Der Titel klingt verheißungsvoll und ist Ansporn, Euch ein wenig von der Faszination des Fahrtensegelns zu vermitteln. Aber anscheinend sind wir mit dem falschen Fuß aufgestanden. Von Segeln keine Spur. Zumindest die ersten Stunden nicht. Und was dann kam, war eher ein Gewürge als sanftes Dahingleiten. Zäh wie Kaugummi klebt uns der Golf von Panama am Rumpf. In der Nacht kriechen wir mit einer derart geringen Geschwindigket dahin, dass Volker schon an ein eingefangenes Fischernetz glaubt. 1,5kn über Grund in stockfinsterer Nacht und bei Wetterleuchten. Wir werden ewig im Malstrom der Bucht von Panama gefangen sein und nachfolgende Segler als Geisterschiff mit zwei Skeletten heimsuchen.
Finster ist es bei Neumond auf See. So finster, dass man den Horizont nicht mehr erkennen kann. Alles um uns herum ist schwarz. Doch heute ist dies kein Grund zum Verzagen. Denn schon wieder kündigt es sich an: die Leuchtspurmunition. Neben Dir ein heftiger Ausatmer im Wasser gefolgt von einem sanften Plätschern. Und da ist er wieder, der Kometenschweif aus Leuchtplankton, den unsere Delphine ins Wasser malen. Unermüdlich umspielen sie LA GITANA die ganze Nacht als wollten sie uns aus dem Gegenstrom und der Flaute rauslotsen. Magisch und nur erhältlich bei absolut schwärzester Nacht...
Wie die Stangen bei einem Slalomlauf sind die Gewitter für uns aufgestellt. Eins links umfahren, eins rechts, dann eine Traverse und eine Doppelkombination links. Technisch ein anspruchsvoller Kurs. Unser Antrieb ist kein Berg, sondern der aus den Gewittern strömende Wind, auf dem wir quasi surfen. Mal kommt er von Backbord, dann von Steuerbord und zwischendrin geht's auch mal bergauf. LA GITANAS Segel blähen sich mal an Backbord, dann an Steuerbord; zwischendurch hilft der Dieselwind durch die Windstille. Action für die Crew, langweilig war es uns heute nicht.
Willkommen bei David Copperfield. In einem der größten magischen Kunststücke hat jemand das Meer mit einem samtenen blauen Tuch bedeckt. Und es ist ein besonderes Tuch. Denn obwohl es durchsichtig erscheint, läßt es Dich nicht hindurchblicken. Was mag sich wohl darunter befinden? Was wird der Magier im nächsten Moment darunter hervorzaubern? Delphine tauchen aus dem Nichts auf. Gefrässige Raubfische "klingeln" an der Angel. Ein, zwei Schildkröten strecken anscheinend unendlich müde ihre Panzer und Köpfe durch das Tuch. Trotz der grenzenlosen Weite und Trostlosigkeit der Oberfläche, wimmelt es unter der Decke nur so von Überraschungen! Was wird wohl die nächste sein? Und was wäre, wenn der Magier die blaue Samtdecke ganz wegzöge? Vielleicht besser, sie bleibt auf dem Ozean!
Die derzeit oftmals dunklen und klaren Nächte erlauben es uns, in Ruhe den langsam aber sicher über den Horizont heraufziehenden südlichen Sternenhimmel zu bewundern. Ein Traum! Alles ist anders. Zwar steht zu Beginn der Nacht noch immer der große Wagen am Himmel und auch unser Wintersternenbild Orion ist noch gut zu sehen. Im Süden tauchen jedoch immer neue Sternbilder auf. Das Kreuz des Südens, die Waage, der Wassermann, der südliche Fisch. Und während die Sternbilder des Nordens von geheimnisvollen Mythen, Sagen und Göttern berichten, haben die Entdecker der Aufklärung den Sternbilder im Süden ihren Stempel aufgedrückt. Schluss mit Romantik und Heldensagen. Herausgekommen sind so exotische Namen wie Teleskop, Winkelmaß, Zirkel und chemischer Ofen (kein Scherz!). Da die Entdecker im 16. bis 18. Jahrhundert aber auch auf Segelschiffen unterwegs waren, gibt es wenigstens einen ganzen Sternenbildkomplex nur für uns: Kompass, Segel, Schiff und Schiffskiel stehen für uns nach Sonnenuntergang im Südwesten und weisen uns den Weg nach Galapagos.
