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Samstag 20. November 2010

In die Zukunft gebombt

Unser Standort: Vor Anker bei Taroa, Maloelap Atoll, Marshall Inseln

 

Knappe sieben Seemeilen haben wir uns heute weiter nach Nordosten bewegt, in der Hoffnung, dass der Ankerplatz bei Taroa, der größten Insel von Maloelap, ruhiger und besser geschützt ist.

 

Im Jahre 1914 haben die Japaner die Marshall Inseln von den Deutschen übernommen und sie später als Treuhandgebiet vom Völkerbund überantwortet bekommen. Still und heimlich, und ohne dass Amerikaner oder andere Staaten etwas mitbekamen, wurden viele der Inseln zu vorgeschobenen Militärbasen ausgebaut. Eine davon, die größte im östlichen Bereich der Marshall Inseln, war Taroa. Die Japaner legten hier eine Basis mit zwei Rollfeldern, einer großen Pier, Strassen, mehrstöckigen Verwaltungsgebäuden und natürlich Bunkern, Bunkern, Bunkern an. Die Einheimischen wurden zu diesem Zweck aus dem ganzen Atoll verbannt und kehrten erst in den 1970er Jahren wieder hierher zurück.

 

Nach ihrem Kriegseintritt nach dem Angriff auf Pearl Harbour bombardierten die Amerikaner Taroa massiv, um es einzunehmen. Die japanische Generalschaft hatte derweil bereits ihre Verteidigungslinie zurückgezogen und den etwa 4.000 auf Taroa stationierten Soldaten den Befehl gegeben, bis zum letzten Mann zu kämpfen. Die Garnison war auf sich alleine gestellt und amerikanische B-24 und B-25 Bomber warfen zehntausende Tonnen Bomben auf das Eiland ab, bis sich die verbliebene japanische Truppe schließlich ergab.

 

Das Resultat dieser Verirrung der Geschichte, in der ein weltpolitisch völlig unbedeutendes Eiland in der Mitte eines riesigen Ozeans allein aufgrund seiner strategischen Bedeutung zunächst zu einer waffenstarrenden, modernen Garnison ausgebaut und dann in die Steinzeit zurückgebombt wurde, ist ein Abenteuerspielplatz für Weltkriegsnarren. Überall zeugen Hunderte Relikte von der militärischen Vergangenheit der Insel: Flugzeugswracks, Geschütze, Munition und in der Lagune eine gesunkenes Versorgungsschiff.

 

Dementsprechend führte der erste Ausflug, zu dem uns die Dorfkinder bei unserem Landgang heute an die Hand nahmen, zu einer Reihe japanischer Flieger bzw. derer Überreste, die im Busch die Jahrzehnte erstaunlich unbeschadet überdauert haben.

 

Es ist schon wirklich makaber, was sich hier in den Marshall Inseln in den letzten 150 Jahren abgespielt hat. Erst kommen die Walfänger und Blackbirder, in ihrem Schlepptau die Missionare und Infektionskrankheiten, die beinahe 80% der Bevölkerung dahinrafften. Für kurze Zeit plündern deutsche Handelsgesellschaften die Beche de Mer (Seegurken) der Inseln und hinterlassen Kokosplantagen für die Kopraerzeugung. Die Japaner schließlich stellen moderne Militärbasen hin, die sich die Einheimischen wohl kaum vorstellen können und die die Amerikaner wieder in Schutt und Asche legen. Doch anstatt es dabei bewenden zu lassen, setzen die Amerikaner noch eines drauf und zünden 6 Dutzend Atom- und Wasserstoffbomben über den Inseln. "For the greater good of mankind", hat man den Marshallesen damals erklärt. Es wäre kein Wunder, wenn die Marshallesen die Schnauze gestrichen voll hätten von Ripelles, wie Weiße hier genannt werden. Und wenn unser Blick über die unendliche Menge Wasser um uns herum wandert, fällt es auch uns sehr schwer, nachzuvollziehen, was sich hier zugetragen hat. Absurd, völlig absurd!

 

Bild des Tages:

 

Einer unserer Führer auf dem Motor eines ehemaligen japanischen Jägers