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Sonntag 30. März 2014

Ein Lavalava für jede Gelegenheit

Unser Standort: Vor Anker in der Lagune des Lamotrek Atolls, Yap State, Mikronesien

 

Selena bringt es nicht übers Herz, Francis Lavalava für 30 USD nicht zu kaufen, auch wenn sie gestern bereits einen geschenkt bekommen hatte. Entsprechend gekleidet erscheint sie bei Linda mit ihrem neuen Stück. Wir frotzeln, welchen teor sie wohl am Abend anzieht und wann wir wohl ihre Lavalava-Fashionshow sehen können. Da kommt Linda mit einem „kar“ von Merian, ihrer Cousine, und meint, die Fashionshow könnten wir sofort starten, denn Merian möchte Michaela & Selena ebenfalls einen Lavalava schenken, damit Michaela auch einen zum Wechseln hat und Selena einen, der ihr passt. Wir können nicht ablehnen, das Haus wird schon wieder „abgesperrt“ und wir müssen uns umziehen. Gleichzeitig bekommen wir unsere zweite Lektion in Sachen Lavalava, denn das Kleidungsstück hat nicht nur viele Namen, es darf nur in einer bestimmten Form gefaltet und getragen werden. Linda zeigt uns noch einmal, wie wir uns damit hinsetzen, welche Teile die Oberschenkel verstecken müssen und dass wir unter keinen Umständen es einem Mann erlauben dürfen, dass er sieht, was unter dem teor ist. Hier ist sie wieder, die Südsee, wie sie schon Cook & Co. kennengelernt haben und wie sie die katholische Kirche hier nicht verändern konnte. Nackter Busen – kein Problem, Hüfte & Oberschenkel dagegen sind ein absolutes Tabu.

 

Als weiße Frauen und Besucher dürfen wir zu unseren Männern, die beim Tuba-Trinken am „Männerhaus“ bei den Männern von Lamotrekt sitzen. Und alle Männer, ohne Ausnahme, bemerken sofort, dass wir neue teor tragen und sind begeistert, dass wir Inselkleidung tragen. Naja, nicht ganz, denn oben haben wir uns den Lamotrek-Frauen nicht angepasst. Dafür geht die Fashionshow bei Linda auch am nächsten Tag weiter, als Selena Merian’s lila flagbaij trägt und ihre Schwester Edwina meint, dass Michaela den gleichen flagbaij haben sollte. Dann würden wir wie Schwestern aussehen, meinten die Mädels einstimmig. Und noch einmal darf Michaela sich umziehen und bekommt eine weitere Lektion, nämlich wie man die Lavalavas zusammenfaltet. Nichts geht einfach irgendwie, alles hat seine bestimmte Art, wie es gemacht werden muss. Selbst das Zusammenlegen der Lavalavas! Aber Michaela ist eine eifrige Schülerin und Linda hat viel Spaß dabei, ihr zu erklären, woran man die verschiedenen Lavalavas erkennt, wie die Muster angeordnet sind, welche Farben verwendet werden dürfen und wo der Unterschied bei den traditionellen „nermal“ für die Männer ist. Selbst einen, aus den traditionellen Materialien hergestellten „baij“ bekommt Michaela zu sehen. Die aus Hibiskus- und Bananenblattfasern hergestellten Lavalavas, wie sie viele Generationen vorher gemacht haben, werden heute hauptsächlich zum Verkauf gewoben, denn es kostet 3mal so viel Zeit, sie herzustellen. Für einen heute üblichen teor aus Polyesterfaden benötigt Linda etwa 3 Tage am Webstuhl, wenn sie ansonsten nichts anderes zu tun hat.

 

Damit wir das Südseeklischee an Bord voll ausleben können, braucht Volker ebenfalls einen traditionellen teor – entweder einen „mangau“ oder einen „nermal“, wobei Michaela auf der Suche nach einem traditionellen „nermal“ war. Ein „nermal“ ist immer schwarz/weiss oder blau/weiss gestreift und ist auch sonst durch ein bestimmtes Muster am Rand klar als „Männer teor“ gekennzeichnet – damit es auf keinen Fall zu Verwechslungen kommt. Auch hier herrscht eine strikte Geschlechtertrennung. Auch in den Preisen für die Lavalava. Ein „nermal“ ist mit 25 USD der günstigste teor, ein einfacher „kar“ kostet 30 USD und ein moderner baij oder flagbaij kostet hier auf Lamotrek 35 USD. Für einen traditioneller „baij“ aus Hibiskusfasern muss man schon mit 60-100 USD rechnen, je nach Aufwand. Im Handicraftshop in Yap, so haben wir gehört, muss man für jeden teor deutlich tiefer in die Tasche greifen. Da sagen wir noch einmal ganz herzlichen Dank an Linda & ihre beiden Cousinen, die immer wieder betonten, dass sie den teor nicht traden wollten, sondern dass er ein Geschenk sei. Don’t worry Mädels, auch unsere gut gefüllte Tasche ist ein Geschenk! Bei Lindas Tante Fabiana wird Michaela dann fündig und kann einen schönen blau/weiss-gestreiften nermal für Volker traden, den er gleich anprobieren musste, ohne zu wissen, dass es sein eigener ist. Die Shorts durfte/mußte er anbehalten, da zu viele Frauen anwesend waren – zum Leidwesen von Selena, die sicher war, dass Volker das sowieso nie tun würde. Wer Volker kennt, weiß, dass sie da falsch getippt hatte...

 

Jetzt brauchen wir „nur“ noch eine traditionelle Kokosfaser-Schnur, die die Männer hier am Nachmittag während ihrer Faluba-Runde drehen, dann können wir uns noch einen echten Lamotrek-Gürtel für die Lavalava machen, dann ist der Island-Look fertig. Doch der muss wohl warten, denn die Mädels sind „out of beads“. Macht nichts, dann nehmen wir weiterhin das getrocknete Pandanusblatt als „local“ Gürtel. Lindas älteste Schwester hatte in der Zwischenzeit für die wunderschönen Blumenkränze gesorgt, den hier fast täglich irgendjemand auf dem Kopf oder um den Hals als Schmuck trägt. Einige junge Mädels schmücken sich dazu noch mit roter Farbe im Gesicht, denn das Kurkumapulver wird nur zu feierlichen Anlässen benutzt, wie z.B. wenn ein junges Mädchen zum ersten Mal ihre Periode bekommt. Erst dann darf sie übrigens einen „kar, baij oder flagbaij“ tragen und ist in der Welt der Frauen aufgenommen.

 

Wir haben auf jeden Fall nun genügend Lavalava an Bord und sind für jede Insel und jede Gelegenheit gut ausgestattet!

 

Bild des Tages:

Island-Girls: Michaela & Selena im typischen Lamotrek-flagbaij mit jeweils einem der hier üblichen Blumenkränze, die nicht nur Besucher sind, sondern hier häufig von den Lamotrekesen getragen werden. Jetzt seid ihr wie Schwestern, war Edwinas Kommentar, als sie Michaela den Lavalava brachte.