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Freitag 06. Dezember 2013
Unser Standort: Unterwegs von Taro, Choiseul Bay, Salomoninseln ins Cartert (Tulun) Atoll, Papua Neuguinea
Die Geißel des Pazifiks ist wirklich der Alkohol. Egal ob wir in Französisch Polynesien, Samoa, Kiribati, Tuvalu oder Neuseeland waren, überall hauen sich viele Männer immer dermaßen die Birne zu, dass man es sich schlimmer nicht vorstellen kann. Wenn ich mich recht erinnere, fehlt den Polynesiern und Melanesiern ähnlich wie den Japanern ein Enzym, das für den Alkoholabbau im Blut sorgt. Von daher erreichen die Insulaner des Pazifiks „Besoffenheitsgrade“, die man sich als Europäer nur sehr schwer vorstellen kann.
Vor allem da Alkohol trinken hier in den Gesellschaften in keinerlei soziokulturelles Korsett gezwängt ist. Hier ist der Konsum der Droge Alkohol auf das Wesentliche reduziert und ausschließlich auf eines ausgerichtet: so schnell und so stark besoffen werden, wie nur irgend möglich. Scheint beinahe, als hätte das Komasaufen seinen Ursprung im Pazifik. Sobald also ein (in der Regel männliches) Wesen im Pazifik ein paar Geldscheine in der Hand hat, fällt ihm oft nichts Besseres ein, als sich zuzusaufen. Und das endet leider oftmals mit totalem Kontrollverlust der „Manieren“. Messerstechereien, Prügeleien, Vergewaltigungen und natürlich Diebstahl und Raub, um an mehr Mittel zum Weitersaufen zu kommen, sind die traurige Folge.
Besonders schlimm ist diese besondere, pazifische Art des Alkoholmissbrauchs an Orten, wo es zum einen Geld gibt, also in größeren Dörfern oder Städten, in denen es ein paar Beschäftigte gibt. Zum anderen ist die Sauferei besonders übel, wenn die soziale Kontrolle durch die Großfamilie oder den Clan fehlt. Auch dies ist vor allem in größeren Dörfern oder Städten der Fall, wo (meistens junge) Menschen hinziehen und fremd und ohne ihre gewohnte Clan-Umgebung sind. Addiert man dazu noch, dass selbst in den hinterletzten pazifischen Inselstaaten die Verstädterung massiv zunimmt, weiß man, wo der Trend beim Alkoholkonsum hingeht.
So viel zum Allgemeinen, doch das Thema hat natürlich einen speziellen Anlass. Denn leider ist auch das Provinzregierungsstädtchen Taro ein Städtchen und es gibt Bottle Shops, ein Watering Hole, Beamte mit Geld, welches sie über den Markt und Taxiboote und Hausangestellte unters Volk bringen – ergo gibt es hier eben auch ein Alkoholproblem. Und das bekamen wir heute Nacht zu spüren.
Kurz vor Mitternacht tuckert ganz leise ein Speedboot aus Fiberglas zu uns heran. Wir liegen nun ja schon einen guten Kilometer vom Dorf entfernt und außerhalb aller Bootsrouten, um möglichst wenig spontanen Besuch zu erhalten. Der Typ kam also extra zu uns raus. Und als Volker ihn mit der dicken Taschenlampe anleuchtet, geht’s auch schon los: „This is my territory, I need hot stuff, give me hot stuff (Schnaps), I want hot stuff, give me the right answer, man.“ Und so weiter und so fort.
Ohne mit Details zu langweilen, vielleicht hat Volker einen zu barschen Ton, als er ihm verkündet, er solle doch jemanden anderen nerven, jedenfalls hat der Typ eine kurze Lunte und dreht durch. Er brüllt wild rum, schmeißt seinen 60 PS Außenborder an und versucht uns mit Vollgas zu rammen. Zweimal scheint er im letzten Moment noch einen lichten Moment zu haben und realisiert, dass es wohl auch ihm und seinem Boot nicht so gut bekommen würde, wenn er mit 20 Knoten in uns reindonnert. Zweimal reißt der daher im letzten Moment das Ruder rum. Dann hat er genug und rast in absolut schwarzer Nacht mit heulendem Motor davon.
Wir sind erstmals geschafft und das Adrenalin pumpt durch unsere Körper. Was für ein Riesenarschloch! Wie schade, dass die letzte Nacht in den Salomonen auf so einem Misston enden muss. Schade für all die Menschen, die uns so positiv begegnet sind. Für uns ist nun jedoch die Nacht vorbei. Denn als das besoffene Arschloch wegfuhr, lallte er uns noch lautstark zu, er komme wieder mit seinen Kumpels. Für uns das klare Zeichen zum Aufbruch. Wir wollten ja ohnehin in der Früh um vier Uhr lossegeln. Dann können wir auch schon um Mitternacht Anker auf gehen. Aus Sorge, dieser Idiot könnte tatsächlich nochmal zurückkommen, stehlen wir uns ohne Navigationslichter aus der Lagune von Choiseul Bay in die Bougainville Strait hinaus. Schade, sehr sehr schade…
Bild des Tages:
Draußen auf See erwartet uns eine besoffene SPCZ – überall Squalls und Gewitter, Wind in allen Stärken und aus allen Richtungen, dementsprechend eine konfuse See. Ständig machen wir Segelmanöver und den Motor an und aus. Unter normalen Umständen wären wir heute noch einen Tag in Taro geblieben. Allerdings ist heute zu allem Überfluss auch noch Zahltag für die Beamten und Wochenende. Und da wird die Situation mit den Besoffenen in der Regel noch schlimmer. Also lieber eine besoffene SPCZ.