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Montag 09. April 2007

Es geht los!

Unser Standort: An einer Boje im Gatun-See, Panamakanal, Panama

 

Wir starten sehr früh in den Tag, denn wir haben bis zur Abfahrt noch viel zu tun. Volker fährt mit dem Shuttlebus zum Portcaptain, um das wichtige Zarpe für die Fahrt nach Balboa zu holen und letzte Einkäufe zu tätigen. In Panama muss man in der jeweiligen Provinz immer ein- und ausklarieren. Ohne Ausklarierung gibt es Ärger in Balboa!

 

Michaela kümmert sich in der Zwischenzeit um das leibliche Wohl der großen Crew. So viele Gäste an Bord hatten wir noch nie! Essen kochen, alles wieder sauber machen, Bäder putzen usw. Alles im Akkord, denn wir haben nur bis 14:00 Uhr dafür Zeit, damit wir noch ein letztes Mal die herrlichen Duschen der Marina nutzen können. Dann heißt es die Marinarechnung begleichen und einen tränenreichen Abschied von Lina, der Club-Sekretärin hinter uns zu bringen und schließlich den Diesel starten. Unsere Linehandler Beate und Detlev von der Kira von Celle sowie Pam und Chuck von der Super Maramu Helen Louise steigen um 15:15 Uhr an Bord und es heißt Leinen los.

 

Wir motoren gemütlich zu den Flats und werfen erst einmal Anker, denn es hat sich gezeigt, dass die Zeiten für die Aufnahme der Advisor doch eher flexibel sind. Unserer soll um 16:30 an Bord kommen. Um 16:40 setzen wir per Funk die erste Nachfrage ab. 18:00 Uhr wird uns als neue Zeit genannt. Um 17:00 fragen wir nochmals nach und es heißt in 20 Minuten komme der Advisor. Und so ist es dann auch. Um 17:20 werden wir auf UKW gerufen, wo wir denn liegen. Und dann steht Messe, unser Advisor, bei uns an Deck, wir gehen gemütlich Anker auf und tuckern Richtung Fahrwasser.

 

Kein Stress, keine Hektik, kein Geschrei wie von der völlig paranoiden Seglergemeinde auf den Flats kolportiert wird. Wir haben genügend Zeit. Der Frachter mit dem wir in die Gatunschleusen sollen, geht auch gerade erst Anker auf. So tuckern wir bei einsetzender Dämmerung Richtung der ersten Schleuse. Volker löchert den Advisor mit Fragen, der gibt viele Antworten und auch einige Anekdoten zum Besten. Bis auf ein russisches Schiff vor zwei Tagen, seien alle seine Transits problemlos verlaufen. Na dann... hoffentlich hat der Mann gerade keine Serie.

 

Bei uns steigt die Nervosität ungemein. Mit dem eigenen Schiff und der gesamten Verantwortung durch den Kanal zu gehen, ist jetzt doch etwas ganz anderes, als nur als Linehandler irgendwo mitzumachen. Aber Volker hat ja einiges gelernt. So hält er den Advisor mit lauter Sonderwünschen auf Trab: Könne er bitte die Wanderlust anfunken, um zu klären, dass wir an Backbord liegen wollen, dass wir die Bug- und Heckleinen fürs Päckchen vorbereiten, etc. Der Advior findet das gut und hängt sich richtig rein.

 

Kurz vor den Gatunschleusen wird es dann richtig ernst und wir sollen die deutsche Lasse und die amerikanische Wanderlust zu einem Verbund vertäuen. Und da ergeben sich die ersten Probleme. Mike, der Skipper der Wanderlust hat einen einheimischen "professionellen" Linehandler, zwei junge dänische Rucksacktouristinnen sowie ein junges österreichisches Mädel dabei. Sehr dekorativ, aber... Und prompt klappt natürlich nichts. Die haben keine Ahnung, was eine Spring, eine Vor- und Achterleine ist. Außerdem weiß natürlich keiner, wie man eine Leine dicht holt oder eine Klampe belegt. Nerven muß man haben. Die Mädels sitzen in Liegestühlen auf dem Vorschiff mit einem Cocktail in der Hand - wie auf einer Kanalkreuzfahrt. Mit einigen scharfen Kommandos von unserer Seite und nachdem wir die viel zu kurzen Leinen der Wanderlust durch unsere eigenen ersetzt haben, passt es einigermassen.

 

Unglücklich ist lediglich der unglaublich hohe Freibord der Hunter 49. Denn als plötzlich ein zu schnell vorbeifahrendes Lotsenboot vorbeifährt und eine Menge Schwell verursacht, ist die Wanderlust drauf und dran unsere Reling mit ihrer Scheuerleiste zu Kleinholz zu verarbeiten. Zum Glück kriegen wir noch rechtzeitig ein paar zusätzlich Fender zwischen die Schiffe und können Bruch verhindern, lediglich zwei der Autoreifen, die wir als weitere Fender rausgehängt hatten, werden glatt abgerissen und verschwinden in der Nacht. Auch nicht schlimm, da sparen wir uns schon 2 USD bei der Entsorgung. Da kommt von der Lasse ein durchdringender Kinderschrei und wir schrecken alle zusammen. Aber anscheinend ist nichts Ernstes passiert, das Kind hat sich wohl nur durch das heftige Schaukeln mächtig erschrocken.