Beim nächtlichen Blick zum Sternenzelt sehen wir hin und wieder eine Sternschnuppe aus dem Augenwinkel. Herrlich! Wünsch' Dir was! Und da: schon wieder eine! Oder? Das war aber nicht hell genug für eine Sternschnuppe und irgendwie auch viel zu groß. Das sich langsam an die Dunkelheit gewöhnende Auge sucht den Horizont ab. Vielleicht ein Flieger in der Ferne? Nein, nichts zu erkennen. Plötzlich ein Riesenschreck! Ein schnell ziehender gräulicher Schatten taucht direkt neben LA GITANA auf! Jetzt kommen die Piraten in einem unbeleuchteten Boot!! Da kommt es uns und als wir genau hinsehen, ist er auch gut zu erkennen - der Vogel der nächtens seine Kreise um uns zieht. Er segelt beinahe ohne Flügelschlag in unseren Abwinden mit uns mit. Mal links, mal rechts, mal vor und mal hinter uns. Und jedes Mal wenn er in den Schein unseres Positionslichtes kommt, leuchtet er kurz auf. Inzwischen sind aus dem einem vier Vögel geworden, die jede Nacht bei uns sind. Tagsüber sind sie nirgends zu entdecken. Wir nehmen zunächst an, dass sie nur unsere Abwinde nutzen, um besser und energiesparender die Nacht zu verbringen. Oder, vermuten wir weiter, sie nutzen unser Licht ein wenig, um nicht ganz im Dunkeln fliegen zu müssen. Inzwischen wissen wir es jedoch besser: Bei unseren Flugbegleitern handelt es sich um Gabelschwanzmöwen von den Galapagosinseln. Es sind nachtaktive Jäger und sie nutzen LA GITANA quasi als Treiber. Denn wir scheuchen so viele Tinten- und fliegende Fische aus dem Wasser, dass sich die vier nur bedienen müssen. Und beim Fang hilft natürlich auch das Streulicht um uns herum. Inzwischen können wir die vier auch rufen hören. Kkkrrrrr Kkkrrrr rufen sie sich in einer Tour zu und es klingt ein wenig wie das Sonar-Klicken eines Delphins.
Ruhig, gleichmässig und eine große Gelassenheit ausstrahlend hebt und senkt sich der Pazifik unter uns. Wir fahren bergauf und wir fahren bergab und wiegen uns im Rhythmus der Wiege allen Lebens. Wir fühlen uns eins mit diesem Ozean, er ist bisher unser Freund und überaus sanft zu uns. Seine Ruhe und Friedlichkeit färbt auf uns über und wir haben es überhaupt nicht eilig anzukommen. Lieber sich noch einen Tag länger von der langen Dünung wiegen lassen, sich einfinden in die Schwingungen der Erde, eins mit der Natur.
Wir haben keine Ahnung, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Segelschiff mit einem Wal kollidiert. Zum einen müssen zwei auf den Weltmeeren doch recht selten vorhandene Elemente sich am gleichen Ort zur gleichen Zeit einfinden. Dann muß der Wal auch noch so tief und fest schlafen, dass er das Schiff nicht kommen hört - immerhin liefen wir unter Motor. Außerdem darf die Crew den Wal nicht rechtzeitig sehen. Alles in allem ist es wohl wahrscheinlicher im Lotto zu gewinnen, als mit einem Wal zu kollidieren. Und das ist das, was uns beruhigt. Denn wenn EIN Zusammenstoß bereits sehr unwahrscheinlich ist, wie unwahrscheinlich ist es dann erst, dass eine Yacht ZWEIMAL mit einem Wal kollidiert? So beruhigen wir uns für die restlichen zig-zehntausend Seemeilen, die noch vor uns liegen. Wir haben unsere Dosis Wal erhalten und haben ab sofort Ruhe! Der kleine Denkfehler ist aber wohl, da es sich hier nicht um bedingte Wahrscheinlichkeiten handelt...
Wetterfaxe, Grib-Files, Funkrunden, auf denen Wetterberichte weitergegeben werden, das ist für uns wie Poesie, wenn wir segeln. Welch süsse Aliterationen hören wir hier - Südsüdost sieben Knoten. Welche farbige Landschaften zeichnen uns die Grib-Files auf den PC. Alles in hoffnungsfrohen und freundlichen Grün-Tönen. Und erst die Wetterfaxe mit ihrem komplexen Versmaß, das permanent zwischen Jambus, Trochäus und Hexameter wechselt. Musik in unseren Ohren! Allein erleben wir derzeit hautnah den Unterschied zwischen Dichtung und Wahrheit. Denn während alle Wettergurus 10-15kn Wind versprechen, müssen wir uns mit mickrigen 3kn zufrieden geben. In vento veritas - oder wie war das gleich noch?
Die Wohnungsauflösung hat uns wieder. Heute wie damals starren wir ganz gebannt auf steigende Zahlen. Vor zwei Jahren war es ebay, das uns in Bann hielt. Wir versteigerten einen ganzen Hauf Ballast und starrten zum Ende der Auktionen immer fiebernd auf die steigenden Gebote. Mangels Internet machen wir das heute mit dem Windanzeiger. Den ganzen Tag starren wir auf die digitale Anzeige doch nichts tut sich. Das Windgebot liegt bei fünf Knoten - enttäuschend! Doch plötzlich scheint sich die Auktion dem Ende zuzuneigen. Die Ziffern steigen. Erst ganz langsam hinter dem Komma, dann wird aus der fünf eine sechs. Es geht weiter mit sieben und dann schnell auf neun. Mit elf Knoten haben wir das Höchstgebot an Wind schließlich für heute erreicht. Die Auktion ist abgeschlossen! Drei, zwei, eins, juche! Wir haben Wind!!
