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Marokko - Eine Reise durch Gegensätze…

Mehr Fotos von der Rundreise findet Ihr in der Fotogalerie

Entscheidung zum Umweg

In Andalusien hatten wir beschlossen, statt wie alle anderen in Richtung Madeira aufzubrechen, bevor es auf die Kanaren geht, ein exotischeres Ziel anzusteuern – inspiriert durch die maurischen Bauwerke in Grenada und Cordoba, wollten wir unbedingt Marokko entdecken. Bis dahin hörten wir jedoch von einigen Seglern, dass Marokko mit dem Segelboot tatsächlich mehr als exotisch sei und noch immer als schwieriges Land gilt mit komplizierten Einklarierungsformalitäten, unfreundlicher Polizei etc. Wir haben uns trotzdem nicht abschrecken lassen und uns zusammen mit der Mimpi Manis von Portugal aus auf den Weg gemacht. Endlich einmal eine längere Strecke segeln und sehen, wie das Wachsystem mit 2 Mann an Bord über mehrere Tage funktioniert. Endlich ein Land entdecken, das wir bisher noch nicht kannten – und die Aussicht auf 2 Wochen „Landurlaub“ – wir waren voller Vorfreude!

Agadir

Als Zielhafen definierten wir Agadir, da es von dort aus nicht mehr so weit auf die Kanarischen Inseln ist und es in ausserdem Agadir einen TO-Stützpunkt gibt, von dem wir uns als TO-Mitglieder natürlich ein wenig Unterstützung erhofften. In Agadir spät abends angekommen, stellten wir zu unserer großen Freude fest, dass das vielbeschworene Einklarieren überhaupt kein Problem darstellte und die Offiziellen nicht nur sehr freundlich waren, sondern sich für den notwendigen „Papierkram“ sogar entschuldigten. Es war wirklich viel Papier auszufüllen – es kamen immerhin 5 verschiedene Offizielle, die immer wieder die gleichen Fragen stellten und die gleichen Dinge aufschrieben! Dann konnte es aber losgehen… Auto organisieren und vor allem einen richtigen Liegeplatz für die Schiffe, denn der Steg, an dem wir zunächst festmachten, war noch exotischer als der ganze Hafen. Agadir ist ein Fischerhafen mit der größten Fischereiflotte in Marokko, wurde uns stolz von dem Hafenmeister berichtet. 250 Fischerboote sind hier in Reih und Glied untergebracht und sorgen im Hafen nicht für ziemlichen Gestank, sondern für entsprechend viel Dreck!

Die Organisation des Liegeplatzes gestaltete sich jedoch schwieriger als erwartet, da das Wetter zum auslaufen ungünstig war und die Seglergemeinde sich mit dem Räumen des Liegeplatzes viel Zeit ließen. Vom Hafenmeister hörten wir daher auch nur das übliche „Inschallah“. Zwischenzeitlich konnten wir unsere erste Erfahrung mit marokkanischer Gastfreundschaft machen. Zorah, die Frau des TO-Stützpunktleiters, lud uns zum Essen zu sich nach Hause ein.

Gastfreundschaft wird in Marokko groß geschrieben und ist nicht nur eine Gefälligkeit, sondern fast schon eine Verpflichtung. Daher haben wir uns natürlich gleich mit einer Gegeneinladung revanchiert. Leider war Zorah die einzige Marokkanerin, die wir trafen, die kein Französisch, Englisch oder Deutsch sprach – so gestaltete sich die Kommunikation zwischen uns ein bisschen schwierig, aber durch die verschiedenen Missverständnisse wiederum sehr lustig!

Von Agadir nach Marrakesch

Sonntag ging es dann endlich los – das gut verhandelte Mietauto entpuppte sich als doch nicht so neu wie angekündigt, aber was soll’s – wir sind ja in Marokko, Inschallah! Die erste Etappe führte uns über einen Pass (Tiz N’Tech) in Richtung Marakkesch. Auf dem Weg dorthin mussten wir uns in einigen Städten und Dörfer durch Menschenströme, Polizei und Absperrungen kämpfen, denn offensichtlich war der Besuch des Königs angesagt… Am späten Nachmittag erreichten wir nach dem leider nicht so spektakulären Pass (das Wetter war zu diesig für eine tolle Aussicht!) die einzige Moschee in Marokko, die von Nicht-Muslime besucht werden darf: Tin Mal.

