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LOGBUCH

Sonntag 02. März 2014

Was für eine Nacht!

Unser Standort: Vor Anker hinter der Insel Oromango im Nukuoro Atoll, Mikronesien

 

Wir sind jetzt schon eine kleine Weile unterwegs und haben auch schon so manche ungemütliche Nacht vor Anker abgewettert. In der Regel machen wir uns recht wenig Sorgen, denn unser Bügelanker hielt bisher einfach immer. Außerdem ankern wir praktisch immer so, dass wir auch Winddreher von 180° problemlos verkraften können, ohne irgendwo aufs Land oder einen Korallenblock zu knallen. Dadurch sind wir vielleicht manchmal etwas weiter vom Land weg, als andere Yachten, die gerne türkisfarbenes Wasser unter dem Kiel haben, werden im Gegenzug allerdings von nächtlichen Alarmaktionen verschont, wenn das Echolot nur noch 1,50 Meter anzeigt oder das Ruder bereits knirschend an einer Koralle zersplittert.

 

Doch heute Nacht war ein wenig anders, ein wenig heftiger. Heute Nacht kam nämlich alles zusammen: alles, was das Wetter zu bieten hat und eine kleine Nachlässigkeit unserer Seite. Normalerweise ankern wir in Atollen immer mit zwei oder drei großen Fishing-Floats in die Ankerkette gehängt, um zu verhindern, dass sich die Kette unter einem Korallenblock verhängt und kurzstag kommt. Das ist meistens die Situation, wenn Ankerketten brechen oder es Schäden an Ankerspill oder Bugrolle gibt. Nachdem man uns aber versichert hatte, dass hier alles Sandgrund sei und das Wasser zu milchig und zu tief war, um einen Grund zu erkennen, haben wir fünfe grade sein lassen und auf die Bojen verzichtet. Ein Fehler!

 

Als es gestern Abend nämlich so richtig losging, eine Gewitterfront nach der anderen mit Blitz und Donner und Sturmböen von 40 Knoten über uns hinweg rollte, verhakte sich die Ankerkette tatsächlich unter einer Koralle. Und zwar praktisch direkt unter dem Bug! Das bedeutet, dass die Kette von der Bugrolle beinahe senkrecht nach unten verläuft. Wenn nun unser Bug in den Zwei-Meter-Wellen auf und nieder tanzt und drei oder mehr Meter nach oben und unten schießt, gibt es keinen Spielraum mehr in der Kette, um die Bewegung abzufedern.

 

Bei jedem „Hoch“ des Bugs spannt sich die Ankerkette auf einen Schlag und die Aufwärtsbewegung des Bugs wird unter lautem Ächzen von Material und Mensch abrupt beendet. Dann geht es wieder hinab, Und hinauf bis zum Ruck, von dem man glaubt, dass jetzt einfach der Bug unserer doch recht massiven LA GITANA abgerissen wird. Und hinab. Und hinauf. Im Sekundentakt. Bis an die Belastungsgrenze von Kette, Kettenfanghaken, Ankerwinsch und Bugrolle.

 

Sechzig Mal in der Minute ein markerschütternder Ruck, dreitausendsechshundertmal in der Stunde, fünfzigtausendvierhundertmal bis zum Morgen. Wir sind fertig mit den Nerven. Die ganze Nacht über hatten wir keinerlei Chance etwas gegen diese – entschuldigt bitte diesen Ausdruck – absolut beschissene Situation etwas zu unternehmen. Es blies und es blies und es hörte einfach nicht auf zu blasen.

 

Heute morgen konnten wir mit einigem Rummanövrieren unter Motor endlich die Ankerkette unter der Koralle rausbekommen. Was muss das für ein mächtiger Korallenblock gewesen sein, der unter dieser Belastung nicht zerbröselt ist. Aber auch bei uns an Bord ist Gottseidank nichts zerbröselt. Nur unser Nervenkostüm ist gerade reichlich angeschlagen.

 

Wir verlegen uns jetzt sicherheitshalber auf die andere Atollseite in den Schutz eines Motus. Und dort wie auch in den nächsten Atollen werden wir garantiert wieder mit unseren Bojen in der Kette ankern. Garantiert! Diese Lektion haben wir gelernt.

 

Ansonsten hat uns diese Nacht gezeigt, dass wir definitiv nirgends hinfahren werden, so lange sich Faxai nicht ausreichend weit von uns wegbewegt hat. So eilig können wir es überhaupt nicht haben, dass wir in solchen Bedingungen irgendwo auf See draußen sein wollen. Abgesehen davon, dass bei dem stürmischen Südwind der Pass von Nukuoro ohnehin nicht passierbar ist. Also bleiben wir erst einmal hier und lecken unsere seelischen Wunden. Gibt ja auch Schlimmeres als in einem Südseeatoll gefangen zu sein…

 

Bild des Tages:

So sah es gestern Abend aus, als uns die erste 35 Knoten Böe erwischte. Vor Anker wohlgemerkt und nicht auf See! Echt kein Spaß das.