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Samstag 01. März 2014

Kreischendes Inferno – x.ter Teil

Unser Standort: Vor Anker vor dem Dorf im Nukuoro Atoll, Mikronesien

 

Es gibt Neuigkeiten von unserer Investigation Area 93W. Leider keine guten. Gestern Nachmittag ist das Ding nun zu einem Tropischen Sturm, dem Vorläufer zu einem Taifun hochgestuft worden und hat einen Namen bekommen: TS FAXAI. Das ist aber zunächst einmal auch die einzige Veränderung. Denn bewegen will sich das vermaledeite Ding immer noch nicht. Wobei, das ist nicht vollständig korrekt so. Es hat sich bewegt. Ein kleines bisschen. Auf uns zu!

 

Der Wetterbericht macht uns aber wie schon seit beinahe zwei Wochen weiterhin Mut. Der TS FAXAI soll sich ab übermorgen Richtung Norden bewegen und so langsam die Bahn für uns Richtung Palau freimachen. Das hören wir nun schon seit beinahe zwei Wochen, aber irgendwie wollen wir immer noch daran glauben.

 

Wenn sich FAXAI in Bewegung setzt, soll es bei uns für nur 48 Stunden segelbaren Wind geben, danach soll über alle Karolinen-Inseln ein länger anhaltende, bleierne Flaute hereinbrechen. Diese knappen 48 Stunden wollen wir nutzen, um wenigstens ein Atoll weiter nach Lukunor zu kommen. Also beschließen wir, am Montag unser Glück zu versuchen und auszulaufen.

 

An Land besuchen wir noch einmal unsere Freunde Sebastian und Curtis und teilen ihnen den Termin für unsere Abfahrt mit. Und da morgen Sonntag ist und daher noch nicht einmal eine Zitrone gepflückt werden darf, machen wir bereits heute ein letztes Mal „Island-Shopping“.

 

Gerade als wir schwer beladen mit Obst und Gemüse zu unserem Dinghi zurückkehren, sehen wir auf der anderen Seite der Lagune, dass die Welt gleich untergehen wird. Eine tiefschwarze Wand mit einer fetten Böenwalze kommt drohend auf uns zu. Nicht schon wieder! Bitte nein, nicht noch eine Nacht bei Sturm auf Legerwall! Wir haben die Schnauze sowas von gestrichen voll im Moment.

 

Doch was hilft lamentieren? Wir schaffen es nicht einmal mehr rechtzeitig, das Dinghi ins Wasser zu bringen, da bricht das Inferno über uns herein. Wo eben noch die Sonne auf eine spiegelglatte Lagune schien, scheint nun die Nacht hereinzubrechen und meterhohe Wellen mit fliegenden Gischtstreifen machen die Rückkehr auf LA GITANA beinahe unmöglich. Nun ist es bereits mitten in der Nacht, der Wind kreischt nach wie vor im Rigg, überall um uns herum blitzt es und die Wellen sind schon wieder so hoch, dass der Bug von LA GITANA eintaucht und wir tonnenweise Wasser schaufeln.

 

Mann, das gibt’s doch gar nicht! Stimmt denn hier überhaupt kein Wetterbericht mehr?! Wenn wir das gewusst hätten, wären wir rechtzeitig auf die andere Atollseite gefahren. Doch nun ist es zu spät und hinter uns greift schon wieder das nahe Ufer nach unserem Heck. Es reicht jetzt echt! Fucking leeshore again!!!

 

Bild des Tages:

Man sieht am Horizont bereits eindeutig die heraufziehende Böenwand, während wir noch zuschauen, wie die Locals die japanische Yacht Next vertäuen. Der Skipper war im letzten Jahr einhand hier vorbeigesegelt und hatte die starken Strömungen um das Atoll rum falsch eingeschätzt. So lief er mitten in der Nacht aufs Außenriff und verlor sein Schiff mit allem Hab und Gut. In den letzten Monaten hatten die Leute von Nukuoro die Jeanneau bereits vollständig ausgeschlachtet, so sehr, dass noch nicht einmal ein einziges Holzteil der Einbauten übrig geblieben war. Heute Nacht war nun die zweithöchste Tide des Jahres gewesen und mit einigen Auftriebskörpern haben es die Locals geschafft, die Yacht vom Riff runterzuziehen und vors Dorf zu schleppen. Hier wird der Kahn vollends auseinandergenommen und das Fiberglas des Rumpfes in so etwas Profanes wie Tischplatten oder Wände für die Hütten verwandelt. Immer wieder ging uns dieses Bild durch den Kopf als wir heute Nacht zitterten, dass der Anker bitte halten und nichts brechen möge…