Diese erinnerte uns doch sehr an die Moschee-Kathedrale in Cordoba! Einfach wunderschön!!! Genauso schön war dann auch unser Hotel, das wir in der Dunkelheit doch noch fanden. Wir waren vom marokkanischen Flair der Zimmer verzaubert.

Marrakesch

Am nächsten Morgen ging es dann weiter bis Marrakesch, nachdem wir uns vom französischen Hotelbesitzer eine Adresse für einen schönen Riad namens „Clefs du Sud“ haben geben lassen. In Marrakesch soll es die schönsten Riads geben, da können wir natürlich nicht widerstehen. Nach einer Irrfahrt durch die Medina von Marrakesch werden wir endlich vom Personal des Riads abgeholt und durch die engen Gassen der Medina bis zum Riad gelotst. Welch ein Gewühl von Menschen, Autos, Mopeds – wie soll man da den Weg zum versteckten Riad finden.

Aber es hat sich gelohnt! Der Riad entpuppt sich als geschmackvoll renoviertes Stadthaus mit 9 Zimmern bzw. Suiten, traumhaft schönem Innenhof, Pool auf der Dachterasse und, und, und… Wir sind hin und weg! Als wir noch einen guten Preis für das Zimmer verhandeln können (es ist hier Nebensaison), konnten wir unser Glück kaum fassen.

Wir machen uns auf, die Stadt zu erkunden. Gar nicht so einfach in dem Labyrinth der engen Straßen. Selbst Volker, der sich immer und überall sehr gut orientieren kann, hat zum ersten Mal Schwierigkeiten den berühmten Platz Djemaa el-Fna zu finden. Dort angekommen verabreden wir uns mit Stephan, Evi und Lena und machen den Souk unsicher. Nach dem eher mäßigen Abendessen machen wir uns wieder auf, in dem Strassen-Labyrinth unseren Riad zu finden. Zwischendurch glauben wir, dass wir niemals mehr ankommen und sind fast versucht anzurufen, damit man uns wieder abholt. Aber wir schaffen es doch und sind heilfroh, wieder in unserem "1001 Nacht"-Märchenzimmer zu sein. Wir erkunden am nächsten Tag noch ausgiebig die Stadt und treffen die Mimpi Manis-Crew am Abend wieder. Wir wollen die Essenstände auf dem Platz Djemaa el-Fna ausprobieren, die u.a. den Charme und das Flair von Marrakesch ausmachen.

Fes

Wir fahren weiter nach Fes, eine weitere sehr alte Königsstadt mit einem noch größeren Straßen-Labyrinth. Hier ist die klare Empfehlung des Reiseführers, die Altstadt nicht ohne ortskundigen Fremdenführer zu besichtigen…

Die Straßen waren doch nicht so gut ausgebaut wie gedacht, so dass wir gegen Abend kurz vor Fes in Ifrane für die Nacht stoppen. Ifrane ist ein im alpinen Stil gehaltener Skiort, wo man sich tatsächlich fragt, ob man noch in Marokko ist. Eigentlich glaubt man sich eher in der Schweiz! Zum ersten Mal sehen wir Laubbäume, die sich herbstlich bunt färben und es ist ziemlich kalt im „marokkanischen Genf“, wie man Ifrane laut Reiseführer auch nennt.

 

In Fes fanden wir einen bezaubernden Riad, dieses Mal unter weiblicher marokkanischer Führung, wo wir mehr als gastfreundlich empfangen wurden.

Mit Rachida haben wir uns auch sogleich angefreundet, so unser Aufenthalt zu einem besonderen Erlebnis wurde. 3 Tage waren wir ihre Gäste, aßen zusammen und tranken Pfefferminztee und lernten einige ihrer Freunde kennen, mit denen wir viel diskutierten. So bekamen wir einen intensiven Eindruck von Marokko und des marokkanischen Lebens; vom Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne. Internet und Fernsehen sorgen dafür, dass der Wandel zur Moderne in viel zu großen Schritten erfolgt und die traditionellen Werte der Familie ins Wanken geraten.

