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Dienstag 27. Mai 2014

Schutzengel in Aktion

Unser Standort: Vor Anker bei Omekang Island in den Rock Islands, Koror, Palau

 

Bei Sonnenschein und blauem Himmel ging es heute Morgen früh Anker auf, damit wir bei gutem Licht durch die riffgespickte südliche Lagune zu unserem neuen Ankerplatz kommen können. Volker wählte den romantischen Weg durch die Inseln, anstatt auf der "Schnellstraße" nach Süden zu kommen, was uns an unsere Orinoco-Flussfahrt in Venezuela erinnerte. Nicht ganz so eng, aber genauso schön! Als wir aus dem Insel-Labyrinth draußen sind, schalten wir vom Sightseeing-Modus auf unseren Lagunen-Durchfahrt-Modus um. Heißt: Michaela vorne am Bug, Volker am Steuer mit Blick auf das vorausschauende Echolot sowie auf die Google-Earth-Karte, die, wenn das Foto gut ist, uns die meisten Riffe zeigt. Leider ist das Foto von hier nicht so prickelnd und die Lagune voll mit Riffen und Bommies, die schlecht zu sehen sind. Westward II hatte uns ihren Track gegeben und versichert, dass man alles gut sehen würde. Der Track führt allerdings im Zickzack durch die Riffe, so dass wir lieber ein wenig rechts in anscheinend gleichbleibend tieferem Wasser bleiben, wo wir keine Riffe umschiffen müssen.

 

Während Carina vor uns sowie Westward II hinter uns in Schleichfahrt um die Riffe kurven, können wir so ohne Probleme schnurstracks geradeaus fahren. Einen fiesen, weil im trüben Wasser schwer erkennbaren Bommie nahe unserer Route entdeckt Michaela so frühzeitig, dass Volker ihn in der Karte eintragen kanne bevor wir ihn erreichen. Einen zweiten Bommie kann Volker nur mit der polarisierenden Brille sehen als wir an ihm schon vorbei sind. Uff, das war knapp - ein paar Meter weiter rechts und es hätte schief gehen können, denn ob dieser Korallenblock tief genug war oder nicht, wissen wir nicht. Es war auf jeden Fall einer dieser fiesen, vereinzelten Bommies, die man fast nicht sieht, außer man kennt sie und weiß wo sie sind. Erschwerend kommt hinzu, dass das Wasser hier sehr nährstoffreich ist und damit trüb! Aber wir haben trainierte Augen und sehen eigentlich die meisten Bommies. Eigentlich!

 

Nun, was sollen wir sagen - nach 35.000 Seemeilen und wie vielen Atollen, noch mehr Riffen und Bommies, die wir problemlos und in sicherem Abstand umschifft haben, hunderte von Pass-Durchfahrten, die wir gemeistert haben… Heute hat es auch uns erwischt! Unfassbar, wir können es immer noch nicht glauben, wie viel Glück wir heute hatten und dass unser Schutzengel uns heute wieder so gut geholfen hat! Mann, hatten wir Glück!!!

 

Was passiert ist? Als wir kurz vor dem Ankerplatz sind, eigentlich schon Ankern wollen, ist es passiert. Wir haben einen dieser fiesen Bommies das erste Mal NICHT gesehen und sind prompt drauf gefahren, volle Pulle draufgerumst! Bilder die sich im Gedächtnis eingraben, Schrecksekunden die man nie wieder vergisst! Das Riff hatten wir an Backbord gelassen und uns bis zur Einfahrt zum Ankerplatz vorgehangelt, da Wolken die Sicht einschränkten. Just im Moment, wo wir zum Ankerplatz "abbiegen" wollen, sieht Volker auf dem Echolot eine Wand und schreit "Bommie" zum Bug, wo Michaela steht. Sie schaut an Backbord ins Wasser und ruft zurück "nicht voraus, wir sind direkt darüber", als es schon kracht. Der Aufprall ist so heftig, dass LA GITANA von der Kielsohle bis zu den Mastspitzen vibriert. Volker hat zwar Vollgas im Rückwärtsgang gegeben, kann LA GITANA aber nicht schnell genug auftoppen und daran hindern, auf den Korallenblock zu krachen. Vom heftigen Aufprall rauscht zu allem Überfluss der Anker, der bereits vorne am Bug hing, in die Tiefe und Michaela kann das Kettenrad nicht schnell genug festdrehen. Volker rennt sofort unter Deck um zu prüfen, ob wir Wassereinbruch haben. Er ist sich sicher, dass wir den Korallenblock mit dem Bug gerammt und ein Loch im Bug haben. Denn der Geber unseres Echolots, der dort unten sitzt, zeigt keine Tiefe mehr an. Der ist wahrscheinlich nur noch Schrott, wenn er überhaupt noch am Schiff hängt. Dann rennt Volker sofort zum Bug und holt den Anker wieder auf, während Michaela am Steuer die LA GITANA vom Korallenblock fern hält. Panik, nicht auf der Titanic, sondern ziemlich große auf LA GITANA!!!

