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Sonntag 21. November 2010

Überraschungsbesuch

Unser Standort: Vor Anker bei Taroa, Maloelap Atoll, Marshall Inseln

 

Der Tag des Herrn, Sonntag. An diesem Tage soll man ruhen und höchstens Gott loben und preisen. Das haben die Missionare den Pazifikinsulanern kräftig eingebleut. Rien ne vas plus. Nichts bewegt sich, selbst die Palmwedel schwingen weniger ekstatisch im Wind als an einem Werktag. Essen wird am Vortag zubereitet, Fischen geht keiner und selbst Schwimmen ist verboten. Am besten dämmert man den ganzen Tag im Schatten in einer Hängematte aus alten Fischernetzen dahin.

 

Wir wollen uns der Sonntags-Apathie nicht so recht anschliessen und unternehmen am Vormittag zumindest einen ersten Erkundungsschnorchelgang an des Wrack des japanischen Frachters "Terushima Maru", der keine hundert Meter neben uns in knapp 15 Meter Wassertiefe auf dem Grund liegt. Dorthin wurde er von den Amerikanern bei ihrer Offensive im Dezember 1943 gebombt. Der Schnorchelgang ist wirklich sehr schön, das Deck des Frachters liegt bei Niedrigwasser nur 2 bis 5 Meter unter Wasser. Die zahlreichen Hohlräume, Bullaugen, Luken bieten unzähligen Fischen ein künstliches Zuhause. Ein bisschen Zittern ist aber auch angesagt. Ein Tauchführer aus Majuro berichtete uns, dass sich im Wrack angeblich noch scharfe Wasserbomben befänden. Heute ist aber zum Glück keine hochgegangen.

 

Am Nachmittag ergeben wir uns schließlich doch noch in die Sonntagsruhe und legen uns zu einem Mittagsschläfchen hin, etwas was wir eigentlich nie machen. Aber heute war uns einfach danach und kaum umfängt uns Schlafes süßer Vorhang, dringen auch schon Stimmen an unser Stammhirn. Zuerst schaffen wir es noch, sie in unseren Traum einzubauen. Doch als ein Boot mit lautem Knall gegen unseren Rumpf donnert, gibt es kein leugnen mehr. Die Stimmen sind real. Wir haben Besuch!

 

Zu dumm, dass jetzt gerade alle Hosen im Cockpit liegen. Mit gestrecktem Arm versucht Volker eine in den Salon zu ziehen, um unseren Besuchern nicht im Adamskostüm begegnen zu müssen. Und die Besucher hängen schon alle über die Reling. Neun Jungs sind zu uns rausgepaddelt. Es sind weitgehend die selben, die uns gestern durch den Busch geführt haben. Als Gastgeschenk haben sie sechs Kokosnüsse und 3 Pfund lokale Zitronen dabei. Da können wir natürlich nicht nein sagen und laden die ganze Baggage ein, an Bord zu kommen, was mit großer Freude aufgenommen wird. Es gibt eine Führung übers Schiff, eine Erklärung zu unseren Pflanzen (italienischer und Thai Basilikum sowie Pfefferminze), zu trinken und natürlich Süssigkeiten. Die Jungs haben eine Mordsgaudi, sind froh an Bord einer Yacht zu sein und versuchen sich ein wenig in Englisch. Nur einem geht es gar nicht gut. Der ist von dem Gerolle im heftigen Schwell schon seekrank und hängt über der Reling...

 

Nach zwei Stunden zieht Volker mit dem Dingi die ganze Truppe in ihrem löchrigen Aluminiumboot zurück an Land. Ganz gewieft hat der Älteste auf die Tränendrüse gedrückt. Sie würden es jetzt nicht schaffen, gegen den (nicht vorhandenen) Wind zurückzupaddeln. Und wir wollten doch sicher nicht, dass sie aufs Meer getrieben werden. Nur wenn wir sie an Land schleppen würden, könnten ihre Eltern sie noch ein paar Jahre geniessen. Und wie überall auf der Welt kann es den Jungs unter Motor gar nicht schnell genug gehen...

 

Bild des Tages:

 

Ein Teil der Lausbuben bei uns im Cockpit. Stolz werden die als Gastgeschenk mitgebrachten Ni, die Trinkkokosnüsse, präsentiert.