 

Schweren Herzens nahmen wir Abschied von Rachida, die von unserem Projekt „Weltumsegelung“ so begeistert war, dass sie sofort für Sponsoren auf der Welt suchen wollte.

Ihr Traum um die Welt zu reisen, wird aufgrund der Tradition jedoch vorerst nur ein Traum bleiben, denn marokkanische Frauen dürfen nicht alleine reisen… So kann sie wenigstens mit uns per Internet ein bisschen um die Welt!

In die Wüste

Unsere nächste Station ist Merzouga und Erg Chebbi, die größte Wanderdüne Marokkos. Dort haben wir uns in dem gleichen Kasbah – einem Hotel im Stil der traditionellen Wohnburg aus Lehm – wie Stephan & Familie einquartiert.

Leider sind wir alle 5 mehr oder weniger krank mit fiebriger Erkältung, so dass wie die Wüste gar nicht voll genießen können. Alle zeitgleich krank – wo haben wir uns denn da angesteckt? Trotzdem ist das Erlebnis, auf einer Sanddüne zu sitzen und den Sonnenuntergang zu beobachten herrlich – wobei hier nicht der Sonnenuntergang das beste ist, sondern das Farbenspiel der Düne.

Schluchten von Todra und Dades

Damit wir unsere Rundtour schaffen, müssen wir wieder weiter in Richtung Dades Tal, wo wir uns die spektakulären Schluchten „Gorge du Dades“ und „Gorge de Todra“ anschauen möchten. Faszinierend ist bereits der Palmenhain, im Tal vor der Schlucht. Nach vielen Fotostopps erreichen wir kurz vor der Dunkelheit unsere Auberge, die wir für die Nacht uns ausgesucht haben.

Wir sind die einzigen Gäste bei Youssef und Adi. Wir entscheiden uns für Halbpension und dürfen uns das Essen aussuchen. Die Zimmer sind klein, aber geschleckt sauber und Adi kann auch noch hervorragend kochen! Was will man mehr für 25 EUR die Nacht. Adi und Yousseff leisten uns beim Essen Gesellschaft und so kommen wir ins Gespräch. Wieder ist Marokko und der Umbruch der Gesellschaft Hauptthema. Aber auch das Flüchtlingsproblem und die große Armut der Menschen im Land. Hier erfahren wir, dass meistens nur einer in der Großfamilie Geld verdient und den Rest der Familie mit durchbringen muss. Daher wollen ja auch alle nach Europa – ins „gelobte Land“ – weil man dort noch immer das meiste Geld verdienen kann. Nach einem hervorragenden Frühstück – es war das Beste bisher in diesem Land – Sightseeing im wirklich spektakulären Gorge und weiter zum nächsten. Dieser soll eigentlich der landschaftlich Schönere sein, was wir nicht so empfunden haben. Uns hat definitiv die Todra Schlucht besser gefallen – nicht nur wegen Adi & Yousseff.

Tal der Kasbahs

Weiter mit Höchstgeschwindigkeit durch das Dades Tal, damit wir noch vor Dunkelheit in Ouarzazate, dem „Hollywood“ von Marokko ankommen. Der Dades ist übrigens einer der größten Flüsse Marokkos und das Tal eine rießige Oase mit vielen Kasbahs, was ihm den Spitznamen das „Tal der Tausend Kasbahs“ einbrachte.

Ouarzazate ist keine schöne Stadt und keine besonders marokkanische Stadt. Sie wurde ab 1928 von den Franzosen wegen ihrer strategisch günstigen Lage als Garnisonsstadt und Verwaltungszentrum genutzt. Zu sehen gibt es ausser der Kasbah und den Filmstudios nichts. Hier wurden u.a. das Filmepos „Alexander der Große“ und „Gladiator“ gedreht. Beide „Sehenswürdigkeiten“ haben wir uns geschenkt, da wir Kasbahs genug gesehen hatten und Filmstudios von Hollywood her kennen. Deshalb beschlossen wir weiter zu fahren mit einem kleinen Abstecher nach Ait Benhaddou, dem best erhaltenen (bzw. restaurierten) Kashbah-Dorf, das häufig als Filmkulisse diente und heute unter Unesco-Schutz steht. Wir haben uns dann doch nur zu einem Fotostopp hinreißen lassen können.

