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LOGBUCH

Donnerstag 05. Januar 2006

Die Vernunft siegt

Unser Standort: 640 sm südsüdwestlich von Gran Canaria - Tag 5 auf See/ noch 150 sm (bis zu den Kapverden)

Auf der Homepage auch die beiden Links mit Positionsreportern beachten

 

Die Nacht war der absolute Alptraum. Der Wind frischte wieder mordsmäßig auf und da wir wegen unseres Wellenproblems so wenig Fahrt wie möglich machen wollten, um weiteren Schaden zu verhindern, liefen wir unter stark gerefftem Passatsegel. Das hatte dann leider zur Folge, dass LA GITANA nicht mehr weich und geschmeidig vor den Wellen hersurfte, sondern durch die von achtern heranrauschenden Wellen ständig aus dem Kurs gedrückt wurde. Als Resultat ergibt das ein permanentes Rollen der übelsten Sorte. Wir wurden fast aus dem Bett katapultiert.

 

Jetzt reicht's. So können wir keinesfalls über den Atlantik segeln. Wir beschliessen, vernünftig zu sein, heute abzudrehen und Kurs auf die Insel Sal auf den Kapverden abzusetzen. Zumal heute der Passat mit ordentlichen 25-30 Kn pfeifft und wir trotz "Bremse" immer um die 7 Kn Fahrt machen. Auf Sal gibt es einen annehmbaren Ankerplatz, wo wir uns das Problem nochmal in Ruhe unter Wasser anschauen können. Außerdem gibt es dort einen Trans-Ocean-Stützpunktleiter, der mehr als hilfreich und zuvorkommend sein soll. Je nach Ergebnis der Analyse können wir dann entweder eine "provisorische" Reparatur versuchen oder aber uns wenigstens eine stabile Wellenbremse aus Inox anfertigen lassen. Metallverarbeitung scheint nämlich auf den Kapverden ganz gut zu funktionieren.

 

Und wer weiß, wofür der Stopp auf den Kapverden noch gut ist. Vielleicht will uns damit ja jemand davor bewahren, in engeren Kontakt zu Tropensturm Zeta zu treten, der nach wie vor in der Nähe der Passatroute mitten auf dem Atlantik tobt. Oder wir werden ein paar wunderbare neue Erfahrungen und Bekanntschaften auf den Kapverden machen. Wir wußten ja, dass man beim Segeln nicht seinen Kopf gegen Wind, Welle und Technik durchsetzen kann. Deshalb ist es sicher gut, dass wir das auch nicht versuchen. Und ein wenig suchen wir ja auch das Abenteuer, sonst wären wir ja nicht zu einer Weltumsegelung aufgebrochen. Well, here it comes your way...

 

Nach Sonnenaufgang also wieder Action: Das Passatsegel inklusive Spibaum muß geborgen werden. Inzwischen haben wir damit schon langsam Routine. Dennoch wird Volker pitschnass, als er auf dem Vordeck arbeitet. Danach geht es Kurs Süd Richtung Sal. Um weiterhin möglichst wenig Fahrt zu machen, haben wir als Besegelung nur die kleine (Sturm-) Fock und das doppelt gereffte Groß. Wir dachten zunächst, das wäre zu wenig. Aber weit gefehlt. Denn statt mit den angekündigten 20kn pfeift der Nordostpassat mit bis zu 35kn über uns hinweg. Und in jedem Handbuch steht: Der Passat erreicht nie mehr als Windstärke 6. Daran halten sich wahrscheinlich die Meteorologen bei ihren Vorhersagen. Nur der Passat selbst weiß nichts davon. Dazu kommt eine hier übliche Kreuzsee. Drei Wellensysteme überlagern sich derzeit und bringen uns eine hübsche Kabbelsee mit bis zu 5m hohen Wellen. LA GITANA liegt mit 30° Lage auf der Backe und wird chaotisch durch die Kreuzseen hin- und hergeworfen.

 

Bei solchen Bedingungen ist es wirklich schwierig, irgend etwas an Bord zu machen, da man ständig aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Aber wenigstens kriegen wir ein wenig Farbe - und zwar Blaue. Ständig schlagen wir uns irgendwo an, springt uns plötzlich ein Türpfosten an oder wird uns der Boden unter den Füßen weggezogen. Vor allem Michaela ist von blauen Flecken übersät. Da wir nicht wissen, ob dieser von uns entdeckte "Hautauschlag" bereits einen Namen hat, taufen wir ihn kurzerhand "Passat-Ekzem".

