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LOGBUCH

Montag 30. März 2015

Meeresrauschen

Unser Standort: Wie eine Spinne im Netz zwischen zwei Rock Islands vertaeut, Pulau Uranie, Raja Ampat, Indonesien

 

Es daemmert gerade als wir mal wieder aus den Kojen krabbeln. Das wird ja langsam zur (ungeliebten) Methode. Aber was bleibt uns anderes uebrig, als frueh loszuschippern? Am Morgen sind die Bedingungen immer am ruhigsten. Wenn schon nicht genug Wind zum Segeln, dann bitteschoen moeglichst Windstille. Und eine Ankunft um die Mittagszeit gibt uns genuegend Zeit, LA GITANA irgendwie festzumachen oder zu verankern - oder eben eine alternative Insel oder Anchorage anzulaufen.

 

Der Morgendunst haengt noch schwer und bleiern ueber den Gipfeln Waigeos als wir LA GITANA durch die unzureichend kartographierte Passage nach Norden steuern. Schwarz und abweisend ragen die Felswaende an unserer Steuerbordseite in den trueben Nebel. Wir schieben uns ueber eine letzte Flachstelle zwischen Felsbrocken hindurch, links und rechts brechen sich die Wellen, dass abenteuerlustige Surfer ihre helle Freude haetten. Und dann empfangen auch wir Neptuns Gruesse.

 

Ein Schwell von zwei Metern, der durch die flache Bougainville Strait und den gegenlaeufigen Strom maechtig aufgesteilt wird, laesst LA GITANA zur Achterbahn werden. An der Kueste, die nun hinter uns liegt, schiessen weisse Wasserfontaene Dutzende Meter hoch in die Luft. Wenn es nicht jetzt schon 32 Grad haette, wir wuerden glatt glauben, dass wir irgendwo an der Kueste Irlands sind.

 

Zum Glueck beruhigen sich die Wellen etwas, nachdem wir aus dem Bereich der vom Land zurueckgeworfenen Wellen rauskommen, und wir koennen die UEberfahrt nach Uranie einigermassen geniessen. Heute verlassen wir das "Festland" von Raja Ampat rund um die grossen Inseln Waigeo, Batanta und Salawati. Unsere naechsten beiden Ziele sind wieder Offshore-Inseln mit anderer Fauna und Flora. "Schade", meint Michaela, "ich werde meine Zwitscherfreunde in der Frueh vermissen, die immer so eine schoene Matinée-Vorstellung gegeben haben."

 

Als wir uns der Passage zwischen Pulau Bag und Uranie naehern, wird der Pazifik immer konfuser. Hier trifft der lange Schwell auf einen Meeresboden, der aus dem Nichts auf 30 Meter ansteigt, wird um die Inseln herumgebogen, zurueckgeworfen, weiter refraktiert, angehoben, vom Strom gebremst und verstaerkt. Absolut unfassbar, welch konfuse See und steile Wellen bei absoluter Windstille entstehen koennen.

 

Zeit, die Wasserberge zu bewundern, bleibt allerdings keine. Denn wir werden langsam ganz schoen nervoes und fragen uns, wie es in der sehr offenen Bucht von Uranie denn ruhig genug zum ankern sein soll. Mit dem Fernglas sehen wir die Wellen sich so weit in die Bucht hineinbrechen, wie wir sehen koennen. Das sieht nicht gut aus.

 

Aufgeben tun wir jetzt aber noch nicht. Es ist noch frueh genug am Tag, um schlimmstenfalls nach Wayag weiterzufahren. Und tatsaechlich, je weiter wir LA GITANA ans Ende der nach Westen komplett offenen Bucht manoevrieren, desto ruhiger wird es. Es wird so ruhig, dass wir den Anker auf zehn Metern Tiefe werfen koennen. Dann beginnt unser neues beliebtes Spiel: Wir vertaeuen uns zwischen, hinter oder auch vor Rock Islands. Hier in Uranie gibt es aber noch eine Steigerung zu den bisherigen Spielregeln.

 

Wir ziehen LA GITANA mit zwei Heck- und zwei Bugleinen so zwischen zwei Felsinseln, dass der Bugkorb keine 10 Meter von der vorderen Insel entfernt ist. Hier ist das Wasser am ruhigsten, wir sind vor Wind recht gut geschuetzt.

 

Als Nachteil haben wir nun eine riesige Felswand direkt vor der Nase, die uns auch weitgehend die Sicht aus der Bucht versperrt. Aber egal, wir liegen sicher und sehr schoen - und haben eine neue Erfahrung im "technischen Ankern" gemacht. Jetzt geniessen wir erst einmal den dramatisch schoenen Ankerplatz und das Meeresrauschen rund um uns herum. Die Wellen laufen naemlich immer noch sich brechend gegen die Seiten unserer Ankerbucht und verursachen dieses Rauschen, das man von einem Hotel direkt am Meeresstrand kennt. Wir an Bord hoeren dieses Meeresrauschen dagegen sehr selten oder ueberhaupt nicht. Denn Meeresrauschen bedeutet immer auch Wellen und damit ungemuetliches Ankern. Heute aber ausnahmsweise einmal nicht.

 

Bild des Tages:

Ein Panorama von unserem neuen Ankerplatz