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Erlebnis Schiffskauf

1. Welches Schifferl darf's denn sein?

GFK oder Alu oder doch lieber Stahl? Einrumpfer oder Katamaran? Neu oder gebraucht? Groß oder klein? Fester Kiel oder dann doch ein Kielschwerter? Wieviel Wasser, wie viel Diesel? Welcher Tiefgang?

Auf die Frage nach dem idealen Schiff für eine Weltumsegelung gibt es wahrscheinlich so viele Antworten, wie es tatsächliche und potentielle Weltumsegler gibt. Wahrscheinlich sogar ein paar mehr…

Wir haben uns auch alles angeschaut. Aber irgendetwas passte immer nicht: Beim Katamaran die Zuladung, der Preis sowie die geringe Verfügbarkeit in Europa. Ein Stahlschiff kam nicht in Frage, weil wir uns nicht um die Welt pinseln wollten. Aluschiffe sind schlecht verfügbar und in der Regel überteuert. Bei einem neuen Schiff hätten wir uns nur ein kleines bzw. einen modernen Joghurtbecher leisten können – und ein bisschen Komfort und Stabilität darf’s dann schon sein, oder? Selbstbauen schied mangels Platz und Zeit aus.

Wir wälzten also monatelang Prospekte, pflügten die einschlägigen Yachtmagazine und Internetseiten durch, besuchten ohne Ermüdungserscheinungen Bootsmessen bis wir durch Zufall zu unserem Traumschiff fanden:

Auf der Boot 2004 ergab es sich, dass wir am Ende unserer Tour de Force uns noch aus Jux und Dollerei bei AMEL zur Besichtigung einer SUPER MARMAU 2000 angemeldet hatten. Eigentlich nur aus Neugier, denn das Schiff ist selbst gebraucht für uns noch viel zu groß und außerhalb unseres Budgets.

Frau Möck, die AMEL-Vertreterin für Süddeutschland führte uns mit großer Geduld durch das Riesenschiff und wir waren völlig hin und weg ob der Staumöglichkeiten sowie der tausend praktischen Detaillösungen. Unsere zaghafte Frage, ob denn frühere AMEL-Schiffe schon ähnlich aufgebaut waren, wurde mit Überschwang bejaht. Das war unsere Werft – total durchdachte Schiffe, noch dazu aus Frankreich und daher mit einem großen Weinkeller in der Bilge ausgestattet.

Wir gestanden Frau Möck also, dass wir uns eine nagelneue SUPER MARAMU 2000 wohl nicht so ganz leisten könnten, dass wir aber an Angeboten für gebrauchte MARAMU’s, dem Vor-Vorgänger, interessiert wären. Und siehe da, bereits in der Woche darauf lagen einige interessante Angebote für unseren nun bevorzugten Schiffstyp in der Post.

 

2. Schiffsbesichtigung die Erste

Wir pickten uns ein vielversprechendes Angebot heraus. Die Yacht lag in Kroatien und so beschlossen wir, im Anschluß an Michaelas SKS-Törn in Slowenien noch eine Woche Urlaub in Ex-Jugoslawien zu verbringen und dabei die besagte MARAMU zu besichtigen.

Als wir das Schiff das erste Mal sahen, machte es einen guten Eindruck. Es stand auf dem Trockenen und hatte gerade einen neuen Unterwasseranstrich erhalten. Aber als wir aufgeregt das Innere des Schiffes enterten wurden wir eines besseren belehrt. Alles war entweder total abgewohnt oder amateurhaft renoviert worden. Kühlschrank, Heizung etc. funktionierten nicht.

Und zu allem Überfluß hatte der Eigner ein neues Rigg auf die arme MARAMU draufsetzen lassen, das den Stand der Technik repräsentieren sollte, aber leider überhaupt nicht auf die MARAMU angepasst war.

Dennoch machten wir uns auf zum Probesegeln. Und bei Windstärke 7-9 mit der kurzen, steilen Adria-Welle hat uns zumindest der Schiffstyp in helle Begeisterung versetzt. Dass der arme Eigner bei unserem Segelschlag schwer seekrank wurde, sei an dieser Stelle verschwiegen.

In Summe verbrachten wir trotz des Misserfolgs bei der Schiffsbesichtigung einen schönen Urlaub in Kroatien und haben unsere Entscheidung für eine MARAMU bestätigt gesehen. Enttäuscht waren wir allerdings von dem angebotenen Schiff und dem verlangten Preis.

3. Schiffsbesichtigung die Zweite

Als nächstes wurde uns eine MARAMU eines deutschen Eigners angeboten, der seit dem Stapellauf der Erstbesitzer war. Die Traumvorstellung! Nur ein Besitzer! Die ersten Kontakte per Brief und Telefon liefen positiv ab und wir vereinbarten einen Besichtigungstermin in Barcelona für Ende August 2004.