Neumond. Das Firmament spannt sich über uns wie eine Leinwand in einem unendlichen, unergründlichen Schwarz, auf die ein Künstler mit Glitzerkreide die Sterne gemalt hat. Sie funkeln und flackern um die Wette und scheinen uns zuzublinzeln. Auf geht's, weiter, wir passen auf Euch auf. Wir blinzeln zu ihnen zurück und bedanken uns, dass sie jeden Abend wieder die Schwärze der Nacht erleuchten. Doch plötzlich müssen wir einmal, zweimal, dreimal blinzeln! Haben wir Sehstörungen, schwarze Flecken vor den Augen? Da war doch gerade noch das Kreuz des Südens zu sehen. Nein, es sind keine Sehstörungen, hier ist der himmlische Radiergummi zugange! Er ist gegen das leere Schwarz zwischen den Sternen nicht zu erkennen, aber er löscht die Sterne aus. Erst hier, dann da. Langsam aber sicher. Einen nach dem anderen. Es sind Squalls, schwarze Wolken mit viel Wind, die uns die Sicht auf die Sterne trüben und uns nachts mit ihren Böen auf Trab halten. Der Radiergummi wandert langsam übers Firmament und löscht weitere Sterne aus. Doch ganz gelingt es ihm nicht. Auf der anderen Seite fängt die Wunderkreide wieder an zu glitzern und zu blinzeln. Du hast keine Chance, du ärgerlicher Radiergummi!
Ach was haben wir ihn geliebt, unseren Booster, unser Passatsegel. Daher gibt es heute einen kleinen Nachruf auf dieses herrliche Segel.
Downwind-Strecken stehen bevor und ein Ritual beginnt. Vor Anker liegend wird die Genua in die Segellast verpackt und unser zweilagiges Passatsegel aus Spinnakertuch auf die Rollreffanlage gesetzt. Allein dabei geht für uns schon die Sonne auf, so quietschig schräg schön farbig präsentiert er sich in seinem orange-weißen Streifenanzug. Und dann geht die Post ab. Der Wind kommt von hinten mit 15kn plus. Wir rollen den Booster aus und wie ein Schmetterling aus der Raupe entfaltet er sich vor unserem Bug und LA GITANA hebt augenblicklich ab. Der Speedometer steigt und steigt und hört erst bei neun bis zehn Knoten auf. Es rauscht und gurgelt am Rumpf, während wir von der Wellenkrone mit ungeheurem Speed ins Wellental gleiten. Unten angekommen packt der Booster wieder bissig zu und zieht uns den nächsten Wellenberg hinauf. Der Wind frischt auf über 20kn auf. Jetzt wird mit Gaspedal und Bremse gesegelt. Kein Squall kann uns so erschüttern. Eine Person alleine refft den Booster. Die Schoten kurz fieren und den Knopf der elektrischen Rollanlage betätigen. Selbst bei 40kn kein Stress, nur Freude pur! Der Wind läßt nach? Kein Problem. Etwas ausrollen und Schoten wieder dicht. Und wenn sich abends die Sonne anschickte, vor unserem Bug im Westen zu versinken, dann spendete er uns Schatten und zauberte von hinten angestrahlt mit einem orangefarbenen Licht eine warme Atmosphäre zum Sundowner im Cockpit. Adieu, Du guter Freund! Du wirst uns fehlen!!
Eskimos haben über 20 Wörter für Schnee, je nach seiner Beschaffenheit. Segler sollten eigentlich einen ähnlichen Wortreichtum besitzen, um das Rauschen des Wassers am Schiffsrumpf zu beschreiben. Bei Windstille ist es ein Geräusch, das man fast nicht hört, es knistert nur ein wenig und ab und zu macht es platsch, wenn eine kleine, vorwitzige Welle die Bordwand trifft. Doch kaum setzt sich das Schiff in Bewegung beginnt ein zartes Murmeln, als würden sich die Fische etwas zuflüstern. Wir werden schneller und das Wasser beginnt zu gurgeln. Noch schneller und wir vernehmen ein Glucksen, wie von einem fröhlichen Säugling. Doch lange währt die trügerisch friedliche Ruhe nicht. Denn nun schwillt das Geräusch an zu einem Wirbeln, einem Sausen und Brausen. Nun geht es mit 8kn die Wellen hinunter, was dem Wasser nicht gefällt. Es beginnt zu grollen und klingt wie ferner, tiefer Donner. Die Faht wird immer toller und in das Grollen mischt sich nun ein Zischen, Köcheln und Schäumen als würde der Ozean kochen und gierige Zungen an der Bordwand lecken. Der Schiffsrumpf beginnt leicht wie im Fieber zu zittern - der Erlkönig läßt grüßen - als strecke Poseidon persönlich seine kalte nasse Hand nach unserem Schiff aus. Doch bevor er LA GITANA berühren kann, reffen wir ein wenig die Segel und berauschen uns weiter an der Symphonie des Rauschens!
Wir reisen wirklich First Class! Seit Galapagos haben wir sogar unsere eigenen Flugbegleiter. Allerdings bringen sie keine Tageszeitungen und Wirtschaftsmagazine und servieren auch keine Snacks oder Kaffee. Dafür unterhalten sie uns herrlich mit ihren Flugkünsten. Es sind Sturmvögel, die meisten von ihnen etwa halb so groß wie eine Taube, manche in Möwengröße. Sie zischen über die Wellenkämme und durch die Wellentäler mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Präzision. Sie fliegen so tief und tollkühn, dass ihre Flügelspitzen dabei das Wasser "aufzuritzen" scheinen. Daher auch ihr englischer Name Shearwater. Ihre Flügel gleichen starren Tragflächen und nur hin und wieder müssen sie mit ihnen schlagen. Der Rest des Fluges ist in großen Achten angelegt: Tief unten auf dem Wasser und in den Wellentäler segeln, hoch steigen, sich vom Wind erfassen und beschleunigen lassen und wieder durch die Wellentäler gleiten. Das ganze erinnert stark an die Flugtechnik der Powerstrokes beim Kite-Surfen.
