Hier berichten wir Euch täglich von unserer Weltumseglung!
- Unsere aktuelle Position über Winlink (Satellitenfoto)
- Unsere aktuelle Position und bisherige Route über YOTREPS
- Unsere aktuelle Position und bisherige Route über Shiptrak
Dienstag 21. September 2010
Unser Standort: Vor Anker vor Oinafa, Rotuma, Fiji
Zeit zum Aufbruch, heute soll es nach Tuvalu gehen. Schon ab 07:30 Uhr sitzen alle unseren Bekannten aus Rotuma auf der Pier, um uns zum Abschied zu winken. Wir bauen alle Persenninge ab, holen den neuesten Wetterbericht ein und winschen das Dingi an Deck. Dann kann es los gehen.
Noch in der Abdeckung des vorgelagerten Barriereriffs setzen wir Genua und Groß - jeweils gerefft. Doch als wir aus der Abdeckung heraus ins tiefe Wasser vordringen, trauen wir unseren Augen kaum. Obwohl es "nur" 20 kn Wind hat, steht hier eine konfuse, sehr hohe See. Auf dem Am-Wind-Kurs, der uns nach Tuvalu bringen soll, gischtet Wasser übers Deck, und Michaela eilt schnell nach unten, um die letzten noch offenen Luken zu schließen. Als sie wieder ins Cockpit kommt, ist sie kreideweiß und trotz Medikamenten schwer seekrank.
Innerhalb nur 10 Minuten verschlechtert sich ihre Situation dramatisch. Sie ist kaum mehr ansprechbar, ihre Arme und Beine werden taub und schließlich schütteln Krämpfe ihren ganzen Körper. Wir kennen die Symptome dieser schweren Seekrankheit schon von Michaelas Schwester, die 2007 auf dem Trip von Huahine nach Tahiti darunter litt.
Fünf Minuten später ist Michaela nicht mehr ansprechbar, sie liegt nur noch apathisch auf der Cockpitbank und die Krämpfe lösen sich nicht. Gerade mal zwei Seemeilen sind wir von Rotuma entfernt und Volker beschließt umzukehren. Gesundheit geht vor und Michaela geht es überhaupt nicht gut.
Eine Stunde nachdem wir ausgelaufen waren, liegen wir wieder vor der Pier vor Anker und müssen auch nicht lange auf die Ankunft der Offiziellen warten. Die sind von Michaelas Zustand so schockiert, dass sie uns sofort in den Polizeiwagen verfrachten und unter Blaulicht in die Krankenstation nach Ahau, der Government Station schaffen. Dort nimmt sich der lokale Arzt Michaelas an, schließt sie an einen Tropf an und checkt alles durch.
Seiner Aussage nach sind alle wichtigen Werte normal, doch er möchte Michaela sicherheitshalber eine Weile zur Beobachtung dabehalten. Er meint, er habe über solche Fälle von Seekrankheit gelesen, aber selbst noch nie einen gesehen. Wir sind erschüttert. Wie kann es sein, dass wir nach 25.000sm plötzlich so sehr unter Seekrankheit leiden?
Die Behörden zeigen sich zum Glück verständnisvoll. Wir erhalten neue Klarierungspapiere, so dass wir morgen einen neuen Anlauf nehmen können. Der Arzt meint, das sollte kein Problem sein. Auch den Rückweg von Ahau zur Pier legen wir im einzigen Polizeiauto der Insel zurück, Michaela immer noch am Tropf. Der Polizist fährt extrem behutsam, auf dass es Michaela nicht auch noch im Auto schlecht wird. Etwas zu unserer Beruhigung meint er, dass die See heute aber auch besonders rau gewesen sei.
Wir hoffen jetzt, dass Michaela morgen wieder so weit auf den Beinen ist, dass wir einen neuen Anlauf nehmen können. Die Infusion haben wir inzwischen gezogen und Michaela ruht sich jetzt aus.
Ich habe aber jetzt noch einen Kommentar in eigener Sache, der sich vor allem auf die liebe, anonyme Karin bezieht, die im Gästebuch einen grandiosen Tipp hinterlassen hat. Wir dramatisieren in unserem Logbuch nichts, sondern geben die Dinge so wieder, wie wir sie empfinden. Und nach 25.000sm mit unserer LA GITANA haben wir durchaus die Erfahrung, wann wir reffen müssen und wann nicht. Wer aber genau liest, der weiß auch, dass wir nur selten unter zu viel Wind, sondern eher unter zu viel Welle leiden. Dagegen hilft Reffen leider nicht. Im Gegenteil. Je langsamer ein Schiff läuft, desto stärker wirken sich die Wellen aus. Zudem ist Seekrankheit und Unwohlsein sehr individuell, so wie das Schärfeempfinden. Was dem einen den Schweiß auf die Stirn treibt, kitzelt den anderen noch nicht einmal am Gaumen.
Der Pazifik ist groß, sehr groß und es gibt sehr wenig Land, das eine Dünung oder Windsee brechen oder klein halten würde. Wer nicht selbst schon im Pazifik unterwegs war, macht sich kein Bild, wie sich Wellen verhalten, wenn sie über mehrere tausend Seemeilen Fetch ungebremst laufen können.
Aber egal. Unsere Lust, noch weitere Kulturen und Inseln im Pazifik selbst zu erleben, wird auch die momentane Seekrankheitsphase überwinden. Und wer meint, dass wir hier zu sehr rumheulen, der kann ja entweder einfach nicht mehr lesen - oder besser noch - mal bei den Koryphäen der deutschen Weltumsegler nachlesen. Die Schenks, Gebhards, Erdmanns, Kochs, Hirche/Kinsbergers und wie sie alle heißen, segeln in ihren Büchern immer von einem Sturm zum nächsten. Das wiederum haben wir auf See noch nie erlebt...
Bild des Tages:
Michaela auf dem heutigen Tiefpunkt am Tropf in der kleinen Krankenstation in Ahau. Inzwischen geht es ihr wieder besser und wir hoffen, dass sie nach einer durchgeruhten Nacht morgen wieder auf dem Damm ist.