 

Als wir in den nachmittäglichen Funkrunden unsere Entscheidung, auf die Kapverden abzulaufen, "gestehen, kommt bei uns ganz schön Frust auf. Alle unsere Funkfreunde ziehen bei dem wirklich kräftigen Passat rasant ihre Bahn gen Westen, während wir alleine hier bleiben müssen. Schade eigentlich. Aber wir verabreden schon, wo und wie wir uns in der Karibik wiedertreffen. Die Nacht beschert uns dann endlich einmal einen nicht von dichten Wolken verdeckten, fantastischen Sternenhimmel. Leider wird der ausgiebige Genuss dieses Anblicks regelmäßig mit Salzwasserduschen nicht unter dreißig Litern bestraft.

 

Ach ja - hatten wir denn schon erwähnt, dass nun auch noch unsere Navigations-Anlage spinnt? Der kleine Computer, der uns mit für Segler so interessanten Informationen wie Wassertiefe, Windrichtung und -stärke, Fahrt durchs Wasser etc. versorgt, funktioniert momentan nur noch erratisch. Wenn er Lust hat, zeigt er uns mal ein paar Informationen. Wenn nicht, zeigt er uns eine Wassertemperatur von 228°C. Und wir sind auch so langsam am Siedepunkt!!

 

+++ RUBRIK: Was macht man so auf dem Atlantik? +++

+++ HEUTE: Akrobat schööön oder Essen kochen als Geschicklichkeitsübung

 

Stellt Euch vor, ihr steht auf einer lackierten schiefen Ebene, die im Durchschnitt eine Neigung von 15 bis 20 Grad (Grad, nicht Prozent Gefälle!!) hat und mit einem dünnen Film aus Salzwasser bedeckt ist. Auf diese schiefe Ebene hat jemand eine kleine Küchenzeile montiert. Nun fängt die schiefe Ebene langsam an sich zu bewegen. Sie neigt sich gleichmäßig auf 25 Grad. Dann plötzlich ein Schwung und sie steht auf 35 Grad, um im nächsten Moment auf 10 Grad Neigung in die andere Richtung zu kippen. Dann wieder einigermäßigen gleichmäßig auf 20° in die andere Richtung. Dazu kommt dann noch eine Bewegung um die Querachse, die derjenigen auf einem bockenden Rodeobullen entspricht. Und jetzt fangt ihr an zu jonglieren. Mit Zwiebeln, Kartoffeln, Lauch, Blumenkohl, Wiener Würstchen. Dabei haltet ihr in der einen Hand ein scharfes Messer, mit dem ihr das Gemüse schälen und klein würfeln wollt. Hinter euch bringt jemand auf der schiefen Ebene einen Topf mit 5l Wasser zum Kochen. Eine Hand nehmt Ihr, um das Gemüse festzuhalten, das ihr schälen wollt. Die andere hält derweil das Gemüse fest, das von der Arbeitsplatte auf den Boden zu fallen droht (Warum ist eigentlich fast alles Gemüse rund?? Quader wären wesentlich praktischer!!). Die dritte Hand hält das Messer und mit der vierten Hand haltet Ihr Euch irgendwo fest, um nicht durch die Küchenzeile geschleudert zu werden. Die fünfte Hand schnellt immer wieder zum Kochtopf, da ihr das Gefühl habt, der Topf mit kochendem Wasser kommt euch gleich entgegengeflogen.

 

Für einen Segler ist das sicherlich nichts besonderes. Für uns schon! Mit der Nummer könnten wir glatt im Chinesischen Staatszirkus auftreten. Und mit der Gemüsesuppe, die das Ergebnis unserer Bemühungen war, könnten wir uns vielleicht gleich in einer Kochschule für Fortgeschrittene bewerben. Lecker!

 

+++ RUBRIK ENDE +++

 

Bilder des Tages:

- Impressionen des Wellengebirges um uns herum (auf besonderen Wunsch von Jörg)

- Volker eingekeilt am Navitisch bei einer der zahllosen täglichen Funkrunden