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LOGBUCH
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Sonntag 03. Juni 2007

Endspurt und Resumé

Unser Standort: Unterwegs von Galapagos zu den Marquesas Inseln - Tag 20

Seit Galapagos gesegelt: 2.815sm

Noch zu segeln: 213sm

Etmal: 158sm

 

Anscheinend möchte sich der Pazifik in den letzten 48 Stunden vor unserem Landfall nochmal versöhnlich zeigen und präsentiert uns daher feinstes Passatwetter. Seit gestern Abend die Squalls durchgezogen sind haben wir konstanten Passat aus Ostsüdost mit 15 bis 20kn. Perfekte Bedingungen für LA GITANA, die im Endspurt nur so Richtung Fatu Hiva fliegt. Und endlich, endlich sind wir auch wieder den Gegenstrom los, der uns um nahezu einen Knoten bremste. Das GPS zeigt nun wieder sieben bis neun Knoten Fahrt über Grund an und wir sind uns eigentlich ziemlich sicher, dass wir die Baies des Vierges, die Ankerbucht auf Fatu Hiva noch vor Sonnenuntergang am morgigen Montag erreichen werden. Damit hätten wir dann unser - eigentlich vermessenes - Ziel erreicht, in 20 Tagen von Galapagos zu den Marquesas zu segeln. Doch bis es soweit ist, geniessen wir den traumhaften Segeltag heute entspannt im Cockpit.

 

Wie wir von unseren Seglerfreunden erfahren haben, ist die Bucht auf Fatu Hiva leider sehr gut gegen Radiowellen abgeschirmt, so dass Funk und auch das Versenden von E-Mails per Kurzwelle und Pactor kaum möglich sind. Es ist also gut möglich, dass wir die nächsten Tage incommunicado sein werden und es möglicherweise einen neuen Logbucheintrag erst wieder gibt, wenn wir Fatu Hiva verlassen. Für uns ist es daher jetzt an der Zeit, schon einmal ein kleines Resumé der langen Segelstrecke von den Galapagos-Inseln zu den Marquesas zu ziehen.

 

Der Pazifik zeigte sich uns wesentlich launischer und weniger beständig als der Atlantik - und damit genau wie er im Lehrbuch steht. Der vorherrschende Südost-Passat ist weder in Richtung noch in Stärke so konstant wie der Nordost-Passat im Nordatlantik. Zwar hatten wir einige Passatsegeltage wie sie im Buche stehen und von denen jeder träumt: 15 bis 20kn aus Südost, Schäfchenwolken am Himmel und eine lange runde Dünung von achtern. Selten hielt dieser Segelgenuss jedoch länger als 36 Stunden an. Wir kämpften tagelang mit Flaute oder Schwachwind und schlagenden Segeln, was unsere Nerven unglaublich strapazierte. Weniger aufreibend waren dagegen die Tage mit Starkwind, an denen enorme Squallfelder über uns hinwegzogen und auch einiges an Regen brachten. Aufgrund der ständigen Wetteränderungen kamen wir daher leider nicht so sehr zum Schlafen und Ausspannen. Durchschnittlich mußten wir mit fünf Stunden Schlaf pro Tag auskommen, was aber auch an den teilweise beeindruckenden Wellen lag, die LA GITANA und uns in der Koje mächtig rollen liessen. Dennoch fühlen wir uns gut erholt.

 

Àpropos LA GITANA - unsere alte Lady hat sich wieder einmal als Langfahrt-Schiff der Extraklasse gezeigt, die nicht nur Walkollisionen schadlos übersteht, sondern auf der sich lange Segelstrecken komfortabel, sicher, trocken und auch schnell bewältigen lassen. Wir hatten uns vorgenommen, die Strecke von 3.006sm in unter 21 Tagen zu schaffen. Das werden wir wohl auch erreichen und einen Schnitt von 6,1kn segeln. Das ist 0,8kn langsamer als die Durchschnittsgeschwindigkeit auf dem Atlantik. Woran liegt's? Zum einen an den Strömungsverhältnissen auf der Strecke. Wir hatten nicht den erwarteten Schiebestrom von durchschnittlich einem Knoten. Vielmehr hatten wir nur ein Drittel der Strecke Schiebestrom, ein Drittel war kein Strom zu spüren und im letzen Drittel hatten wir sogar kräftigen Strom gegenan. Des weiteren ist das Antifouling auf unserem Unterwasserschiff nicht mehr das Frischeste und wir dürften inzwischen einiges an Bewuchs - vor allem Entenmuscheln - angesammelt haben. Außerdem haben uns die Segelmanöver mit mehrfachem Wechsel von Booster auf Genua und zurück sowie die Experimente mit dem neuen Blister Zeit gekostet. Und ein wenig ist wahrscheinlich auch auf das Schiffsgewicht und die hohe Zuladung zurückzuführen, denn insbesondere in Schwachwindphasen sank die Geschwindigkeit doch überproportional ab.