Die Sturmvögel in der Region sind hoch pelagische Vögel, die nur zum Brüten an Land kommen. Ansonsten sind sie dermassen perfekt an das Leben auf dem offenen Meer angepaßt, dass sie sogar Salzwasser trinken können bzw. müssen. Spezielle Salzdrüsen machen es möglich, verhindern allerdings ein Überleben, wenn nur Süßwasser zur Verfügung steht. Außerdem sind ihre Beine verkümmert, so dass sie den Körper nicht mehr tragen können. An Land bewegen sie sich daher auf der Brust liegend und mit den Flügel schlagend. Aber wozu braucht man auch Beine, wenn man ohnehin die meiste Zeit auf dem Ozean ist und an Land eigentlich nur auf seinem Ei bzw. Küken sitzt? Für uns ist es wirklich ein Wunder, wie diese kleinen Vögel auf der Wüste des Ozeans überleben können und dabei noch weite Strecken zurück legen. Einige unter ihnen ziehen von ihren Brutstätten auf abgelegenen Inseln im Südpolarmeer bis in die Beringstrasse und wieder zurück!!
Ja, ja, wir bekommen wirklich etwas geboten. Neben den akrobatischen Flugbegleitern Sturmvögel, spielt sich hier noch eine weitere Flugshow ab. Und das ist eher eine Crash- und Stunt-Show à la Bigfoot... Sobald fliegende Fische vor dem Rumpf eines durch die See pflügenden Schiffes davonfliegen, weiß man, dass man in den Tropen angekommen ist. Sie sind nun schon eine lange Zeit unsere ständigen Begleiter und wir erfreuen uns an ihren "Flugkünsten".
Schwärmeweise schiessen sie hier aus dem Wasser, wenn wir uns nähern. Der genetische Plan sieht wohl einen klaren Ablauf eines gelungenen Fluges vor. Der Start geht aus dem Wasser heraus zunächst einmal gegen die Windrichtung, um ein wenig Höhe und Geschwindigkeit zu gewinnen. Gesteuert wird dabei mit dem Schwanz - oft noch im Wasser. Die stark vergrößerten Brustflossen dienen als Tragflächen. Sobald die vorgeschriebene Fluggeschwindigkeit und -höhe erreicht ist, wird entweder nach rechts oder links abgedreht und in ein Wellental gesegelt. Die Könner unter den fliegenden Fische legen während dieser Gleitphase, die sie wohl den Strumvöglen abgeschaut haben, Entfernungen von über 100m zurück.
Es gibt aber eben nicht nur Könner. Und das ist das Unterhaltsame an diesen Schuppentieren. Schon beim Start haben viele die ersten Schwierigkeiten. Ungenügender Speed führt nur zu einem kurzen Hüpfer aus dem Wasser - Flucht gescheitert. Die Nicht-Einhaltung der vorgeschriebenen Startrichtung führt nach nur wenigen Metern zum ziemlich abrupten Absturz, da der Auftrieb fehlt. Aber auch wenn der Start geglückt ist, besteht nach wie vor das Risiko eines Absturzes. Plötzlich tut sich vor dem armen Fisch eine Welle auf, um die er nicht mehr rumsteuern kann oder aber er verliert die Kontrolle über seine Flug und kracht in Sturzpilotenmanier aufs Wasser. Die allergrößten Spezialisten sind aber diejenigen, die unser Schiff glatt übersehen. Glücklich sind noch die, die nur klatschend gegen die Bordwand krachen. Außer einem Brummschädel sind sie wohl unversehrt. Pech haben hingegen jene, die eine tolle Flughöhe erreichen, dann aber das Deck von LA GITANA mit einem Flugzeugträger verwechseln und hier landen. Sie ereilt der Erstickungstod, falls wir sie nicht rechtzeitig bemerken. Und so macht Volker jeden Morgen seinen Decksrundgang, um die Reste der nächtlichen Flugshow zu beseitigen. Fünf Stück schaffen es bestimmt pro Nacht an Deck...
Wir konnten uns nicht vorstellen, wie in der Flaute schlagende Segel die Psyche belasten. Immer wieder haben wir in Seglerbüchern darüber gelesen. Viele belasten die schlagenden Segel so stark, dass sie die Segel lieber gleich ganz bergen und sich treiben lassen. So weit sind wir zwar noch nicht, aber viel fehlt nicht mehr. Aber warum ist das Schlagen so schlimm? Ganz einfach. Es hat eine solche Heftigkeit, dass bei jedem Schlag das gesamte Rigg erzittert und der Rumpf vibriert. Manchmal merken wir sogar, wie sich LA GITANA sprunghaft um ein paar Grad dreht. Die Belastungen auf Segel, Rigg und Rumpf sind so stark, dass wir wirklich um unsere Segel und unser Rigg bangen. Und das macht es so anstrengend. Aus Sorge, dass etwas bricht, achten wir hypersensibel auf die Segel und ziehen schon die Köpfe ein, wenn es nur so aussieht, als wollte wieder ein Segel schlagen. Permanenter Alarmzustand mit einem entsprechend erhöhten Stress ist die Folge. Wir kommen nicht zur Ruhe. Wer hätte denn gedacht, dass wir eher bei 10kn als bei 40kn Wind Angst um unser Rigg bekommen. Aber so ist es nunmal in dieser Jahreszeit: Es ist Mai und sie Segel schlagen (aus)...
"Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr..." So oder so ähnlich beginnt Star Trek. Und diese Sätze huschen uns derzeit immer wieder in den Köpfen rum, dürfen wir doch einen ganz besonderen Luxus geniessen. Raum, unendlicher Raum um uns herum. In alle Richtungen sieht man nur Horizont. 360° Rundblick auf den Horizont. Und überall stößt der Himmel direkt an den Horizont und schafft ein einfaches Weltbild: Unten Wasser, oben Himmel. Keine Bäume, Sträucher, Pflanzen, keine Hügel oder Berge und schon gar keine Häuser, Gebäude oder Stromleitungen begrenzen unser Blickfeld. So weit wir sehen, ist so weit man überhaupt sehen kann. Der Raum ist einfach da, ein Statement, groß, mächtig, alles vereinnahmend. Kein Architekt ist nötig, um mit Kunstgriffen die Illusion von Weite und Großzügigkeit zu erzeugen. Kein Feng Shui und Raumgestalter muß sich hier abmühen, den Raum zu gestalten. Er ist perfekt, er ist vollkommen, er ist symmetrisch und wir sind mittendrin. Wie sollen wir nach solch einer existentiellen Erfahrung jemals wieder in einem Appartement in der Stadt oder einer Doppelhaushälfte auf 360qm Grund wohnen?
Strom ist für uns sehr wichtig. Allerdings kommt bei uns der Strom nicht aus der Steckdose, sondern mal von vorne, mal von hinten und ist damit mal gut und mal böse. Strom von hinten ist wie Red Bull. Er verleiht uns Flügel! Scheinbar mühelos erreicht LA GITANA da Geschwindigkeiten von sieben Knoten und mehr. Der gute Strom kann auf einer Segelstrecke wie Galapagos-Marquesas gut und gerne einen Unterschied von drei bis vier Tagen ausmachen. Das sind immerhin 20%!! Der böse Strom von vorne macht einem dagegen das Leben zur Hölle. Ständig schaust Du gebannt erst auf den Speedometer und freust an toller Fahrt durchs Wasser. Der anschliessende kontrollierende Blick auf die Geschwindigkeitsanzeige des GPS sorgt dagegen für Frustration pur. Du kommst Dir vor wie Sysiphos. Einen Haufen Arbeit und Anstrengung und dann so ein mickriges Resultat. Es ist zum Haare raufen, wenn Dir ein halber bis ein Knoten Geschwindgkeit einfach so geklaut wird. Andersrum nimmt man's dagegen leichtherzig als naturgegebenes Geschenk einfach hin. Und zwar so lange bis einem der Strom urplötzlich auf der Nase steht... Dann ist man sich über den Unterschied zwischen Gut und Böse urplötzlich wieder sehr bewußt! Ohne Schwarz eben kein Weiß, ohne Böse kein Gut, ohne Ying kein Yang, ohne Teufel kein Gott und ohne Strom von vorne eben kein Strom von hinten.
In prächtigem Azurblau erstreckt sich der Himmel über uns. Man ahnt so richtig, dass hinter der blauen Kuppel noch etwas liegt, dass die Welt dort nicht zu Ende ist. Eine perfekte Leinwand für den Schöpfer, dem der blanke Himmel hier wohl zu nackt ist. Denn überall läßt sein feiner Pinsel kleine Wattebäusche entstehen. Süße, kleine Schäfchenwolken, aufgereiht wie auf einer Perlenschnur. Über das gesamte Himmelszelt sind sie verteilt und ihr strahlendes Weiß bildet einen ausdrucksstarken Kontrast zum Lichtblau der himmlischen Leinwand. Sie halten einen gebührenden Abstand voneinander, ziehen aber sauber geordnet in Reih und Glied wie eine Kompanie Soldaten über den Himmel. Jedes Wölkchen hat sein Plätzchen, der nur ihm gehört. Ob da wohl ein Schäferwolkenhund darüber wacht?
, wie ist das schön! LA GITANA läuft unter unserem Passatsegel wie auf Schienen gen Westen. Der Passat bläst konstant mit 18kn aus Südost und ein leichter Strom läßt uns förmlich Richtung Marquesas fliegen. Die Wellen haben stark nachgelassen und wir werden von einer langen Dünung sanft durchgeschaukelt. Wir räkeln uns auf unser Liegewiese auf der Achterkajüte in der Sonne und lesen, blinzeln in den Himmel und geniessen kühle Drinks. Wie lange brauchen wir noch bis zu den Marquesas? Nur noch eine Woche?? Ach komm, lass uns einfach weitersegeln, es ist doch so schön auf See zu sein. Volker! Volker! Aufstehen! Wachwechsel!!