Taroudannt

Letzter Stopp vor Agadir ist Taroudannt, wo wir auf der Hinfahrt nicht anhalten konnten, da ja alles für die Ankunft des Königs abgesperrt war. Von der Mimpi Manis Crew hatten wir gehört, dass es ein nettes Städtchen sein soll und dass der Souk schön wäre.

Michaela hatte doch noch immer nicht ihren marokkanischen Kittel für die Atlantiküberfahrt… Da das Restaurant im Hotel nicht sehr einladend wirkte, machten wir uns zu einem Rundgang in die Stadt auf. Es ist eine vom Tourismus noch nicht so überlaufene Stadt und damit sehr ursprünglich. Agadir ist nicht weit, so dass die wenigen Touristen hier scheinbar nur am Tage einfallen. Auf dem zentralen Platz suchten wir uns ein „hübsches“ Café mit Speisekarte aus, wo wir überdimensional freundlich bedient wurden. Leider war es das schlechteste Essen unserer ganzen Rundreise. Lediglich das süße Törtchen und die aufmerksame Bedienung entschädigte ein wenig. Auch hier kamen wir wieder ins Gespräch mit einem in Spanien lebenden Marokkaner, der als Gastarbeiter in seinem eigenen Land war. Von ihm erfuhren wir einige Dinge, die ein „echter“ Marokkaner nie erzählen würde. Von den Machenschaften und hartem Regime des alten Königs und des Staates. Auch hier war das Flüchtlingsthema das Thema Nr.1.

 

Am nächsten Morgen lernten wir dann, dass wir bereits jetzt – obwohl erst seit 3 Monaten unterwegs – völlig hinterm Mond sind. Zumindest, was das Internet angeht. Denn das, was hier in Marokko scheinbar jeder Jugendliche kennt und macht, war für uns noch neu.

Mit SKYPE übers Internet telefonieren und chatten. Rachida hatte es und in jedem Internetcafé sah man es. Jeder kannte es! Überhaupt war das chatten bei den jungen Marokkanerinnen besonders beliebt. Mit Herzchen und Blümchen, wie es sich für junge Mädels gehört. Und hier konnte ihnen kein Vater oder Bruder reinreden oder sie kontrollieren. Wir waren fasziniert! Unser Anliegen im Internet war wieder einmal nur der Wetterbericht und natürlich die Abfrage unserer E-Mails. Wir wollten es vom Wetter abhängig machen, ob wir sofort zurückfahren oder noch einen kleinen Schlenker in Richtung Süden fahren.

Das Wetter mahnt zum Aufbruch

Das Wetter hatte entschieden. Der Wind sollte nur noch bis Sonntag auf unserer Seite sein für die Überfahrt nach Lanzarote und danach nur unbeständig und vor allem gegen an.

 

Damit stand für uns fest: so schnell wie möglich wieder zurück nach Agadir, schnell noch verproviantieren und dann nichts wie weg nach Lanzarote.

Ein letztes Mal sollte sich Volker wegen der unverschämten „Faux Guide“ aufregen, die einem für Geld den nicht zu übersehenden Markt zeigen wollen oder das Auto putzen, ohne dass man es will.

 

Zurück im Hafen von Agadir müssen wir feststellen, dass wir unser Gepäck und den Proviant kaum noch heil auf LA GITANA bringen können, da ein Sturm während unserer Abwesenheit den Steg nun völlig zerlegt hatte. Wir konnten froh sein, das Stephans Eltern an Bord der Mimpi Manis waren und in dieser Nacht La Gitana gut vertäut hatten. Wer weiss, was sonst passiert wäre. Jetzt gab es kein Halten mehr. Wir wollten nur noch weg aus dem stickigen, dreckigen Hafen und endlich wieder sauberes Wasser und Meer um uns haben.

Fazit

Unser Fazit dieser Rundreise: Marokko ist ein wunderschönes Land, voller Gegensätze – landschaftlich wie auch gesellschaftlich – ein armes, aber auch sehr gastfreundliches Land