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Donnerstag 12. Dezember 2013
Unser Standort: Vor Anker vor dem Dorf Bosoria am Südpass des Nuguria Atolls, Papua Neuguinea
Nuguria ist zwar nicht völlig, aber doch ziemlich von der Außenwelt abgeschottet. Sicherlich fährt hin und wieder ein Banana Boat (also ein kleines Fiberglasboot mit 40 PS Außenborder) nach Buka, um Reis und Mehl zu holen. Das war’s dann aber auch schon. Größere Frachter waren seit Januar 2013 keine mehr hier. Allerdings gibt es hier auf der Insel ein paar Telefone, die über Satellitenverbindung funktionieren. Als das erste klingelte, schauten wir ziemlich überrascht. Wie Teka, der Vorsitzende des Ältestenrates es formulierte: „Communication is not a problem, transport is!“
Die Leute von Nuguria sind also darauf angewiesen, von dem zu leben, was ihnen das Atoll bietet. Und um diese Ressourcen nicht sinnlos auszubeuten, hat der Inselrat eine ganze Reihe Regeln und Einschränkungen erlassen, was das Fischen angeht. So sind Harpunen mit Auslöser und doppeltem Gummi ebenso verboten, wie nachts mithilfe von künstlichem Licht zu jagen oder zu fischen. Lediglich eine Art Hawaiian Sling ist zur Unterwasserjagd erlaubt. Nicht erlaubt sind zudem Nylonnetze, mit denen ganze Fischschulen auf einmal aus dem Wasser gezogen werden können.
In Summe sind die Locals daher darauf angewiesen, von ihren Kanus aus mit Angelleinen zu fischen. Diese Methode ist natürlich deutlich langwieriger, als in einem üppig belebten Riff mit der Harpune Jagd auf Fische zu machen. Dafür ist sie nachhaltig. Man kann kaum mehr Fisch fangen, als man tatsächlich braucht und zudem fischt man mit der Angelleine nur die Raubfische der oberen Hälfte der Nahrungskette aus dem Wasser. Dementsprechend gibt es hier in Nuguria auch deutlich mehr und deutlich größere Fische unter Wasser zu besichtigen als die letzten Monate in Vanuatu oder den Salomonen.
Dort gab es beinahe nirgends Regeln, wieviel, was, wann, wo und wie aus dem Wasser gezogen werden darf. Seit vielleicht zehn Jahren hat es sich daher eingebürgert, dass die Leute nachts mit Tauchtaschenlampen und großen Harpunen auf Jagd gehen. Diese Art des Fischens, bei der man ganz einfach schlafende oder geblendete Fische abschießen kann, ist jedoch so gnadenlos effizient, dass im Zeitraum von wenigen Jahren alle Fische am Riff über den Haufen geschossen werden. Genozid an Fischen sozusagen, wobei das wohl eher Ichtiozid heißen müsste. Wo so gejagt wird, sieht man tagsüber keinen Fisch mehr, der größer als ein Handteller und damit eigentlich zu klein zum Essen ist. Doch weil es nichts anderes mehr gibt, harpunieren die Locals sogar diese Kleinstfische. Irgendwo verständlich, aber eben nur eine Folge einer übermäßigen Plünderung mit zu effizienten Mitteln.
Hier in Nuguria geht der Inselrat sogar noch einen Schritt weiter und hat einige der auf der anderen Lagunenseite liegenden Inseln zu einem Schutzgebiet erklärt. Angeblich wimmelt es da nur so vor Fisch, Schildkröten und Seevögeln. Hoffentlich kommen wir die Tage mal da hin.
Aber auch das Leben an Land haben die Nuguianer einigen strengen Regeln unterworfen. Nachdem es ein paar Zwischenfälle mit besoffenen Jugendlichen gegeben hatte, wurde die Insel kurzerhand zur Alkoholfreien Zone erklärt. Natürlich trinken die Leute aber weiterhin zuhause. Es ist ja auch zu verlockend einfach, den Palmwein, der hier „Kareve“ heißt, ein paar Tage vergären zu lassen. Zu allem Überfluss scheinen die Leute den Palmwein auch noch einer Art Destillation zu unterziehen, so dass etwas rauskommt, das laut Atua wie Schnaps sei. Wer jedoch betrunken auf der Straße erwischt wird, der wird von den Polizisten aufgegriffen und bestraft.
Anscheinend sei das erst letzte Woche vorgekommen. Da hätten sie einen Jugendlichen gehabt, der voll besoffen lautstark geflucht habe. Die Polizisten haben den Unruhestifter aufgegriffen und der Inselrat hat beschlossen, ihn zu bestrafen. Auf Pijin klang das so: „The village decide to killim.“ Uns läuft’s kalt den Rücken runter. Das Dorf hat beschlossen, ihn zu töten? Hoffentlich stimmt, was im Pijin-Wörterbuch steht: „Killim“ bedeutet verprügeln, töten wäre „killim i daid“ also „schlag ihn bis er stirbt“. Um nur ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, trinken wir unseren Sundowner jedenfalls nur noch deutlich nach Sonnenuntergang…
Bild des Tages:
Bei Atua am Haus finden wir ein kleines Basin mit dieser jungen Schildkröte. Sie ist ein Haustier für die Tochter Riki. Das Jagen von Schildkröten oder das Ausbuddeln ihrer Eier aus dem Nest ist nämlich nicht „tambu“. Oberlehrer Freddie schaut uns daher auch ein wenig irr an, als wir ihm erklären, dass es für einen Europäer oder Amerikaner kaum etwas Schlimmeres gibt, als jemand der Schildkröten isst. Allerdings erklären wir ihm auch, dass es schließlich wir waren, die es in den sechziger und siebziger Jahren geschafft haben, mit Schildkrötensuppe aus der Dose die Populationen weltweit auf ein kritisches Niveau zu dezimieren. Dasselbe passiert heute mit Haifischflossen, für die Asiaten Unsummen ausgeben. Wer kann es den Leuten verdenken, dass sie selbst auf dem hinterletzten Atoll noch Jagd auf Haifische machen, um die Flossen an ein absolut weltumspannendes Netz chinesischer Einkäufer zu verhökern. Und ich kann Euch garantieren: die Haifische stehen bereits heute unmittelbar vor der Ausrottung, so niedrig sind Bestände vielerorts. Hier bräuchte es dringend strenge Regeln – und zwar international gültige!