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Donnerstag 27. März 2014
Unser Standort: Vor Anker in der Lagune des Lamotrek Atolls, Yap State, Mikronesien
Die Faluba Runde gestern hat doch für unseren etwas holprigen Start auf Lamotrek entschädigt. Auch wenn diese Runde mit dem massiven täglichen Alkoholgenuss sicher nicht förderlich ist für die Produktivität auf Lamotrek, ist sie doch eine fantastische Gelegenheit, schnell Kontakte zu knüpfen und nette Gespräche zu führen.
Und so leuchtet uns der halbmondförmige Sandstrand von Lamotrek mit seinen raschelnden Kokospalmen heute sehr freundlich an und wir gehen gut gelaunt auf Inseltour. Nach einem kurzen Besuch im Haus von Francis, wo wir einige Medikamente für seinen Neffen abliefern, der vor ein paar Wochen von der Tuba-Palme aufs Knie gefallen ist und nun starke Schmerzen hat, können wir den offiziellen Grüßaugust abschütteln und unsere eigenen Wege gehen. Schnell wird uns dabei klar, dass wir zumindest optisch in eine Bilderbuch-Südsee eingetaucht sind, die es seit den Zeiten der Missionare eigentlich nirgends mehr gibt.
Hier auf Lamotrek herrscht nämlich ein knallharter Dresscode. Nichts mehr mit „Island Casual“, also Basketball-Shorts und -Shirts und sowie Baseball Caps. Hier wird das Klischee vom Grasrock tragenden, edlen Wilden aus der Südsee lebendig. Die Männer tragen alle und ausnahmslos nur einen „teor“ genannten Lendenschurz in knalligen Primärfarben. Das lange schmale Tuch wird zwischen den Beinen hindurch und dann einmal um die Hüfte geschlungen. Knapper angezogen waren bisher nur die „Nambas“ in Vanuatu. T-Shirt oder Oberteil ist Fehlanzeige, dafür sind fast alle tätowiert oder tragen farbenprächtige, aufwendig geflochtene und intensiv duftende Blumenkronen.
Gleiches gilt für die weibliche Bevölkerung. Auch hier ist vorgeschrieben, dass die Frauen nur einen handgewebten, mit bestimmten traditionellen Mustern versehenen Lavalava tragen dürfen. Kein Wunder, dass sich unsere prüden amerikanischen Seglerfreunde vor ein paar Wochen darüber echauffiert hatten, wie erniedrigend es sei, dass Frauen oben ohne rumlaufen müssen. Vielleicht sind sie auch deshalb nicht sehr lange auf Lamotrek geblieben. Angeblich soll nämlich ab einem Aufenthalt von zwei Wochen der Lamotrek-Dress-Code auch für Besucher gelten. Und das hält natürlich keine Amerikanerin aus.
Fürs erste wollen wir einfach mal nicht hinter die Kulissen schauen und überprüfen, ob es nun erniedrigend ist oder nicht, einfach praktisch in der Hitze oder willkürliche Gängelei, dass alle in der gleichen Aufmachung rumlaufen. Bei Schuluniformen regen sich ja auch die wenigsten auf. Fürs erste wollen wir einfach mal ganz naiv und fröhlich genießen, dass es diese Art von Südsee tatsächlich noch gibt.
Hintergrund dieses scharfen Dress-Codes ist wohl die Überzeugung der Chiefs und ihrer Ratgeber, dass ihre Kultur sehr wichtig für den Zusammenhalt auf der Insel und daher erhaltenswert ist. Von daher versuchen sie die Mehrheit der täglichen Gepflogenheiten auf die „alte“ Art zu regulieren. Dazu gehört zum Beispiel auch die soziale Verpflichtung von Eigentum, wie wir sie ja auch aus dem deutschen Grundgesetz kennen.
Früher war es nämlich so, dass die großen Reisekanus im Prinzip der Gemeinde gehörten. Genaugenommen gehörten sie – und gehören auch noch heute – demjenigen Clan, welcher den Brotfruchtbaum für den Kiel gestiftet hat. Darüber hinaus wurden die Kanus aber immer in dörflicher Gemeinschaftsarbeit gebaut, so dass jeder ein Besitzanrecht auf das Kanu hatte. Daher konnte jeder Mann, der über die nötige Qualifikation zum Führen eines seegehenden Kanus verfügte und eine Crew hatte, um die Nutzung des Kanus bitten. Eine Bitte, die nicht abgeschlagen werden durfte.
Diese gemeinschaftliche Verpflichtung von Eigentum änderte sich schlagartig, als die ersten Kunststoffboote mit Außenbordern auf Lamotrek Einzug hielten. Die Eigentümer und Bezahler konnten und wollten nicht akzeptieren, dass sie das Geld für Boot, Motor und Benzin (alleine) verdient haben und nun teilen sollen. So kam es, dass die Motorbootfahrer nur noch für sich selbst fischten und, wenn überhaupt, überzählige Fische verkaufen wollten.
Hiergegen intervenierte der Inselrat und verfügte, dass die „Zulassung“ von Motorbooten auf Lamotrek nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen durfte. Dazu zählt, dass die Eigentümer den Fischfang, den sie mit ihren Motorbooten einfahren, unter der Inselbevölkerung aufteilen müssen. Ganz genauso, als hätten sie die Fische mit einem Kanu gefangen. Gestützt wurde diese Zulassungspolitik mit dem Argument, dass wohlhabendere Leute durchaus etwas für die Gemeinschaft abgeben können.
Und so wie beim Dress Code und den Motorbooten gibt es unzählige Regeln, die stark in der traditionellen Kultur verwurzelt sind und auch heute noch eine große Rolle spielen. Bilderbuch Südsee also nicht nur im Stile von Gauguin oder Hollywood, sondern auch für Anthropologen…
Bild des Tages:
Gauguin hätte hier wahrscheinlich seine helle Freude gehabt.