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Donnerstag 19. Januar 2006

Bergfest

Unser Standort: Tag 8 auf See/ noch 1.130sm bis St. Martin

Auf der Homepage auch die beiden Links mit Positionsreportern beachten

 

Um 18:23 Uhr Bordzeit (21:23 UTC) war es heute soweit. Wir passierten 43°03'W und hatten damit die Hälfte der Strecke von Sal nach St. Martin hinter uns. Ein tolles Gefühl! Ab jetzt geht es jeden Tag schneller dem Ziel entgegen. Den Anlass feierten wir entsprechend, indem wir uns die gestern gefangene Goldmakrele zum Abendessen zubereiteten. Lecker in Alufolie mit Tomatenwürfeln, Zwiebeln, ein wenig Knoblauch, Olivenöl, Rosmarin, Thymian und Kräuter der Provence. So lecker hat bisher noch keine Goldmakrele geschmeckt. Wesentlich besser und saftiger als aus der Pfanne oder vom Grill.

 

Allerdings war Neptun anscheinend überhaupt nicht begeistert, dass wir ein Schuppentier aus seinem Reich zum Dinner hatten. Denn zur Strafe schickte er uns am Abend mal wieder eine extreme Kreuzsee. Die schlimmste, die wir bisher hatten. LA GITANA rollt nun nicht mehr, es fühlt sich vielmehr so an, als würde irgendeine Riesenhand unser Heck von links nach rechts stossen. Es konnte ja auch nicht angehen, dass die tollen Bedingungen, die wir gestern und bis heute früh noch hatten, anhalten. Bereits tagsüber ging es los. Aus Westen kam ein Schauer nach dem anderen auf uns zugerollt. Jedes Mal auch mit ordentlich Wind und einer Winddrehung. Zogen die Dinger südlich an uns vorbei, drehte der Wind auf Südost und wir liefen Richtung Norden ab. Zogen sie nördlich an uns vorbei, drehte der Wind auf Nordost und wir nach Südost. 11 Stück haben wir heute gezählt. Unser Kurs sieht daher auch aus, als wären wir besoffen gesegelt: Aufgrund der dauernden Winddrehungen schlängelt sich eine Schlangenlinie über die Seekarte. Aber wir wollen nicht klagen. Bringt ja auch nichts. Wir müssen es ohnehin nehmen wie es kommt.

 

Nicht nehmen konnten wir dagegen den Fisch, der sich heute kurz in unsere Angel verbissen hatte. Urplötzlich biegt sich die Rute um 90° nach hinten und die Schnur fängt an rasant schnell abzulaufen. Und das obwohl wir die Bremse scharf eingestellt hatten. Volker hechtet zur Angel, um sie einzuholen. Doch da: Genauso plötzlich wie er kam, ist der Zug auch wieder verschwunden. Wir holen die Angel dennoch ein, da es Nacht wird. Und als wir den Köder endlich wieder in den Händen haben, können wir unseren Augen kaum trauen. Der Haken ist um 90° aufgebogen!! Und das ist kein kleiner Haken!! Selbst mit zwei Zangen schaffen wir es nur unter Mühe, ihn wieder in seine ursprüngliche Form zu bringen. Was für ein Ungetüm hatten wir denn da bitte am Haken?? Einen ausgewachsenen Marlin?? Oder vielleicht ein U-Boot? Jedenfalls wahrscheinlich etwas, mit dem wir ohnehin nichts hätten anfangen können...

 

+++ RUBRIK: Was macht man so auf dem Atlantik? +++

+++ HEUTE: Bordzeit umstellen

 

Wir sind schizophren. Wir leben nämlich in 2 Zeitzonen! Volker in UTC und Michaela in Bordzeit. Volker in UTC, da alle Funkverbindungen, Wetterberichte etc. über UTC, d.h. Greenwich-Zeit terminiert werden. Michaela in Bordzeit, da wir danach unsere Wachen und unsere Mahlzeiten ausrichten.

 

Der Zeit-Unterschied von den Kapverden zu den Antillen sind drei Stunden. Diese holen wir im Laufe der Atlantiküberquerung durch regelmäßige Anpassung der Bordzeit ein. Alle 15 Längengrade bedeuten nämlich theoretisch das Zentrum einer neuen Zeitzone, die sich jeweils 7,5° nach West und Ost um diesen Längengrad erstreckt. Jedes Mal, wenn wir also eine Zeitzonengrenzen übersegeln, stellen wir unsere Bordzeit eine Stunde zurück. Das war bisher bei 22,5°W und 37,5°W der Fall. Das nächste und letze Mal erfolgt die Umstellung auf 52,5°W. Dann ist unsere Bordzeit gleich Antillen-Zeit (MEZ -5 Stunden).

 

Unser Tagesablauf ist daher während der ganzen Überquerung mit Sonnenauf- und -untergang synchronisiert. Für uns ist jeden Morgen um 06:30 Sunrise und um 18:30 Sunset (Bordzeit, versteht sich, gell). Auf diese Weise schaffen wir es wahrscheinlich, ohne Jetlag in den Antillen anzukommen, da wir ja genügend Zeit haben, uns an die Zeitverschiebung zu gewöhnen. Dafür sind wir wahrscheinlich schlagkaputt vom nachts Wache gehen. Mit dem Segelboot über den Atlantik ist damit wahrscheinlich auch keine Alternative für gestresste Manager, die ohne Jetlag und ausgeruht für wichtige Besprechungen ankommen wollen.

 

Zum Umgang mit der Zeitverschiebung gibt es so viele unterschiedliche Ansichten, wie es Schiffe und Skipper gibt. Die einen fahren die ganze Strecke streng nach UTC durch. Die anderen stellen ihre Uhren alle bei Abfahrt bereits auf die Uhrzeit des Zieles um. Wir geniessen allerdings unsere Methode, da sie uns immer wieder Zwischenwegepunkte gibt. Bis 180° W werden wir so alle 15° eine Stunde geschenkt bekommen. Und dort an der Datumsgrenze wird uns dann als Ausgleich einfach gleich ein ganzer Tag geklaut werden. Sauerei, oder? Aber bis dahin sind's ja noch ein paar Meilen.

 

+++ RUBRIK ENDE +++

 

Bild des Tages:

Hintergrund eines Turner-Bildes: Schauer Nr. 7 zieht auf uns zu.