 

Und dann öffnen sich für uns die mächtigen Schleusentore! Ganz klein machen wir uns hinter dem vor uns in der Schleuse liegenden Containerfrachter und sind schwer beeindruckt. Die Linehandler werfen uns die Affenfäuste mit den Pilotleinen zu - und zwar sehr sanft, gefühlvoll und treffsicher. Unsere Festmacher wandern nach oben und Chuck und Detlev holen die Lose ein. Beim Aufwärtsschleusen gilt es nämlich durch permanentes und kontrolliertes Einholen und Festmachen der Leine, unser Päckchen sicher vor den Turbulenzen des einschiessenden Wasser in der Mitte der Scheusenkammer zu halten.

 

Und da passiert das nächste Missgeschick. Lasse hatte sich für zwei jugendliche Linehandler auf dem Vordeck entschieden. Und die beiden haben anscheinend besseres zu tun, als sich um ihre Leine zu kümmern. Sie wird nicht dicht geholt und auch nicht belegt. Und als das Wasser in die Schleuse schießt, dass wir in einem Hexenkessel treiben zu scheinen, dreht sich das ganze Päckchen natürlich. Und zwar auf unsere Seite! Der Super-GAU!! Wir liegen immer mehr quer und der Bug von LA GITANA nähert sich auf beängstigende Weise der Betonwand, die einem überdimensionierten Reibeisen gleicht. Nur unter Einsatz der beiden Bugstrahlruder von LA GITANA und Wanderlust können wir einen Crash in die Mauer geradeso verhindern.

 

Einige aufgeregte Worte fliegen zwischen den Schiffen hinterher, aber die beiden Jungs auf Lasses Vorschiff unterhalten sich anscheinend lieber weiter über das neue Album von Take That, als sich um ihre Leine zu kümmern. Und so steigt bei uns der Adrenalinpegel gewaltig an, bis sich schließlich der unbeschäftigte professionelle Linehandler von der Wanderlust erbarmt, auf die Lasse steigt und die Leine führt. Jetzt liegen wir zwar etwas mehr mittig, dennoch laufen die Bugstrahlruder noch mehrmals an, um einen Zusammenstoß von LA GITANA mit der Mauer zu verhindern.

 

Schließlich legen sich die Turbulenzen in der Schleuse. Uff, die erste ist geschafft! Abgesehen von den Pennern auf der Lasse wäre das ein "piece of cake" gewesen. Aber es ist schon recht erstaunlich, mit welcher Crew unsere beiden Schwesterschiffe hier durch den Kanal gehen. Da brauchst echt Nerven! Kreuzfahrtcrew meets Boygroup. Und wir sind unverschuldet die Leidtragenden. Denn Chuck und Detlev hatten unsere Leinen perfekt im Griff.

 

Und schon geht's weiter in die nächste Schleuse. Auch hier geht's 12m in die Höhe. Die Koordination stimmt nun schon ein wenig besser und wir liegen gut mittig. Volker hat sogar Zeit, Videoaufnahmen zu machen. Die letzte Schleuse für heute ist dann wirklich ein Spaziergang. Alles schwatzt ganz aufgeregt durch die Gegend. Ach ist das aufregend!! Pazifik, wir kommen!!!

 

Und dann bleibt uns nur noch der Weg an die Bojen, an denen die Richtung Pazifik schleusenden Yachten eine Nacht im Gatunsee verbringen. Jetzt gibt's erstmal ein Bier für unsere hervorragende Crew und anschliessend Gulasch zur Stärkung und Belohnung. Auch der Advisor hatte einige lobende Worte für die Linehandler übrig. Und dann sitzen wir unterm Sternenhimmel im Cockpit und können aufgrund der ganzen Erlebnisse keine Ruhe finden. Bis weit in die Nacht hinein sitzen wir noch zusammen. Was haben wir für ein Glück mit unserer Crew für den Transit! Doch jetzt geht's langsam trotzdem ins Bett. Schließlich soll der Advisor morgen bereits um 06:00 anrücken. Gute Nacht aus Panama!

 

Bilder des Tages:

- Die Nakatcha und die Wanderlust drehen Warteschleifen, während wir gemütlich vor Anker auf unseren Advisor für die Kanaldurchfahrt warten.

- Detlev, Pam und Chuck (v.h.n.v.) sind ganz entspannt während der Wartezeit. Ist ja auch nicht ihr Transit...

- Endlich, nach nicht allzu langer Wartezeit, setzt das Lotsenschiff unseren Advisor auf LA GITANA ab.