Wer mal zwei oder mehr Wochen auf hoher See verbringt, hat sehr viel Muse, die Topographie der Meersoberfläche zu studieren. Sie ist unsere Landschaft, die uns umgibt. Und keine Bäume oder Sträucher beinträchtigen den Blick auf die vielgestaltige Erscheinungsformen der oberflächlichen Wassermoleküle. Faszinierend, zu welchen Formationen sie sich verbinden und schnell auch wieder trennen. Das Spektrum beginnt bei der sanft ondulierten Hügellandschaft der Südpazifischen Dünung in der Flaute. Irgendwann erscheinen dann feine Kräuselungen auf der Wasseroberfläche, die an akkurat angelegte Reisterassen in Asien erinnern. Die Hügellandschaft geht über in eine erodierte Berglandschaft, in der nur der eine oder andere kantige Zacken rausschaut. Mit wachsender Windstärke fangen die Berge an, alpinen Charakter zu entwickeln. Die Wände werden steiler und schroffer und auf den Spitzen breitet sich Gischt aus, die wie Schneehauben aussieht. Noch wirkt die Landschaft lieblich, doch in der nächsten Stufe reizen bereits Steilwände, die jeden Freikletterer faszinieren würden. Von den Bergspitzen weht der Schnee ins Tal und legt sich in langen Schneeverwehungen auf die Bergrücken. Die Gipfel sind nun schon so hoch, dass der Anstieg merklich beschwerlich wird und der Blick ins Tal einen schwindeln läßt. Hier bei ungefähr Windstärke sieben enden zum Glück unsere persönlichen Impressionen und alles was darüber hinaus kommt, ist Stoff für unruhig durchschlafene Nächte, in denen uns Alpträume von schweren Stürmen ins Schwitzen bringen. Mögen wir sie nie erleben, die Träume sind beeindruckend genug...
Volker hat es ganz schwer erwischt. Michaela geht es noch ein wenig besser, aber sie hört ihn auch - den Gesang der Sirenen. Seit Tagen schon hat Volker permament sülzige, elysische a capella Gesänge im Ohr. Meistens handelt es sich um Klassiker, die große Gefühle anregen. "Freude schöner Götterfunken" oder "O du fröhliche" sind die meistgespielten Stücke. Und das ganze wird sehr getragen vorgetragen, als ob ein Kirchenchor einer amerikanischen Fernsehkirche besonderes Pathos verbreiten möchte. Die Stimmen klingen androgyn, es könnten Tenöre aber auch Sopranisten und Altisten sein. Wahrscheinlich ist es ein gemischter Chor. Ich kann mir richtig vorstellen, wie die singenden Sirenen in wallenden weißen Gewänder dastehen und sich langsam wie in Trance zum Takt der Musik wiegen. Ich glaube, ich schnappe jetzt bald über. Hier ist weit und breit kein Mensch! Wahrscheinlich ist es doch bloß die mitlaufende Antriebswelle, die das singende Geräusch entwickelt, welches mein Hirn wiederum in Musikfetzen verwandelt. Kann ich denn nicht bitte auch bloß eine mitlaufende Antriebswelle hören als 24 Stunden am Tag die immer wieder gleichen Ausschnitte aus "Freude schöner Götterfunken" oder "O du fröhliche"?!? Das ist wirklich zum wahnsinnig werden! Pazifische Musikfolter...
Haben wir als Kinder nicht auch so gerne mit Wasserfarben rumgespielt? Immer neue Farbtöne aus den bestehenden Schälchen anmischen - und das natürlich am besten aus dem Doppeldeckerkasten. Um uns herum scheint auch jemand gerne mit Wasserfarben zu spielen, so abwechslungsreich ist das Meer um uns herum koloriert. Vielleicht fällt es uns heute besonders auf, da das Meer gerade eine so intensiv ultramarinblaue Färbung aufweist. Man hat das Gefühl, man schaue in einen blauen Brunnenschacht, so klar ist das Wasser. Die Sonne strahlt dazu die Wellen von hinten an, die kurz bevor sie sich brechen, in einem glasklaren Aquamarin durchscheinend werden. Als hätte jemand kleine Edelsteine auf der Wasseroberfläche verstreut. Auf den letzten 2.000 Seemeilen haben wir alle denkbaren Schattierungen von Blautönen im Meer erlebt. Das Spektrum reichte von einem zarten Azurblau bis zu leuchtendem Kobaltblau. Und einen Tag hatte der Wasserfarbenmischer ein wenig mehr Gelb ins Blau gemischt und das Meer leuchtete in einem moosgrünen Ton. In dieser Wasserfarbe tummelten sich hunderte Delphine und wir konnten ganz eindeutig einen algigen Geruch wahrnehmen. Allerdings gibt es auch die Tage, an denen die Wasserfarbe nur aus den Tönen Weiß und Schwarz komponiert wird. Grau und bleiern und völlig undurchsichtig präsentiert sich die Meeresoberfläche dann - als hätte sie jemand mit Alufolie bespannt. Das ist keine Wasserfarbe nach unserem Geschmack, denn üblicherweise kündigt sie Regen oder zumindest Wolken und Wind an. Dann lieber ein Blau - und wenn es nur ein einfaches Indigoblau ist...
