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LOGBUCH

Montag 09. Dezember 2013

In der polynesischen Exklave

Unser Standort: Vor Anker vor dem Dorf Bosoria am Südpass des Nuguria Atolls, Papua Neuguinea

 

Das Nuguria Atoll ist eine polynesische Exklave, ein sogenannter „Polynesian Outlier“. So bezeichnet man die Inseln und Atolle, die außerhalb des polynesischen Dreiecks liegen und trotzdem von Polynesiern besiedelt sind. Neuseeland, Hawaii und die Osterinsel sind die Eckpunkte des polynesischen Dreiecks und das dazwischenliegende Gebiet ist das Siedlungsgebiet der Polynesier. Welch grandiose Seefahrer die Polynesier gewesen waren, zeigt sich darin, dass die von ihnen besiedelten Inseln den größten zusammenhängenden Siedlungsraum eines Volksstammes weltweit darstellen. Und das über einen unvorstellbar großen Ozean hinweg.

 

Zwar ist nicht eindeutig geklärt, wie die Besiedelung Ozeaniens durch die Polynesier genau erfolgte, fest scheint allerdings zu stehen, dass sie aus dem asiatischen Raum stammen und den Pazifik im Großen und Ganzen von West nach Ost besiedelten. Erst später, als die Polynesier bereits die Osterinsel, Hawaii und Neuseeland erreicht hatten, erfolgte vermutlich eine weitere (Rück-) Ausbreitung nach Westen, wodurch der „Korridor“ polynesischer Exklaven entstand, von denen viele auf einem ähnlichen Breitengrad liegen. Zu ihnen gehören die bekannteren Inseln wie Tikopia, aber auch das zu Fidschi gehörende Rotuma, Ontong Java, Kapingamarangi und die weniger bekannten Tasman und Mortlock Atolle. Und eben auch das Nuguria Atoll, in dem wir derzeit ankern.

 

Das wir hier nicht mehr in Melanesien, den „schwarzen Inseln“, sind, zu denen Vanuatu, die Salomonen und PNG gehören, merken wir sofort. Die Menschen haben eine hellere Haut, glattere Haare und einen kräftigeren Körperbau. Und auch die Willkommenskultur ist eine völlig andere. Wo Melanesier eher zurückhaltend abwartend bis abweisend sind, gehören die Polynesier zu den gastfreundschaftlichsten Kulturen, die man sich vorstellen kann. Kein Wunder, dass die Walfänger im 18. und 19. Jahrhundert vor allem polynesische Inseln als Versorgungsbasen nutzten.

 

Nachdem wir gestern nur kurz an Land waren, um den Sailfish abzuliefern, steht heute am Morgen unser Antrittsbesuch beim Council of Elders an. Atua, der gestern die Aufteilung des Fisches organisierte und überwachte, erwartet uns schon am Strand und bringt uns direkt zu Teka, dem Chairman des COE (Council of Elders). Wir überraschen ihn mitten in den Vorbereitungen für das große Fest zum Jahresschulschluss, welches morgen stattfinden soll. Dennoch lässt er sofort alles stehen und liegen, begrüßt uns herzlich und erteilt uns die Erlaubnis, so lange in Nuguria zu bleiben, wir wir wollen. Sie würden nie eine Yacht fortschicken, sondern sich riesig freuen, wenn sich mal eine Yacht hierher verirrt. Oft ist dies nicht der Fall. Wir sind im Kalenderjahr 2013 erst die dritte Yacht.

 

Dann führt uns Teka persönlich durch das super aufgeräumte, sehr hübsche und offensichtlich bestens organisierte Dorf. So nebenbei erfahren wir viele Informationen und Geschichten zu Nuguria und den anderen nahegelegenen polynesischen Exklaven Takuu und Nukumanu, auch Mortlock und Tasman Atoll genannt.

 

Das größte Problem dieser abgelegenen Atolle ist – wenig überraschend - die Versorgung. Das letzte Versorgungsschiff war im Januar 2013 (!!) hier. So sind die Leute von Nuguria gezwungen, alle paar Monate mit einem Longboat mit 40 PS Außenborder die 140 Seemeilen nach Buka zu fahren, um die wichtigsten Dinge einzukaufen. Keine ganz ungefährliche Sache, mit einem kleinen Fiberglasboot diese lange Strecke über den offenen Ozean zu tuckern. Schon zweimal sei ein Boot nicht am Ziel angekommen, wurde aber nach Wochen oder Monaten in Papua Neuguinea mit der Besatzung wohlauf angetrieben.

 

Doch eine solche Fahrt ist nicht nur gefährlich, sondern auch kostspielig. Vierhundert Liter Benzin gurgeln für die Strecke durch die Vergaser der Außenborder! Vor dem Bürgerkrieg in Bougainville, zu dessen Verwaltungsdistrikt die Atolle hier gehören, war die Versorgungslage anscheinend deutlich besser. Da kam ein Schiff pro Monat kaufte Kopra, Trochusmuscheln, Haifischflossen, Beche de Mer und brachte Reis, Mehl und was man sich halt sonst so an zivilisatorischen Errungenschaften wünscht. Doch die „guten“ alten Zeiten sind inzwischen mehr als 15 Jahre vorbei und die Bewohner von Nuguria fühlen sich als unschuldiges Opfer eines politischen Kräftemessens zwischen der autonomen Region Bougainville und dem Staat Neuguinea, der mit Ausbruch des Bürgerkriegs die Versorgung dieses Distrikts einstellte.

 

Dennoch gibt es auf Nuguria für alle 500 Einwohner, die sich auf zwei Dörfer verteilen, mehr als genug zu Essen. Die Lagune und das Außenriff bieten angeblich noch Fisch, Muscheln und Langusten im Überfluss und auf der größten Insel Pao Pao haben die Insulaner Gärten, in denen sie vor allem Sumpftaro und Maniok anbauen. Sie haben so viel Obst und Knollenfrüchte, dass uns Joshua am Nachmittag neben vier Trinkkokosnüssen auch noch zwei große Papayas zu LA GITANA rausbringt, die wir gerne gegen Speiseöl, Tee und Fruchtsaftkonzentrat tauschten. Chairman Teka hatte bekannt gegeben, dass sich die zwei Palagis auf der Yacht nach frischem Obst sehnen. Willkommen zurück in Polynesien…

 

Bild des Tages:

Wir ankern vor dem Dorf Bosoria, das direkt am breiten Pass in die Lagune von Nuguria liegt. Durch die Länge des Dorfes läuft eine sauber gerechte Sandstrasse, links und rechts stehen die „Leaf Houses“ in Reih und Glied in akkurat eingezäunten und bepflanzten Parzellen. Gäbe es im Südpazifik einen Wettbewerb à la „unser Dorf soll schöner werden“, Bosoria wäre ein heißer Titelanwärter.