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Freitag 28. März 2014

Die Welt der Frauen

Unser Standort: Vor Anker in der Lagune des Lamotrek Atolls, Yap State, Mikronesien

 

In Lamotrek ist die Welt der Frauen eine andere als die der Männer. Hier ist alles streng voneinander getrennt, jeder hat seine Domäne, jeder hat sein Versammlungshaus. Die Männer haben das „Sagen“ und die Frauen besitzen das Land. Vererbt wird immer von der mütterlichen Seite, der Mann zieht bei der Hochzeit zur Ehefrau. Trotzdem ist die Frau nicht gleichberechtigt, ist kein Partner wie wir das aus der westlichen Welt kennen. Frauen dürfen nicht am Tuba-Kreis teilnehmen, sie dürfen nicht in die Nähe der Männerhäuser, sie dürfen so vieles nicht.

 

Wenn man mehr über die Welt der Frauen erfahren möchte, muss man viel Zeit mit den Frauen verbringen und dafür müssen wir hier getrennte Wege gehen. Wenn wir also an Land gehen, dann heißt das, dass Volker sich mit den Männern trifft und Michaela sitzt bei den Frauen, darf aber als „weiße Frau“ auch zum Männerhaus und dort mit Tuba trinken. Welche Ehre!

 

Bei unserer zweiten Tour über die Insel, bringt uns Francis zu mehreren Häusern, wo Frauen gerade dabei sind einen Lavalava zu weben. Das übliche Touristenprogramm, denn alle wollen sehen, wie die Lavalavas von Hand gewebt werden. Hier treffen wir auf Linda, die sehr gut Englisch spricht und uns die Muster der Lavalavas erklärt. Nach der Tour ruft sie Selena und Michaela zurück ins Haus und offeriert ihnen einen ihrer Lavalavas als Geschenk, denn sie möchte, dass die Mädels aussehen wie „Island Girls“. Linda ist sehr offen und freut sich, wenn sie über ihre Kultur und Tradition sprechen kann und die Mädels verbringen ab sofort ihre Zeit bei Linda und ihren Schwestern und Cousinen. Wenn wir mit Linda über die Insel laufen, müssen wir stehen bleiben, wenn sich ein Mann nähert oder wir müssen Umwege gehen, wenn eine Gruppe von Männern sich an einem Bootshaus versammelt haben. Linda darf nicht in die Nähe der Boots- oder Versammlungshäuser der Männer, sie muss sich in gebührendem Abstand von uns verabschieden, wenn wir unsere Männer vom Tuba-Trinken abholen. Sobald ein Mädchen zur Frau wird, muss sie selbst in der Familie den männlichen Verwandten (auch kleineren Brüdern) besonderen Respekt erweisen und darf nie „über“ ihnen sein, nie „größer“ sein als die Männer. Wenn die Männer also sitzen, muss sie sich bücken, um an ihnen vorbei zu gehen. Nicht selten müssen die Frauen sogar auf allen Vieren entlangkrabbeln. Auch heute ist das noch so!

 

Die Frauen haben viele Aufgaben und einen arbeitsreichen Tag! Sie müssen unter anderem die Tarofelder in Ordnung halten oder anpflanzen, sie erziehen die Kinder, sie kochen, waschen, halten ihr Land und Haus in Schuß, weben die Schlaf- und Sitzmatten, machen Blumenkränze, flechten Taschen und weben ihre Lavalavas. Für einen einfachen Lavalava brauchen sie etwa 3 Tage bis er fertig ist. Die Kleiderordnung hier auf Lamotrek verbietet den Frauen, einen anderen Lavalava als den handgefertigten zu tragen oder ihn über dem traditionellen Lavalava zu tragen. T-Shirts oder ähnliches zu tragen ist ebenfalls verboten, auch wenn sich hier einige junge Frauen darüber hinweg setzen. Wenn wir kommen, zieht so manche junge Frau schnell ein T-Shirt an oder hält sich ein Tuch vor die Brust. So einfach scheint es dann für die Frauen doch nicht zu sein, dass hier fremde, weiße Männer auf der Insel sind und sie „oben ohne“ sehen können.

 

Aber auch die Frauen haben ihr Haus, wo die Männer nicht hin dürfen, haben ihre Traditionen, wo kein Mann Zugang hat und nicht erwünscht ist. Wenn ein Mädchen zum ersten Mal ihre Periode hat und zur Frau wird, dann ist das ein Fest für die Frauen. Es wird das beste Essen gekocht, es wird gesungen, getanzt und das Mädchen geschmückt. Ab jetzt darf/muss das Mädchen den traditionellen Lavalava tragen und die Arbeiten der Frauen miterledigen. Spätestens jetzt muss sie das Weben, Flechten, Kochen usw. lernen und ist voll in die Welt der Frauen integriert. Und da hat ein Mann die meiste Zeit nichts zu suchen…

 

Bild des Tages:

Traditionalismus bedeutet eigentlich auch immer Ungleichberechtigung von Frau und Mann. So sitzen die Frauen zusammen an der Feuerstelle, um das Essen zuzubereiten, während die Männer sich dem Tuba-Suff hingeben. Nur der Büstenhalter-Boykott der Feminismusbewegung aus den Siebzigern würde hier wenig Wirkung zeigen. Für den Rest wäre es wahrscheinlich schon an der Zeit. Vielleicht möchte ja Alice S. mal hier vorbeischauen.