Das ist es, wovon ich seit Jahren geträumt habe! Und jetzt bin ich hier und erlebe es tatsächlich selbst. Ich kann es gar nicht glauben. Wie oft habe ich mir vor meinem inneren Auge ausgemalt, wie es ist, in einer sanften Brise unter Segeln und bei Vollmond durch den Pazifik zu segeln. Ich muß mich heute Nacht mehrfach zwicken, um mich davon zu überzeugen, dass das heute kein Traum ist, sondern dass ich tatsächlich hier bin. Der Vollmond steht über LA GITANA und übergießt alles mit seinem flüssigen Silber. Er ist so hell, dass man ein Buch im Cockpit im Mondschein lesen kann. Die Luft ist lau und angenehm, Kleider sind nicht nötig, nur mit der Brise hapert's ein wenig. Egal! Wir haben Zeit! Ist doch egal, ob wir ein oder zwei Tage früher oder später ankommen. Dazu sind die Momente hier auf See einfach zu schön. Beim Abendessen erinnern wir uns gegenseitig nochmals, wie glücklich wir doch sind, dass wir das erleben dürfen, wie froh wir sind, dass wir die Kraft und den Mut hatten, unseren Traum in die Tat umzusetzen! Denn auch bei uns hält natürlich der Alltag an Bord Einzug und wir vergessen manchmal nur allzu leicht, dass wir hier etwas Besonderes erfahren. Das ist aber auch kein Wunder, denn alle Leute um uns herum machen ja das Gleiche wie wir. Hier im Pazifik mit einer Segelyacht rumzuschippern, das ist doch das normalste der Welt. Wir wollen aber auf keinen Fall vergessen, dass wir von diesen Momenten einmal träumten, denn Träume sind die Basis für große Herausforderungen. Danke lieber Mond, dass Du uns die Nacht wie erträumt erhellst und uns den Weg weist!
Na dann wollen wir mal über das Nichts schreiben. Keine Sorge, nicht über das existentielle Nichts, sondern darüber, dass mir heute absolut nichts zum Thema einfällt. Gerade sitze ich in der Hundewache von 01:30 bis 04:30 vor dem PC, bin hundemüde und leergewrungen und völlig impressionslos und die Segel schlagen auch noch gerade. Wenn ihr mich jetzt trotz frischem Kaffee in der Hand mit den tiefen müden Ringen unter den Augen gähnen sähet, hättet ihr sicher Mitleid mit der Kreatur, die an ihrer Existenz leidet. Das macht es doch nichts, dass der arme Kerl mal nichts schreibt, oder? Da müssen wir uns schon über nichts Gedanken machen. Und dann ist das Logbuch auch in nullkommanichts gelesen. Nichtsdestotrotz, morgen geht's wieder weiter...
So langsam treibt die Abgeschiedenheit auf See doch recht merkwürdige Blüten. Mangels äußerer Reize wie Fernsehen, Radio, Zeitung, Bars oder Discos scheint sich der Geist ganz auf seine eigene Phantasie ein- und umzustellen. Dinge, die einen im Unbewußten beschäftigen, bekommen eine ganz neue, intensive Relevanz und vor allem Realität. Zum Teil fällt es schwer Phantasie und Wirklichkeit auseinander zu halten.
Ich bin immer noch in das Buch über die letzte und so tragisch verlaufende Antarktis-Expedition von Scott vertieft. Über 600 Seiten quälen sich Menschen unter widrigsten Bedingungen durch eine Eiswüste. Das einzig konstante sind die ewigen Schneestürme, die einem die Luft zum Atmen nehmen. Und genau daran hängt sich heute meine Phantasie auf. Als ich während der Squalls im Ölzeug im Cockpit sitze, versetzt mich meine Phantasie dermassen realistisch um 75 Längengrade nach Süden in die Antarktis, dass mir richtig kalt wird. Der Wind zerrt an meinen Haaren und das Ölzeug fühlt sich an wie Expeditionskleidung. Ich bin mir manchmal nicht mehr sicher, ob ich gerade einen tropischen Squall oder einen antarktischen Blizzard erlebe. Ich lebe und leide mit den Expeditionsteilnehmern, kann ihre Todesangst und ihr Leiden an der menschenfeindlichen Umwelt mit jeder Nervenfaser spüren. Mich schüttelt es, so sehr geht mir das Buch an die Nieren, so real läßt mich meine Phantasie das gerade Gelesene erleben. Nie zuvor ist mir ein Buch so unter die Haut gegangen. Wie gesagt, ich bin davon überzeugt, dass die Isolation hier draussen auf See sehr dazu beiträgt, mehr Raum in seinem Kopf für Phantasie zu gewinnen. Und wenn dann noch die entsprechende Stimulierung der Nerven hinzukommt, entstehen ganz mächtige Bilder und Impressionen!