Als wir endlich das Schiff das erste Mal im Port Olimpico in Barcelona betraten, war es sofort Liebe auf den ersten Blick. Das Schiff wirkte sehr gepflegt, der Eigner wusste wovon er redete und am Ende des Wochenendes einigten wir uns über den Kaufpreis und setzten einen vorläufigen Kaufvertrag vorbehaltlich der Besichtigung mit einem Gutachter auf.

Wir waren ganz aus dem Häuschen: Ein Schiff bedeutete, dass die Weltumsegelung nun in Bälde starten wird!

4. Schiffsbesichtigung die Dritte

Mitte Oktober 2004 rückten wir dann nochmals mit dem Gutachter Oliver Franzius im Schlepptau in Barcelona an, um das Schiff auf Herz und Nieren zu prüfen. Aber allein beim ersten Anblick, als wir unsere zukünftige LA GITANA zum ersten Mal auf dem Trockenen sahen, konnten wir auch ohne Gutachter feststellen, dass hier etwas nicht stimmt. Und der Gutachter bestätigte es dann auch: Das Schiff, in das wir uns verliebt hatten, hat Osmose. Es folgte eine weitere gründliche Inspektion und die Auflistung weiterer Mängel, insbesondere am Rigg. Was nun sprach Zeus?

Nach langem Hin und Her beschlossen wir, uns dieses renovierungsbedürftige Schiff doch zu eigen zu machen, falls die Eigner beim Kaufpreis ein entsprechendes Entgegenkommen zeigten.

Das Ergebnis der Geschichte ist bekannt, nach kurzen Verhandlungen wechselte LA GITANA den Eigentümer und wir hatten ab sofort ein Schiff für eine Weltumsegelung!

5. Erste Woche auf LA GITANA

Die Zeit drängte nun, denn wir wollten so schnell wie möglich los. Also verbrachten wir 14 Tage, nachdem wir LA GITANA gekauft hatten, gleich mal eine Woche auf unserem neuen Schiff. Wir wollten unbedingt eine genaue Bestandsaufnahme machen und alles ausmessen, um die zusätzlich notwendige Ausrüstung dann in Deutschland zu kaufen.

Bis auf den defekten Kopfbeschlag der Rollgenua entdeckten wir dann auch keine weiteren Katastrophen und konnten nun zumindest sagen, dass wir einen guten Überblick über unser zukünftiges zuhause gewonnen hatten.

6. Wo gibt’s Schiffskrankenhäuser?

Nach der Rückkehr nach Deutschland war nun das wichtigste Thema, wo wir die Osmosesanierung von LA GITANA in Auftrag geben. Wieder wurden Internetseiten und Marineausstatter-Listen gewälzt. Da wir den Spaniern nicht so ganz eine fachmännische Sanierung zutrauten und wir wesentlich besser Französisch als Spanisch sprechen, fiel die Entscheidung, eine Werft in Südfrankreich zu suchen.

Zahlreiche Angebote wurden von Werften eingeholt. Manche antworteten, manche antworteten nicht, andere waren bereits pleite. Letztendlich entschieden wir uns dann für eine Werft in Hyères, die uns von der sehr zuvorkommenden dortigen AMEL-Vertretung vermittelt wurde. Und was noch besser war: Michaela kennt die Ecke wie ihre Westentasche, da eine Nachbargemeinde von Hyères Partnerstadt von Michaelas Heimatstadt ist und sie in ihrer Jugend zahlreiche Wochen im Urlaub hier verbracht hat und sogar schon einige Monate gearbeitet hat.

7. Überführung nach Hyères

Die Entscheidung war also gefallen – LA GITANA muß so schnell wie möglich nach Hyères. Allerdings war es inzwischen Dezember 2004 geworden und für die Überführung stand die Überquerung des berühmt-berüchtigten Löwengolfs im Winter an. Angeblich hat es in dieser Jahreszeit im „Golfe de Lion“ eine ähnlich hohe Sturmwahrscheinlichkeit wie bei Kap Hoorn…

Was nun? Wir hatten uns die Woche nach Sylvester für die Überführung ausgeguckt. Gespannt verfolgten wir daher die Tage zuvor die Wetterberichte über Internet. Aber die verhiessen nichts Gutes: Sturm im Löwengolf zwischen 9 und 11 Beaufort – und das ohne nachzulassen. Wir liessen uns nicht vollständig entmutigen und fuhren ziemlich eingeschüchtert nach Barcelona. Wenn nicht jetzt die Überführung machen, wann denn dann? Schließlich hatten wir bereits alles gekündigt und wir wollten/ mussten noch in 2005 los!

Glücklicherweise erwischten wir vor Ort dann ein Wetterfenster von 48 Stunden zwischen 2 ausgeprägten Mistrallagen und konnten in relativer Beschaulichkeit nach Hyères segeln und LA GITANA in die Werft verholen.

Von hier aus ging es verspätet im August 2005 zur Weltumsegelung los, nachdem die Renovierung von LA GITANA endlich abgeschlossen war.