 

Da wir keinen Wassereinbruch in den Bilgen sehen können und auch die Bilgepumpe nicht losgeht, bringen wir unser Schiff in sichere Entfernung zum Korallenblock und ankern erst einmal. Dann taucht Volker sofort, um zu sehen, welchen Schaden dieser Crash verursacht hat. Michaela kontrolliert erneut alle Bilgen, ob irgendwo Wasser zu sehen ist. Nach bangen fünf Minuten taucht Volker wieder auf und gibt Entwarnung: wir haben den Bommie anscheinend "nur" ganz unten mit dem Kiel getroffen und haben nun eine fette Delle im Eisenballast an der vorderen Kante. Alles weg bis aufs blanke Eisen, meint Volker als er wieder an Bord ist. Aber er konnte keine strukturellen Risse o.ä. sehen, es gibt im Schiff auch nirgends Wasser zu sehen. Bei einer Bavaria, Jeanneau oder einer anderen Yacht mit einem angebolzten Schwertkiel, wäre bei dem Aufprall sicher der Kiel abgefallen. Wir sind auch heute wieder heilfroh, dass unser Schutzengel ganze Arbeit geleistet hat und uns nicht hat absaufen lassen. Wie schon in Galapagos, als wir einen Wal mit dem Kiel gerammt hatten, kamen wir mit einem blauen Auge bzw. einer tiefen Delle im Kiel davon. Hoffentlich! Wer weiß, ob nicht doch noch mehr passiert ist, was wir jetzt noch gar nicht wissen. Der Tag ist jedenfalls für uns gelaufen, da hilft auch kein Beach-BBQ mit den anderen Yachten am Abend. Aber HURRA, wir schwimmen noch!

 

Was hatten wir falsch gemacht? Waren wir zu leichtsinnig? Nein, wir hatten die Fahrt durch die Lagune auch dieses Mal nicht auf die leichte Schulter genommen. Aber vielleicht hatten wir das milchig trübe Wasser unterschätzt und die Wolken, die gerade die Sonne verdeckt hatten. Dummerweise hatte Volker das Echolot bereits auf den Nahbereich eingestellt, um einen Ankerspot zu finden, und daher die Wand erst gesehen, als wir zu nahe dran waren. Wir hätten stoppen und warten sollen, bis die Sonne wieder da war und wir besser gesehen hätten. Hinterher ist man immer schlauer, so viel steht fest. Genau wie die anderen Yachten, die einem dann sagen "wir hatten den Bommie beim letzten Mal schon gesehen". Toll, und warum habt ihr uns dann nicht gewarnt??? Wir hatten es geschafft, den einzigen Korallenblock, der bis 2 Meter unter die Wasseroberfläche reicht, zu rammen. Wären wir bei Hochwasser angekommen, wären wir sicher ohne eine Schramme drüber gefahren, und hätten ihn wahrscheinlich auch nicht gesehen. So wie Westward II, deren Tracks gleich zweimal haarscharf daran vorbei führen. Alles in allem ein Erlebnis, das wir uns gerne erspart hätten!!!

 

Bild des Tages:

LA GITANA's Rock haben wir ihn getauft und gleich in die Karte als Gefahrenstelle eingetragen. Auch heute war unser Schutzengel in Aktion, als wir kurz vor dem Ankerplatz auf diesen Bommie krachten, der bis an die Wasseroberfläche reicht. Im trüben Wasser war er beim besten Willen nicht zu sehen, sondern plötzlich da! Der Aufprall war so heftig, dass wir die Koralle glatt gespalten haben. Das Schwarze in dem Spalt ist unser Antifouling. An Tagen wie diesen, braucht man einfach auch mal ein Quentchen Glück…