 

Trotz dieser widrigen Umstände hat sich herausgestellt, dass die AMEL Maramu ein schnelles Schiff ist. Den Schiffen auf unserer Funkrunde, die alle mehr oder weniger mit uns gestartet sind, haben wir zwischen ein und zwei Tagen abgenommen. Darunter unter anderem ein Katamaran (!) sowie eine andere 46 Fuß Yacht. Lediglich die Gammeldansker konnte mithalten, war aber wider Erwarten auch nicht - wie noch an der kolumbianischen Küste - schneller als wir. Toll gemacht, LA GITANA!! Das gefällt Dir hier, denn hier bist Du zuhause. Schließlich kommt der Name MARAMU von einem Südwind, der hier in Französisch Polynesien beheimatet ist.

 

Was gibt's sonst noch besonderes zu erwähnen? Das Fischen hat hervorragend geklappt. Eigentlich immer, wenn wir einen Fisch fangen wollten, haben wir auch einen aus dem Wasser gezogen. Unsere Seglerfreunde waren da weit weniger erfolgreich und haben teilweise nur einen Fisch auf der ganzen Strecke gefangen, obwohl die Angel immer draussen war. Die Stromversorgung war trotz durchgehendem Laptop-Einsatz, laufenden Kühlschränken und vorschriftsmäßiger Navigationsbeleuchtung perfekt. Die Solarpaneele, der Windgenerator und vor allem der Wellengenerator lieferten mehr Strom als wir verbrauchen konnten. Nie mußten wir den Motor zum Laden anwerfen. Unsere Selbststeueranlage kam nicht ganz so wie geplant zum Einsatz. Insbesondere in den Schwachwindphasen verstärkte der übliche Kursausschlag das Segelschlagen und wir gingen mehr und mehr dazu über, die Windpilot nicht mehr mit der Windfahne, sondern mit dem Pinnenpiloten anzusteuern, was sich sehr bewährt hat.

 

Und jetzt freuen wir uns auf den Landfall auf Fatu Hiva. Inzwischen ist es 02:00 Uhr Bordzeit und wir haben nur mehr 100sm zu segeln. Es sieht also gut aus mit dem Landfall vor Sonnenuntergang...

 

+ + + + IMPRESSIONEN UNTER SEGELN + + + +

+ + + + HEUTE: Abschied nehmen

Es ist schon merkwürdig. Nicht nur von Menschen kann einem der Abschied schwer fallen. Auch eine Umgebung kann einem so ans Herz wachsen, dass sich Abschiedsschmerz einstellt. Drei Wochen waren Wasser, Wind, Wolken und Wellen unsere Begleiter. Manchmal gingen sie uns gehörig auf die Nerven, oftmals sassen wir aber einfach mit offenem Mund und offenen Augen da und erlagen ganz und gar der Faszination des Pazifik, des größten Ozeans der Erde. Auf dem offenen Wasser bekommt man ganz klar seinen Platz im Universum zugewiesen und spürt ganz deutlich die Nichtigkeit des eigenen Seins. Man sucht nach Halt, nach Orientierung, nach Bedeutung und nach Sinn und hat nur sich selbst als Referenz. Die Gedanken laufen frei und werden durch nichts eingeschränkt. Der Blick aufs Unendliche ist unverstellt, auch wenn unser Horizont nur 15sm entfernt ist. Ein wirklich meditatives Erlebnis. Dieses anregende, aufregende, unter die Haut gehende der langen Segelstrecke auf dem Pazifik werden wir vermissen. Aber auch die ungestörte Zeit für- und miteinander, die wir in dieser Form nur auf den Ozeanen dieser Welt erleben können, macht uns den Abschied nicht leicht. Dennoch müssen wir nun "Auf Wiedersehen Pazifik" sagen. Denn egal wie unsere weitere Route nun ausschauen wird, werden wir noch einige Zeit auf diesem Ozean segeln. Und dann sehen wir uns hoffentlich als Freunde wieder...

 

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Bild des Tages:

Kurs West! Der letzte Sonnenuntergang auf See für die nächste Zeit, denn morgen werden wir in Fatu Hiva nach 3.006sm und drei Wochen Landfall machen.