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Sonntag 19. September 2010
Unser Standort: Vor Anker vor Oinafa, Rotuma, Fiji
Flexibilität ist gefragt hier in Rotuma. Permament ändern sich Pläne, ständig kommen neue Einladungen spontan hinzu. Im Prinzip könnten wir den ganzen Tag bei irgendeiner der Familien zu Hause sitzen. Doch die Krönung kam heute nach dem Kirchgang.
Schon während des Gottesdienstes wurden wir auf Englisch begrüßt und gesegnet, schließlich kommen hier nicht so viele Palagis vorbei. Und nach dem Gottesdienst fängt uns sofort Roy, der Häuptling des Dorfes ab. Auf keinen Fall könnten wir jetzt so einfach gehen. Nach dem Gottesdienst versammle sich die Gemeinde immer zu einem gemeinsamen Mittagessen. Und dazu müssten wir natürlich hinzukommen. "I insist, you have to come", macht er deutlich, dass wir keine Wahl haben. Etwas gequält schauen wir Filipe und er uns an. Eigentlich sollten wir jetzt zu ihm nach Hause zum Mittagessen. Moto war schon seit vier Uhr morgens auf den Beinen, um den Lovo vorzubereiten.
Doch Ober sticht Unter. Wenn der Häuptling sagt, dass wir zum Essen bleiben müssen, dann kann Filipe nicht widersprechen. Fünf Minuten später sitzen wir in der Gemeindehalle, wo schon das Essen aufgetragen ist. Zuerst bedient sich die Pfarrerin, dann der Häuptling und wir. Es wird ein sehr unterhaltsames Mittagessen. Roy lebte lange Jahre in Neuseeland und kehrte erst nach seiner Pensionierung nach Rotuma zurück. "This is paradise", meint er mit einem entrückten Lächeln und es fällt uns schwer, ihm zu widersprechen. Zu fruchtbar und friedlich ist dieses Eiland weitab von allem.
Neben uns sitzt Polo, inzwischen ja auch schon ein alter Bekannter, und gibt Seemannsgeschichten zum besten. Er war Offizier und hat zwei Frachter in Hurricans verloren, teilt er uns vergnügt mit. Interessant. Im Westen würde wohl jeder über solche Missgeschicke sanft das Tuch des Schweigens ausbreiten. Hier in Rotuma dienen derlei Geschichten der allgemeinen Belustigung. Und so ganz nebenbei erfahren wir noch, dass die Frau des Häuptlings einen deutschen Großvater hatte. Die Händler von Godeffroy und Konsorten haben hier einiges an Ahnenlinien hinterlassen.
Schließlich können wir uns von der Gemeinde verabschieden und ziehen in Filipes Haus um, wo Moto schon ungeduldig mit dem Essen auf uns wartet. Hier ist der Umgang zwangloser, die beiden haben ihre traditionelle Kultur weitgehend über Bord geworfen. Wir dürfen sogar mithelfen, das Buffet zu decken und jeder bedient sich ohne festgelegte Reihenfolge.
Filipe und Moto sind zwei wirklich interessante Typen, sehr gebildet und außergewöhnlich gut informiert für jemanden, der seit 20 Jahren in einem Dorf ohne Stromversorgung lebt. Mich haut es fast rückwärts vom Stuhl als mir Filipe erzählt, dass in Deutschland doch gerade ein gewisser Wulff zum Präsidenten gewählt wurde. Keine Ahnung, woher er das weiß. Und meine diesbezügliche Nachfrage umschifft er elegant.
Filipe gehört jedenfalls zu einer der Top Familien Fijis. Sein Vater war für lange Jahre Chairman der Bank of Fiji und Filipe kennt aus seiner Zeit in Suva praktisch jeden Promi. Hier in Rotuma hat die Familie ein riesiges zweistöckiges Haus, das weitgehend mit Palagi-Möbeln eingerichtet ist. Zwar ist das Ganze etwas renovierungsbedürftig, aber immer noch sehr beeindruckend. Und auf dem Stuhl, auf dem ich sitze, saß auch schon König George von Tonga. Ein Hauch Geschichte weht uns an...
Bild des Tages:
Zum Lunch im phänomenalen Haus von Filipe und Moto. Zwar nagte der Zahn der Zeit schon ein wenig an dem zweistöckigen Gebäude. Dennoch könnte das Ganze problemlos irgendwo in Europa stehen.