Es ist schon merkwürdig. Nicht nur von Menschen kann einem der Abschied schwer fallen. Auch eine Umgebung kann einem so ans Herz wachsen, dass sich Abschiedsschmerz einstellt. Drei Wochen waren Wasser, Wind, Wolken und Wellen unsere Begleiter. Manchmal gingen sie uns gehörig auf die Nerven, oftmals sassen wir aber einfach mit offenem Mund und offenen Augen da und erlagen ganz und gar der Faszination des Pazifik, des größten Ozeans der Erde. Auf dem offenen Wasser bekommt man ganz klar seinen Platz im Universum zugewiesen und spürt ganz deutlich die Nichtigkeit des eigenen Seins. Man sucht nach Halt, nach Orientierung, nach Bedeutung und nach Sinn und hat nur sich selbst als Referenz. Die Gedanken laufen frei und werden durch nichts eingeschränkt. Der Blick aufs Unendliche ist unverstellt, auch wenn unser Horizont nur 15sm entfernt ist. Ein wirklich meditatives Erlebnis. Dieses anregende, aufregende, unter die Haut gehende der langen Segelstrecke auf dem Pazifik werden wir vermissen. Aber auch die ungestörte Zeit für- und miteinander, die wir in dieser Form nur auf den Ozeanen dieser Welt erleben können, macht uns den Abschied nicht leicht. Dennoch müssen wir nun "Auf Wiedersehen Pazifik" sagen. Denn egal wie unsere weitere Route nun ausschauen wird, werden wir noch einige Zeit auf diesem Ozean segeln. Und dann sehen wir uns hoffentlich als Freunde wieder...
Abgesehen von einer ernsthaften Erkrankung ist Seekrankheit wohl das Schlimmste, was einem passieren kann. Keine Ahnung, ob Mediziner die Seekrankheit wirklich als Krankheit einstufen. Meiner Meinung nach ist aber jeder, der an Seekrankheit leidet, ein Fall für die Pathologie. Schlimmer geht's nimmer!! Das flaue Gefühl im Magen hat nichts mit Schmetterlingen zu tun. Eher schon mit Raupen oder Maden, die Purzelbäume schlagen, was sich anfühlt, als hätte man für die anstehende Klausur nicht ausreichend gebüffelt. Der ganze Körper ist schlaff und matt als hätte man tagelang ohne Wasser in der glühendheißen Wüstensonne gelegen. Selbst einen Arm zu heben, bereitet Schwierigkeiten und erfordert höchste Anstrengung. Über den Kopf hat jemand einen Sack gestülpt, der mit Watte ausgestopft ist. Alle Wahrnehmungen sind gedämpft und die Augen überaus lichtempfindlich. Der Kopf schmerzt, als hätte man gestern so richtig einen über den Durst getrunken. Die Konzentration ist dahin, die Aufmerksamkeit für Schiff, Segel und Mitsegler sowieso. Ich will mich nur noch hinlegen und schlafen, schlafen! Nichts mehr wissen von dem elendigen Geschaukele, festen Boden unter den Füßen oder zumindest einen ruhigen Ankerplatz. Und vor allem will ich jetzt kein Logbuch mehr schreiben. Ich muß dringend hoch an die frische Luft!!! Oh je, ist mir schlecht!!!!
Was ist es, das Menschen - oder zumindest uns - so an Delphinen fasziniert. Jedesmal wenn sie um unser Schiff rum auftauchen, steigt das Stimmungsbarometer rapide an. Wir fangen sofort an zu lächeln und schütten eine Portion Endorphine aus. Sie scheinen uns irgendwie nah zu sein; verwandschaftlich oder geistig meine ich. Liegt es daran, dass sie Säuger sind? Oder ist es ihre Körpergröße, die dem Menschen recht nahe kommt? Freuen wir uns zu unrecht über ihre scheinbare Neugier, wenn sie auf der Seite schwimmend zu uns hochäugen? Oder ist es das geheimnisvolle und leicht spöttische Lächeln, das jede Delphinschnauze zu umgeben scheint. Mann, seid ihr langsam scheinen sie uns zuzuwinkern. Vielleicht sind wir aber auch nur durch Flipper geprägt und die Generation nach uns hat überhaupt nicht mehr dieses vermenschlichte Gefühl gegenüber Delphinen. Sicher lieben wir aber ihre Cleverness, wie sie energiesparend auf unserer Bugwelle surfen, und ihre Verspieltheit, wenn sie unter und über Wasser Kapriolen vollführen, Schrauben machen und Saltos drehen. Und jedesmal wieder heißt es daher "Alle Mann an Deck - Delphiiiiinnneeeee!!!"
Wirklich erstaunlich, welche Geräusche und Klänge ein segelndes Segelschiff entwickeln kann. Da knarzt und quietscht, heult und saust, wummert und dröhnt, scheppert und klappert, fiebt und jault, krächzt, ächzt und stöhnt, schlägt und vibriert es in einer Tour und von überall her. Geschundenes Material in THX und Dolby Surround. Das ganze verdichtet sich zu einer eindrucksvollen Geräuschkulisse, die nur dem Takt der Wellen und der Windböen gehorcht. Eine Viertelnote nach dem Wellenberg knarrt die Großschot im Block, dann kommen zwei Sechzehntel, die von der Olivenölflasche im Regal geschlagen werden, die Bö fällt ein und der Besan heult sanft zwei Takte lang sanft auf. Eine einzige Symphonie! Und dass uns nicht langweilig wird, mischt der große Komponist immer neue Klangvariationen und Rhythmen bei. Ah, dieser Akkord der klappernden Töpfe war doch in der letzen Aufführung noch nicht da! Und das GRRZZHHH der Fockschot entwickelt sich langsam zum Leitmotiv. Wenn wir nur nicht hinter jedem Geräusch etwas Böses, das kaputt zu gehen droht, vermuten würden...