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Donnerstag 06. März 2014
Unser Standort: Vor Anker vor dem Dorf im Nukuoro Atoll, Mikronesien
Eigentlich sind wir ja sehr ungeduldige Menschen. Eigentlich geht uns nie etwas schnell genug. Und nun das schon wieder. Wie schon in Neuseeland, wie in Kapingamarangi, nun in Nukuoro. Wir sind gezwungen zum Warten. Warten, warten, warten, dass etwas passiert. Dass sich ein Hochdruckgebiet hereinschiebt, dass der Sturm aus West endlich aufhört oder sich ein Tropensturm ein anderes Seegebiet zum Wüten sucht. Diesmal warten wir auf Wind. Irgendeinen! Hier in Nukuoro ist es jetzt so etwas von still. In der Nacht spiegeln sich die Sterne in der absolut wellenlosen Lagune wie in einem Spiegel. So glatt ist das Wasser, dass wir keinen Horizont erkennen können, dass wir glauben die Sterne seien unter uns, über uns, überall. Wunderschön ist das. Wunderschön!
Nur fort kommen wir von hier gerade eben nicht. Wir liegen auf der Lauer, um den Nordostpassat zu erwischen, der am Wochenende von Osten kommend ganz Mikronesien Kühlung zufächeln soll. Mit uns liegt eine ganze Armada von sechs oder sieben Yachten in und um Pohnpei herum auf der Lauer, um die Brise zu nutzen, nach Westen voranzukommen. Hoffentlich kommt der Wind diesmal wie vorhergesagt und wir erleben kein Kapingamarangi Zwo.
Abgesehen von den üblichen Pflege- und Wartungsarbeiten am Schiff, von denen ohnehin keiner was lesen möchte, vertreiben wir uns die Zeit mit den Leuten vor Ort. Inzwischen sind wir mit so vielen Leuten hier befreundet, dass wir gar nicht alle jeden Tag besuchen können. Dafür reicht die Zeit einfach nicht.
Einer, der uns echt ans Herz gewachsen ist, ist Ken, der „Medizinmann“. Wie bezeichnet man so eine Position auf Deutsch? Er ist das nächste, was an einen Arzt und Apotheker auf der Insel herankommt. Er untersucht die Leute, verschreibt ihnen Medikamente, näht Wunden, bringt die Kinder zur Welt. Eine Full-Service-Klinik in einer Person sozusagen.
Dieser Medizinmann stammt nicht aus Nukuoro, sondern aus dem Mokil Atoll östlich von Pohnpei. Er spricht keine polynesische Sprache und wurde nur interimsmäßig hierher versetzt, weil der Stamm-Medizinmann in Pohnpei einen Prozess am Hals hat und nicht auf der Insel ist. Dafür hat Ken jede Menge Humor, immer gute Laune und jederzeit Zeit für ein Schwätzchen. Er versorgt uns bestens mit Medikamenten, um Michaelas lästiger Blasenentzündung Herr zu werden.
So verbringen wir auch heute wieder eine gute Stunde in der „Apotheke“, wo wir einiges Neues erfahren. Ganz doof haben wir Ken nämlich gefragt, was das denn für runde, blasse Hautflecken wären, die wir bei so vielen Kapinga-Leuten gesehen hatten. Ken meint trocken, dass es sich dabei um Lepra handele. Lepra! Super, jetzt sind wir zwar Malaria und Dengue-Fieber los, dafür müssen wir uns vor Lepra in Acht nehmen!! Nie hatten wir gedacht, dass es das heutzutage noch gibt. Ja, vielleicht irgendwo in den Bergen Zentralafrikas oder in Hinterindien. Aber hier?!
Ken erzählt uns, dass Lepra auf den Inseln in Mikronesien immer noch sehr weit verbreitet sei. Erst kürzlich sei man von dem Ziel abgerückt, die Lepra bis 2013 auszurotten. Nun sieht der Zeitplan 2015 als neues Ziel vor. Und zu allem Überfluss berichtet Ken, dass ausgerechnet Kapingamarangi die Insel mit der höchsten Dichte an Leprafällen sei. O-Ton: Fast jeder dort hat Lepra. Die großen runden hellen Flecken auf der Haut, die wir bei praktisch allen Kapingis gesehen haben, seien demnach Lepraanzeichen. Aber keine Sorge, meint er tröstend, das ist nur ansteckend, wenn man dort länger als ein paar Tage bleibt und viel Zeit mit den Leuten verbringt. Sehr lustig! Das ist doch wieder Stoff für ein paar Alpträume nachts.
Warum hat uns Yoster, der „Medizin-Mann“ von Kapingamarangi, nichts davon erzählt?! Definitiv haben wir ein paar Leute auf Kapingamarangi gesehen, die eindeutig Lepra hatten. Die Hautdeformationen im Gesicht waren unverkennbar. Wir sind aber davon ausgegangen, dass die Leute in Behandlung waren, denn in den Krankenstationen hier hängen überall schöne Fotos von Leprakranken und den entsprechenden Medikamenten.
Ken holt daraufhin ein hübsch bebildertes Lepra-Handbuch hervor, das einem Nicht-Mediziner einen Schauer nach dem anderen den Rücken hinauf und wieder herunter jagt. Wir sollen uns nicht aufregen, meint er. Sobald die Kranken ihre Medikamente bekommen, seien sie nicht mehr ansteckend. Na hoffentlich hat Yoster dann auch die Medikamente entsprechend ausgegeben…
Als wir Serah später am Tag davon erzählen, bestätigt sie Kens Aussagen. Sie würde ihren Kindern immer wieder eintrichtern, nur aus ihrem eigenen Becher zu trinken, den sie immer auch mitnehmen, wenn sie woanders hingehen, und ja niemanden von ihrem Becher trinken zu lassen. Lepra wird nach dem, was wir erfahren haben, nämlich in erster Linie über Tröpfcheninfektion übertragen.
Vielleicht ist da ja der Kern der Sorge, die die Sieben Zwerge hinter den Sieben Bergen hatten, als sie ausriefen „Wer hat von meinem Becherchen getrunken?“
Bild des Tages:
Bei Valentino kann man die hellen Flecken auf der Haut ganz gut erkennen. Eigentlich dachten wir ja, dass es sich dabei um eine Art Schuppenflechte oder so was handelt…