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Montag 23. März 2015

Du Opfer, Du!

Unser Standort: Wieder mit Bug- und Heckleine fest in unserem Mangrovenloch auf der Pulau Yanggefo, Raja Ampat, Indonesien

 

Irgendwie gibt es auf dem weiten Erdenrund Existenzen, die muessen ein ganz schlechtes Karma in einem frueheren Leben aufgehaeuft haben. Existenzen, mit denen willst Du einfach nicht tauschen. Existenzen, die wirklich gestraft sind.

 

Diese Erkenntnis kommt uns heute, als wir in der Frueh unser Muesli an Deck muemmeln und ueberall um uns herum das Wasser kocht. Kleine, glitzernde Sardinen aus den zahlreichen "Bait Balls", die wir hier staendig sehen, schnellen in glitzernden Wogen aus dem Wasser. Wir nennen diese Wellen aus Fischleibern, die immer so klingen als wuerde irgendwo Wasser niederprasseln, ein wenig euphemistisch "La Ola". Doch die Sardinen machen das nicht aus Jux und Tollerei oder purer Lebensfreude. Ganz im Gegenteil.

 

Hinter den kleinen Sardinen schiessen grosse silbrige Leiber durchs Wasser und immer wieder durch die Luft: Hornhechte, Makrelen, Schnapper, junge Bonitos, Barrakudas - alles was Zaehne und Hunger hat, ist hinter den armen Sardinen her. Und zwar staendig, tags, nachts, vormittags, nachmittags. Aus der Luft stossen noch die Seeadler und Seeschwalben auf sie wie die Sturzkampfbomber herab. Und die Sardinen versuchen in Wellen den gefraessigen Raeubern zu entkommen, ohne dabei den Zusammenhalt und die relative Sicherheit der grossen Schule zu verlieren.

 

Unter Wasser ist das Fressen- und Gefressen-Werden besonders spektakulaer. Zunaechst flimmern die unzaehligen Sardinen, die einen Schwarm bzw. einen Bait Ball ausmachen, recht friedlich dahin und schnappen sich mikroskopisches Plankton aus dem Wasser. Um sie herum streunen die Stachelmakrelen wie Schaeferhunde um eine Schafsherde. Doch die Makrelen haben nicht die Sicherheit der Sardinen im Sinn. Im Gegenteil. Immer wieder beschleunigen sie aus dem Stand und aus verschiedenen Richtungen in den Schwarm hinein, um einzelne Fische aus dem Schwarm zu loesen, die sie dann fressen koennen.

 

Und die armen Sardinen muessen das ertragen. Duldsam, klaglos, endlos. Die einzige Verteidigungsstrategie, die ihnen die Evolution gegoennt hat, ist ihre reichhaltige Zahl. So viele koennen gar nicht gefressen werden, dass keine mehr uebrig sind, um fuer die naechste Generation an Opfern zu sorgen.

 

Was fuer ein Dasein, was fuer ein Schicksal. Den ganzen Tag und die ganze Nacht wird man gejagt, gehetzt, die Verwandten werden gefressen. Heute, morgen, naechste Woche, so lange man lebt. Immer auf der Flucht. Immer auf der Verliererseite. Wehrlos, atemlos, schutzlos.

 

Eines wissen wir ganz bestimmt: als Sardinen wollen wir nicht re-inkarniert werden.

 

Bild des Tages:

Sardinen so weit das Auge reicht. Und hinter jeder Koralle lauert einer, der ihnen an die Schuppen will.