein weiteres Modell: Die Pazifik Squall Pro 2000. Keine wäscht ausdauernder und weißer! Woher wir das wissen? Ganz einfach! Wir haben es in den letzten 24 Stunden ausgiebig getestet!

 

Irgendwie sind wir gestern abend in eine Passatstörung reingesegelt. Das heißt, eigentlich hat uns die Störung von Südosten quasi überrollt. Urplötzlich war kein Mond mehr zu sehen. An seine Stelle trat ein bedrohlich aussehendes schwarzes Wolkenband. Und dann ging's auch schon los! Als hätte jemand den Schalter umgelegt, heult der Wind urplötzlich mit 35kn los, die Wellen bauen sich in Sekundenschnelle zu 5m hohen Ungetümen auf, von denen die Gischt wegfliegt und es schüttet wie aus Eimern. Null Sicht mehr und LA GITANA legt sich schwer auf die Seite. Der Autopilot kann nicht mehr gegensteuern und verabschiedet sich laut piepend - Skipper, übernehmen sie!

 

Wir hechten zum Ruder, bringen LA GITANA wieder in eine aufrechte Lage und reffen die Genua weg. Nur unter Groß pflügen wir in absoluter Dunkelheit durch die aufgepeitschte See. Die Orientierung fällt schwer und bevor wir uns ans Steuern so richtig gewöhnt haben, fahren wir eine Patenthalse. Den Bullenstander, der das Großsegel eigentlich gegen ein Überkommen sichern soll, reißt durch und auch gleich noch den Umlenkblock ab. Das war immerhin eine nagelneue 12mm Leine! Zum Glück gibt's keinen Bruch. Wir nutzen die Gelegenheit und reffen das Groß lieber auch gleich noch.

 

Gute 30 Minuten dauert der Spuk, dann haben wir wieder normalen Wind. Der Blick achteraus läßt allerdings nichts Gutes erahnen. Die nächste schwarze Linie steht wie mit dem Lineal gezeichnet am Nachthimmel. Und keine Stunde später geht es wieder los. Heulender Wind, schäumende See und peitschender Regen. Zum ersten Mal auf der Reise hat Volker das Ölzeug an und überwacht den Autopiloten. Der hat sich von seinem ersten Schrecken erholt und steuert jetzt und weiterhin ganz tapfer in den Squalls.

 

Und so geht es den ganzen Tag! 24 Stunden lang!! Jede Stunde mindestens einen Squall!!! Das zerrt ganz schön an den Nerven!!!! Dafür sind wir mal wieder im Schleudergang der Wellen so richtig durchgewaschen worden und auch an LA GITANA ist kein Salzkorn mehr dran. Wie gesagt: Die Waschmaschine Pazifik Squall Pro 2000 können wir ruhigen Gewissens empfehlen, wenn's mal ein wenig nässer sein darf.

 

Kurz vor Sonnenuntergang kommt dann die Erlösung. Am Horizont zeichnet sich erstmals ein wenig blauer Himmel ab und peu à peu verziehen sich die letzten dunklen Wolken. Der SO-Passat normalisiert sich und weht nun wieder mit 20kn aus SO. Nur die konfuse See und die steilen 5m-Wellen bleiben uns die Nacht durch erhalten. Aber wenigstens kommen wir so gut voran, dass wir insgeheim noch mit einem Landfall auf Fatu Hiva am Montag abend spekulieren können. Dann hätten wir die Strecke Galapagos-Marquesas in recht guten 20 Tagen geschafft. Und gegens Ankommen haben wir so langsam nichts mehr.

 

+ + + + IMPRESSIONEN UNTER SEGELN + + + +

+ + + + HEUTE: Antarktis-Expedition

So langsam treibt die Abgeschiedenheit auf See doch recht merkwürdige Blüten. Mangels äußerer Reize wie Fernsehen, Radio, Zeitung, Bars oder Discos scheint sich der Geist ganz auf seine eigene Phantasie ein- und umzustellen. Dinge, die einen im Unbewußten beschäftigen, bekommen eine ganz neue, intensive Relevanz und vor allem Realität. Zum Teil fällt es schwer Phantasie und Wirklichkeit auseinander zu halten.

 

Ich bin immer noch in das Buch über die letzte und so tragisch verlaufende Antarktis-Expedition von Scott vertieft. Über 600 Seiten quälen sich Menschen unter widrigsten Bedingungen durch eine Eiswüste. Das einzig konstante sind die ewigen Schneestürme, die einem die Luft zum Atmen nehmen. Und genau daran hängt sich heute meine Phantasie auf. Als ich während der Squalls im Ölzeug im Cockpit sitze, versetzt mich meine Phantasie dermassen realistisch um 75 Längengrade nach Süden in die Antarktis, dass mir richtig kalt wird. Der Wind zerrt an meinen Haaren und das Ölzeug fühlt sich an wie Expeditionskleidung. Ich bin mir manchmal nicht mehr sicher, ob ich gerade einen tropischen Squall oder einen antarktischen Blizzard erlebe. Ich lebe und leide mit den Expeditionsteilnehmern, kann ihre Todesangst und ihr Leiden an der menschenfeindlichen Umwelt mit jeder Nervenfaser spüren. Mich schüttelt es, so sehr geht mir das Buch an die Nieren, so real läßt mich meine Phantasie das gerade Gelesene erleben. Nie zuvor ist mir ein Buch so unter die Haut gegangen. Wie gesagt, ich bin davon überzeugt, dass die Isolation hier draussen auf See sehr dazu beiträgt, mehr Raum in seinem Kopf für Phantasie zu gewinnen. Und wenn dann noch die entsprechende Stimulierung der Nerven hinzukommt, entstehen ganz mächtige Bilder und Impressionen!

 

+ + + +

 

Bild des Tages:

Nachdem wir die ersten Squalls in der Nacht über uns ergehen lassen mußten, präsentiert sich der Himmel zum Sonnenaufgang dramatisch. Da rollt nochmal ganz dicke was auf uns zu. Und wie wir erst noch lernen sollten, rollte es den ganzen Tag...