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Dienstag 17. Januar 2006

Gourmet-Schiff LA GITANA

Unser Standort: 750sm westlich der Kapverden - Tag 5 auf See/ noch 1.430sm bis St. Martin

Auf der Homepage auch die beiden Links mit Positionsreportern beachten

 

Wir wollen ja wirklich nicht nörgeln. Aber irgendwie nervt es jetzt schon so langsam. Nach der temporären Besserung des Seegangs gestern ist es jetzt wieder schlimmer geworden. Wir haben wieder eine stärkere Kreuzsee, die LA GITANA von Backbord nach Steuerbord und wieder zurück wirft und einen acht-achtel bedeckten Himmel, aus dem es regelmäßig runterregnet. Tagsüber keine Sonne, nachts keine Sterne und kein Mond. Mit Passatsegeln wie es im Buche steht, hat das hier überhaupt nichts zu tun. Aber wenigstens sind wir bei dem starken Wind schnell. Wir haben zwar nicht ganz das erwartete Etmal von 180sm geschafft. 175sm sind aber auch nicht schlecht, oder?

 

Um wenigstens einigermassen bei Laune zu bleiben, halten wir uns an eine Empfehlung fast aller Bücher zur Seemannschaft: Wenn das Wetter oder die Bedingungen schlecht sind, in jedem Fall für gute und regelmäßige Ernährung der Crew sorgen, das stärkt die Moral. Und so organisiert sich unser Tagesablauf im wesentlichen um die Mahlzeiten, die Michaela fast im Alleingang zubereitet. Morgens gibt es immer Müsli mit (den noch vorhandenen) frischen Früchten. Mittags einen kleinen Snack oder Salat. Nachmittags selbst gebackenen Kuchen. Und am Abend dann die Hauptmahlzeit. Da stehen dann z.B. Linsen und Spätzle, Kartoffel-Lauch-Gratin, Coq-au-Vin etc. auf der Speisekarte.

 

Und da zur Funkrunde mit der Morgi (denen wir seit Start von den Kapverden fast 200sm abgenommen haben; nur mal so nebenbei erwähnt) inzwischen auch Menu-Sharing gehört, d.h. der Erfahrungsaustausch über den täglichen Speiseplan, haben wir nun den Spitznamen Gourmet-Schiff abbekommen. Anscheinend sitzen die drei von der Morgi immer mit großen Ohren und noch größerer Gier vor dem Funkgerät und staunen, was Michaela trotz der Bedingungen, so alles zusammenköchelt. Aber wer uns besser kennt, hätte sich das ja auch denken können, oder?

 

Ansonsten hat sich inzwischen eine klare Routine herausgebildet und wir kommen zu vielen Dingen, die wir die letzten Monate vernachlässigt haben. Das ist das wirklich fantastische an der Atlantiküberquerung. Sehr viel Zeit für einen selbst und zum Abspannen. Für hyperaktive Zeitgenossen ist diese splendid isolation allerdings nicht zu empfehlen. Wir geniessen jedoch (bis auf die Schaukelei) die erzwungene Ruhe.

 

+++ RUBRIK: Was macht man so auf dem Atlantik? +++

+++ HEUTE: Kreuzseen ertragen

 

Es ist schon so ein Kreuz mit den Kreuzseen. Da brauchst du schon eine Menge Contenance, um das auszuhalten. Denn das ganze ist wie chinesische Wasserfolter. Es hört und hört einfach nicht auf und zieht Dir mit dieser gnadenlosen ruhigen, aber nicht vorhersagbaren Regelmäßigkeit den letzten Nerv.

 

Wie soll man das ganze beschreiben? Fangen wir mal mit dem "Normalzustand" an. LA GITANA liegt leicht auf dem Backbordbug auf Vorwindkurs. Die Windsee kommt von hinten angerollt und hebt erst langsam das Heck, dann das ganze Schiff, um anschließend das Heck und dann das ganze Schiff wieder sanft abzusetzen. Ergebnis ist eine leichte, angenehme Bewegung um die Schiffsquerachse. Herrlich! Bis die Kreuzsee kommt.

 

Denn nun läuft eine alte Dünung von irgendeinem Sch...Tiefdruck-Gebiet irgendwo im nördlichen Atlantik heran. Aus Nordrichtung, d.h. ungefähr im Winkel von 60° zur Windsee und genau rechtwinklig zu unserer Schiffslängsachse. Diese Dünung ist gar nicht hoch. Man sieht sie kaum. Die erste Welle tippt LA GITANA sanft an und läßt sie 10° nach Backbord krängen und dann, nachdem sie unter uns durchgelaufen ist, 10° nach Steuerbord. Dann kommt die nächste Welle. Da LA GITANA inzwischen ein wenig Schwung hat, legt uns die Welle 15 bis 20° nach Backbord, dann nach Steuerbord. Und dann kommt die dritte Welle. Sie steilt sich gemeinsam mit der Windsee richtig auf! LA GITANA kriegt eine volle Breitseite und legt sich 35° auf beide Seiten!! Alles was nicht niet- und nagelfest ist, einschließlich der Crew, schießt nun in einer ballistischen Flugbahn in hohem Bogen durchs Schiff. Dann ist kurz Ruhe, bevor es wieder von vorne losgeht.

 

Der Zyklus wiederholt sich so alle dreißig Sekunden. Also zweimal in der Minute! Einhundertzwanzig Mal in der Stunde!! 2.880 Mal am Tag!!! 20.160 Mal seit wir von den Kapverden gestartet sind!!!! AAARRRRGGGGG!!!!!!

 

Zwischendurch dachten wir ja schon, dass wir zu doof zum Segeln sind. Aber da Alfred von der Verena und auch die Crew der Morgi vom gleichen Schicksal berichten, liegt es wohl doch nicht nur an uns. Aber auch diese Prüfung werden wir irgendwie überleben.

 

+++ RUBRIK ENDE +++

 

Bild des Tages:

Volker bastelt neue Köder für die Schleppangeln. Nachdem die Angeln aufgrund des relativ starken Windes die letzten Tage nicht draussen waren, will Volker in den nächsten Tagen den Speiseplan nun doch wieder um Frischfisch anreichern. Und da an die Fisch-Imitationen bisher nur die Goldmakrelen angebissen haben, werden zur Thunfisch-Jagd nun eigens Tintenfisch-Köder entwickelt. Schau mer mal, ob das was bringt...