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Dienstag 16. Juli 2013

Das geheime Schnitz-Talent

Unser Standort: Vor Anker in der Ichepthav Bucht, Anatom, Vanuatu

 

Tock, tock, tock. Tack, tack. Tock, tock, tock, tack. Tack, tock. Mensch, guck doch mal, wer da hämmert?! Seit den frühen Morgenstunden scheint hier irgendjemand in der Bucht etwas zusammenzuzimmern. Beständig wie ein Schweizer Uhrwerk schallt das Tock und Tack durch die Bucht. Allein, wir sehen niemanden.

 

Erst als wir am frühen Nachmittag an Land gehen, um uns ein wenig die Beine zu vertreten, sehen wir, was los ist: Unter dem Felsen auf der Ostseite der Bucht sitzt Tomas mit einer Machete in der Hand und bearbeitet einen ziemlich massiven Baumstamm. Tock, tock, tock, wird Schnitz um Schnitz und Scheit um Scheit weggeschlagen. Von wegen Gehämmere.

 

Sicher sieht Tomas mit seinem grauen Rübezahlbart und den doch schon recht kräftig mitgenommenen Klamotten nicht für jeden wie ein Ausbund an Zuverlässigkeit aus. Und doch hat er bisher jedes Treffen, jeden Termin eingehalten und sitzt nun unermüdlich über unserer Schale. Nach 8 Stunden pausenlosem Gehacke mit der Machete wäre uns wahrscheinlich schon der Arm abgefallen. Doch der drahtige Tomas hackt unermüdlich auf den Baumstamm ein und wir werden Zeuge, wie die schon recht weit gediehene Schale sich tatsächlich vom Rest des Baumstammes löst. Wow, das wird ein schönes Stück.

 

Tomas erklärt uns, dass wir die ersten Ausländer sind, für die er eine Schale oder etwas Ähnliches anfertigt. Das Schnitzen hat er sich selbst beigebracht, die Schnitzerei-Schule in Port Vila konnte er sich nicht leisten. Sehr stolz ist er darauf und ganz offensichtlich hat er einiges Talent zum Schnitzen. Außerdem scheint es ihn stolz zu machen, dass wir seine Schnitzkunst anerkennen und von ihm eine Schale möchten.

 

Warum er keine Schnitzereien auf Mystery Island an die Kreuzfahrttouristen verkauft, möchten wir wissen. Er sagt nur nein, nein, nein. Wir vermuten, dass es so ist, wie an so vielen Orten im Pazifik: Die Leute glauben, dass ihre eigene Handarbeit oder die Dinge, die sie herstellen, nichts Wert seien. Vor allem nicht im Vergleich zu Plastik-Tand, den man nur gegen Geld erwerben kann. Sie schämen sich oftmals geradezu für die selbst hergestellten Körbe, Matten, Schalen und so weiter. Als Folge bieten sie dann den Kreuzfahrttouristen schon hundertmal gesehenes und billigstes „Made in China“ Gerümpel an. Was natürlich wiederum die Touris nicht gerade in Kauflaune versetzt.

 

Aber vielleicht haben wir Tomas ja auf eine Idee gebracht und er traut sich in Zukunft zu, ein paar Löffel oder Schüssel für Mystery Island zu schnitzen. Zu wünschen wäre es ihm.

 

Bild des Tages:

Gleich ist es soweit, gleich trennt sich die werdende Schale vom Baumstamm. Dann muss noch jede Menge Material aussen und innen weggehackt und gemeiselt werden, um sie auch schön dünnwandig zu machen.