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Samstag 15. März 2014

Keine Zeit zum Aufräumen und Putzen

Unser Standort: Vor Anker in der Lagune des Puluwat Atolls, Chuuk State, Mikronesien

 

Nuguria, Kapingamarangi und Nukuoro waren alles „Polynesian Outliers“, polynesische Exklave in einer von Melanesiern (südlich des Äquators) oder Mikronesiern (Nordwestpazifik) dominierten Inselwelt. Mit der Ankunft in Puluwat haben wir nun unser erstes nicht-polynesisches Atoll in Mikronesien erreicht. Puluwat gehört offiziell zum Teilstaat Chuuk der Vereinigten Staaten von Mikronesien. Und die Chuukese sind ein eigener Volksstamm in Mikronesien mit eigener Sprache und eigener Kultur. Allerdings sind die Bewohner von Puluwat kein Chuukese, sondern mit den Bewohnern des angrenzenden Teilstaats Yap verwandt. Also streng genommen schon wieder eine Exklave. Egal wie, wir haben einen neuen Kulturkreis erreicht, den Kulturkreis von Yap, der Insel mit dem weltberühmten Steingeld.

 

Drei Dinge fallen uns hier sogleich auf: Erstens herrscht an Land ein – Entschuldigung, ich weiß nicht wie ich es sonst ausdrücken soll – Saustall. Man hatte uns schon in Nukuoro und Kapingamarangi „gewarnt“, dass es in Puluwat nicht allzu weit mit der Ordnung und Reinlichkeit her sein soll. Und leider ist dem tatsächlich so. Hier sind keine Wege vom Laub sauber gerecht oder hübsch mit Pflanzen eingefasst. Pflanzen- und Küchenabfälle werden einfach in die Gegend oder neben die Hütte gekippt. In den Kochhäusern liegt schmutziges Geschirr kreuz und quer, man sitzt nicht auf Matten, sondern auf dem blanken Boden. Generell wirkt alles schmuddelig, verwahrlost, heruntergekommen und bei den offiziellen Gebäuden der kleinen Klinik oder der Schule sieht man reichlich Spuren von Vandalismus und Graffiti-Schmierereien. Was man dagegen nicht sieht, sind irgendwelche Bedürfnisanstalten, Outhouses oder Sickergruben. In Nukuoro hatten sie uns mit einem Gesicht des Ekels angekündigt, dass die Bewohner von Puluwat ihr Geschäft einfach irgendwo in der Gegend verrichten. Neben ihren Häusern! Nun, das scheint tatsächlich der Fall zu sein. Unvorstellbar für die Leute in Nukuoro und Kapingamarangi.

 

Zweitens sind die Leute dafür umso netter, freundlicher, offener. Wir werden wirklich sehr herzlich empfangen, viele Leute kommen bei der Yacht vorbei, um ein wenig zu quatschen und jeder bietet uns an, uns mit Trinknüssen, Obst oder Gemüse zu versorgen. Offensichtlich gibt es nicht nur eine polynesische, sondern auch eine besonders stark ausgeprägte yapesische Gastfreundschaft. Was hingegen wieder ein wenig negativ auffällt, sind die doch sehr häufigen und direkten Fragen vieler Kinder nach Süßigkeiten und vieler Erwachsener nach Zigaretten. So direkt wurden wir schon ganz lange nicht mehr nach etwas gefragt. Ist aber in Ordnung, unhöflich oder aufdringlich ist das alles bisher trotzdem noch nicht.

 

Die dritte Beobachtung ist dann auch die größte Besonderheit von Puluwat. Es handelt sich um die großen seegängigen Ausleger-Kanus von Yap. Hier in Puluwat sind derzeit noch 10 Auslegerkanus in voll funktionsfähigem Zustand im Einsatz, weitere 10 bis 15 sind in „Wartung“. Wir sind eindeutig im Land der „Navigator“ angekommen, den letzten großen und grandiosen Navigatoren des Pazifiks, die ihre nur mit Inselmitteln gebauten Segelkanus auf jahrtausendealten Handelsrouten bis nach Guam, Japan oder gar Hawaii und Tahiti segeln. Und das ganz ohne Seekarten, Kompass und GPS. Nur mit ihrem einzigartigen Sternennavigationssystem, dem Lesen von Wellen und Wassertemperatur sowie dem Erkennen bestimmter Tierarten in der Luft und im Wasser sind diese Navigatoren durch den ganzen Pazifik gekreuzt und haben Inseln gefunden und wiedergefunden, die man aus mehr als 12 Seemeilen Entfernung gar nicht mehr sieht. Auch heute steuern sie ihre um die zehn, elf Meter langen Kanus auf die offene See. Entweder um eines der Kanus ins Museum von Okinawa zu liefern, um nach Pikelot zu segeln und Schildkröten zu fangen oder aber um Tunfisch auf der Uranie Bank zu jagen.

 

Es bleibt einem wirklich der Mund offen stehen, wenn die Kanus das erste Mal majestätisch an einem vorbeigleiten. Und damit steht natürlich auch das höchste Ziel unseres wahrscheinlich sehr kurzen Besuchs in Puluwat fest: Einmal mit einem solchen Kanu auf der Uranie Bank zum Tunfischen segeln…

 

Bild des Tages:

Morgen ist Sonntag und daher muss „meat“ auf den Tisch kommen. Wenn sie englisch sprechen, bezeichnen die Polynesier und Mikronesier Fisch als „meat“, also Fleisch. Das Fleisch des Meeres wird heute von zwei großen Kanus gefangen, die am frühen Morgen durch den Pass auf die Uranie Bank hinaussegelten. Ein Anblick, bei dem jedem Segler warm ums Herz wird, denn es gibt weltweit nur noch ganz wenige Orte, an denen große Segelboote als Arbeitstiere eingesetzt werden. Und die seegehenden Kanus aus Yap sind ziemlich einzigartig auf der Welt.